Protokoll der Sitzung vom 07.02.2007

Die zusätzlichen Mittel für die Sonderdienste im Rettungsdienst wie Bergwacht und Wasserrettung – ich nenne konkret das Thema Rettungsboote auf dem Bodensee – sind eine Investition, die dringend erforderlich ist und im normalen Verfahren angesichts des vorhandenen Antragstaus, obwohl dringend nötig, nicht zeitnah hätte bedient werden können.

(Beifall der Abg. Andreas Hoffmann und Jörg Döp- per CDU)

In fast allen Bereichen des Sozialhaushalts, meine Damen und Herren, können – das ist uns wichtig – durch entsprechende Bewirtschaftung bzw. rückläufige Inanspruchnahmen die Kürzungen in diesem Doppelhaushalt weitestgehend kompensiert werden. Nur, ganz ohne Schmerzen an einzelnen Stellen geht es einfach nicht.

Bei einem Punkt, nämlich – wir haben es heute schon mehrfach gehört – der Neuausrichtung des Landeserziehungsgelds, sind wir in den letzten Wochen ein gutes Stück vorangekommen. Das angedachte Dreisäulenmodell entspricht den Anforderungen an die Familienpolitik unseres Landes. Das Herzstück des bisherigen Landeserziehungsgelds, nämlich die Unterstützung sozial schwacher Familien und Alleinerziehen- der, bleibt erhalten. Ich verstehe deshalb überhaupt nicht, weshalb man hier von einem zum Teil unsozialen Modell reden kann.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das erklären wir Ih- nen gleich!)

Wenn wir uns darüber austauschen wollen, was in Teilen unsozial ist – dazu stehen wir, auch wenn die eigene Partei in Berlin dafür mitverantwortlich ist –, dann müssen wir uns eher mit dem Elterngeld des Bundes auseinandersetzen. Aber das ist hier und heute nicht unser Thema.

Die zweite Säule des Landeserziehungsgelds – bereits in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben – ist die Teilumwidmung in den Ausbau der Betreuungsangebote. Nur, hier haben wir bzw. die Kommunen einen Auftrag bis zum Jahr 2010, und das Land wird die Kommunen bei der Erfüllung dieser wichtigen Aufgabe nicht alleinlassen. Die vom Land zu erbringenden Anteile sind einvernehmlich besprochen. Wenn von kommunaler Seite ein Mehrbedarf, nicht in der prozentualen Höhe – da reden wir immer über 10 oder 30 % –, sondern durch Schaffung weiterer Angebote über das geplante Maß hinaus, entstanden ist, hat sich das Land auch in den letzten Jahren seiner Verantwortung nicht entzogen.

Deshalb sage ich nochmals: Wir wollen erstens an dem Herzstück des Landeserziehungsgelds festhalten und den jungen Familien und Müttern ein Garant für eine verlässliche Politik und für finanzielle Unterstützung sein. Dies hat bisher unsere baden-württembergische Familienpolitik ausgezeichnet und

wird sie auch in Zukunft auszeichnen. Gerade diese Zielgruppe muss sich auf uns verlassen können.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Wir haben aber auch erkannt, dass im Bereich der Elternbildung Bedarf besteht. Hierzu soll die dritte Säule dienen. Auch hier müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Es gibt bereits hervorragende, evaluierte Programme. Die spannende Frage wird nur sein – das ist heute auch schon angeklungen –: Wie können wir alle Eltern, auch die, bei denen wir der Meinung sind, dass sie die Angebote am dringendsten brauchen, erreichen? Aber Sie können unbesorgt sein: Es wird uns hierzu eine gute und vor allem praktikable Lösung einfallen.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Schauen wir mal! – Abg. Katrin Altpeter SPD: Das glaube ich nicht! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das glaube ich auch nicht!)

Diejenigen, die das angedachte Modell kritisieren, sollten sich einmal überlegen, ob sie in den letzten Jahren nicht zu denen gezählt haben, die es am liebsten ganz abgeschafft hätten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Wir dagegen sind sogar bereit, in der Übergangsphase vom alten auf das neue Modell zusätzliches Geld in die Hand zu nehmen, um die betroffenen Familien in kein Loch fallen zu lassen bzw. die neuen Mittel von Anfang an zu gewähren.

Es gibt aber durchaus auch Bereiche, meine sehr verehrten Damen und Herren, denen wir in Zukunft unser Augenmerk schenken müssen. Dazu zählt mit Sicherheit auch die steigende Zahl wohnungsloser Frauen. Die Probleme sind auch uns nicht entgangen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Warum habt ihr dann kein Geld eingestellt? Das wundert mich ja!)

Für unsere Arbeit als Sozialpolitiker ist es aber auch wichtig, gewisse Übersichten über angebotene Programme in ihrer Gänze zu haben, z. B. bei der Gefährdetenhilfe, um daraus die richtigen politischen und finanziellen Einschätzungen vornehmen zu können. So sind wir jetzt wahrscheinlich alle gespannt, wie die noch im ersten Quartal 2007 zugesagte „Angebotslandkarte“ – das ist ein toller Begriff – aussehen wird. Bei der Pflegeheimförderung ist unser Weg, nämlich der Ausstieg bis zum Jahr 2010, vorgezeichnet. Der Ausstieg erfolgt deshalb erst 2010, weil uns bewusst ist, dass es Regionen im Land gibt, in denen der Kreispflegeplan noch nicht vollständig umgesetzt ist und damit noch Nachholbedarf besteht. Wir wissen aber auch alle sehr wohl, dass es durchaus Experten gibt, die uns einen sofortigen Ausstieg geraten haben. Unabhängig von alldem wissen wir auch alle, dass uns die stationäre Pflege in Zukunft noch vor große Herausforderungen stellen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln auch weiterhin eine vernünftige Sozial- und hier insbesondere eine den Bedürfnissen angepasste Familienpolitik machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Wonnay.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist leider nicht nur die Krabbenfischerei, bei der sich das Land in einer Schlusslichtposition befindet. Wenn es denn so einfach wäre! Es gibt eine Studie des unabhängigen Instituts berlinpolis vom Dezember letzten Jahres, die die soziale Lage der einzelnen Bundesländer untereinander verglichen hat. Da schneidet Baden-Württemberg in vielen Bereichen gut ab. Das freut uns. Aber genau in dem Bereich, den wir gemeinsam in der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ als eine der entscheidenden Weichenstellungen für die Zukunftsfähigkeit des Landes erachtet haben, nämlich im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wird uns nicht die Spitzenposition bestätigt, sondern da nehmen wir einen der Abstiegsplätze ein. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf uns nicht zufriedenstellen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Deshalb möchte ich im ersten Teil, nämlich bei der Thematisierung der Familien- und Frauenpolitik – nachher wird Frau Kollegin Haußmann auf die anderen Felder der Sozialpolitik eingehen –, auf den in der Tat wesentlichen Bereich der Kleinkindbetreuung eingehen.

Wir haben bei der Kleinkindbetreuung im Land Fortschritte gemacht. Wir haben in den vergangenen vier Jahren pro Jahr um 1,5 Prozentpunkte zugelegt. Wir sind jetzt bei einem Angebot für 9 % der Kinder im entsprechenden Alter. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, sehr aufmerksam Ihrer Bundesfamilienministerin zugehört haben, die im vergangenen Sommer dargestellt hat, wie sich die Situation bezüglich des von ihr so geschätzten Tagesbetreuungsausbaugesetzes darstellt – ich darf daran erinnern, das ist noch der rot-grünen Bundesregierung zu verdanken –, dann wissen Sie, dass Baden-Württemberg heute einen Stand hat, der dem durchschnittlichen Stand aller Bundesländer im Jahr 2002 entspricht. Wenn wir in der gleichen Dynamik fortfahren – wenn ich Herrn Mappus heute Morgen richtig verstanden habe, sprach er davon, dass wir das Niveau halten –, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir zum Zeitpunkt der Zielmarke 2010 auf dem Stand, dass wir für jedes siebte Kind in unserem Land einen Platz anbieten können. Das ist jedoch erst das Niveau, das alle Bundesländer zusammen bereits jetzt im Schnitt haben.

Wir hinken in der Entwicklung also um vier Jahre hinterher. Lassen Sie es mich noch einfacher erklären: Die Sozialminis terin spricht davon, dass wir im Jahr 2010 im Schnitt – wir wissen, es ist regional unterschiedlich – für 20 % der Kinder ein Angebot brauchen. Ich sage, ich halte diese Zielmarke für zu niedrig. Denn das Bundeselterngeld wird uns eine Dynamik bringen, die dazu führt, dass wir bei dieser Zielmarke den Bedarf nicht erfüllen, sondern dass wir die Messlatte höher legen müssen. Aber gehen wir von dieser Größenordnung aus. Wenn Sie den Anstieg der letzten Jahre hochrechnen, sehen Sie, dass wir auch dieses selbst gesteckte Ziel der Landesregierung nicht erreichen werden. Das heißt, wir müssen mehr tun.

Die SPD-Fraktion gibt Ihnen heute die Chance dazu, mehr zu tun, und zwar in zweifacher Hinsicht. Wir schlagen Ihnen vor, 64 Millionen € zusätzlich im Doppelhaushalt einzustellen, um zusätzliche Plätze im Bereich der Krippenbetreuung zu schaffen, aber auch um dazu beizutragen, dass es den Partnern, die wir dazu brauchen, nämlich den Kommunen und den Trägern – darunter auch vielen Elterninitiativen –, überhaupt ermöglicht wird, in diesen Ausbau einzusteigen. Das heißt, wir müssen die Zuschusshöhe von 10 % – wir schlagen vor, in Stufen – auf 30 % anheben. Für uns ist es nicht einsichtig, dass die Förderung von Kleinkindern dem Land weniger wert sein soll als die Förderung von Kindergartenkindern.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Ich würde mich freuen, wenn wir zum Thema Landeserziehungsgeld endlich einmal mehr bekommen würden als Problemskizzen oder Lösungsskizzen. Sie hatten Ihr Konzept für den Herbst angekündigt. Das ist jetzt schon ein bisschen her. Wir warten darauf, dass nun vielleicht im Frühjahr das Konzept endlich vorgelegt wird. Wir haben unser Konzept vorgelegt.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Das ist doch noch ein ganzes Jahr hin!)

Wir halten daran fest, dass wir weiterhin sozial schwache Familien in unserem Land finanziell unterstützen wollen.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Wir auch!)

Laut den Aussagen unseres Statistischen Landesamts leben immerhin 16 % der Kinder in Baden-Württemberg unter der Armutsschwelle. Deshalb sagen wir: Diese Familien wollen wir unterstützen. Allerdings verknüpft die SPD-Fraktion dies mit vielfältigen Vorschlägen. Wir wollen auch das Budgetmodell anbieten; wir wollen vor allem die Koppelung mit Beratungsangeboten, und zwar nicht nur mit Beratungsangeboten, liebe Kolleginnen und Kollegen, die die Erziehungskompetenz der Eltern betreffen, sondern wir wollen speziell auch die Beratung in Fragen anbieten, die die Erwerbstätigkeit, die Berufsausübung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betreffen. Wir wollen das Landeserziehungsgeld zu einem modernen Landeselterngeld umgestalten. Ich kann Sie nur ermuntern, sich bei der Erarbeitung Ihres Konzepts unseren Vorschlag sehr gut anzuschauen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Ich appelliere aber eindringlich an Sie: Nehmen Sie auch den Bereich der Hilfen für Familien noch einmal genau unter die Lupe. Beraten Sie sich noch einmal eingehend mit Ihrer Fachministerin. Denn gerade, wenn wir die Familien erreichen wollen, bei denen Kindern Vernachlässigung droht, dann – das wissen wir aus der ganzen Debatte um die Vorsorgeuntersuchungen – ist das Einladungssystem, so gut es auch gemeint ist, nicht geeignet. Ein Einladungssystem mit Beratungsgutscheinen erreicht genau die Familien nicht, die wir erreichen wollen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Das heißt, wir brauchen aufsuchende Hilfen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE – Zuruf von der SPD: Ganz genau!)

Sie haben ja jetzt noch einen gleichstellungspolitisch bedeutsamen Antrag vorgelegt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Hierzu muss ich Ihnen jedoch sagen: Ich bin beim Titel leidenschaftslos, und ich hätte dem auch gern zugestimmt, Frau Kollegin Berroth, wenn ich unter diesem Haushaltstitel auch etwas Habhaftes in Bezug auf die Fördersumme entdeckt hätte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grü- nen)

Ein Haushaltstitel, den Sie von Jahr zu Jahr weiter demontiert haben, ist leider auch kein Ruhmesblatt für die zuständige Beauftragte der Landesregierung – wobei ich glaube, dass sie am wenigsten dafür kann. Aber dazu, eine solche Demontage der Mittel, die wir im Land Baden-Württemberg einsetzen, um tatsächlich Chancengleichheit von Frauen und Männern herbeizuführen, auch noch mit einem anderen Titel zu bemänteln,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist unglaublich!)

sind wir, das muss ich sagen, in unserer Fraktion nicht bereit.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Ich erkenne ausdrücklich an, dass Sie wenigstens bei den Kontaktstellen „Frau und Beruf“ den geplanten Sündenfall zurückgenommen haben. Aber das gleicht in der Summe das Defizit in anderen Bereichen leider nicht aus.

Wenn Sie wirklich das Ziel verfolgen, ein kinder- und familienfreundliches Land zu werden, dann kann ich Ihnen nur ans Herz legen: Stimmen Sie unseren Vorschlägen zu, und geben Sie beispielsweise auch der Forderung des Ministerpräsidenten Ihre Zustimmung, die er seit Jahren gebetsmühlenhaft wiederholt, nämlich die Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr einzuführen.

Weniger reden und mehr handeln – dann geht es den Kindern und unserem Land gut.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erhält Frau Abg. Lösch für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sozialpolitik ist ein Kernthema und eine Kernaufgabe staatlichen Handelns.