Jetzt haben wir das TAG – Sie haben es vorhin angesprochen – und das ehrgeizige Ziel – das Ziel ist wirklich ehrgeizig –, bis 2010 die Zahl der Plätze für unter Dreijährige bundesweit auf rund 500 000 zu erhöhen.
Ganz nebenbei einmal ein Wort zur Finanzierung: Die rot-grüne Koalition hat den Ausbau der Betreuungsplätze gerade im Zusammenhang mit dem TAG für unter Dreijährige zusammen mit der Arbeitsmarktreform beschlossen. Durch Einsparungen bei der Sozialhilfe sollen den Kommunen pro Jahr bundesweit 1,5 Milliarden € zusätzlich zur Verfügung stehen. Tatsächlich verteilt sich das Geld wegen der Anbindung an Hartz IV – den Namen wollte ich eigentlich gar nicht mehr in den Mund nehmen – völlig anders.
Deshalb geht es meines Erachtens jetzt zunächst einmal darum, die erste Etappe bis 2010 zu nehmen. Darauf sollten wir
uns jetzt konzentrieren. Im Laufe dieses Zeitraums wird sich dann die Frage stellen, ob die geschaffenen Plätze ausreichend sind oder nicht und ob wir noch mehr Bedarf haben.
Ich sage Ihnen ganz aktuell für Baden-Württemberg: Der Bedarf liegt – aktuelle Erhebung – zwischen 16 und 20 %. Dies sind zwischen 45 000 und 50 000 Plätze.
Zum wiederholten Male sage ich Ihnen auch: Was den Bedarf angeht, gibt es große Unterschiede zwischen den Städten und dem ländlichen Raum. Das wird immer unter den Tisch gekehrt.
Aber eines sage ich Ihnen: Wir werden den Ausbau der Kleinkindbetreuung auch in Zukunft nicht an irgendwelchen Bedarfsprognosen ausrichten. Sollte die Nachfrage oder der Bedarf weiter ansteigen, werden wir gegebenenfalls auch außerplanmäßig Mittel zur Verfügung stellen. Diese Aussage unseres Ministerpräsidenten ist nicht neu; das hat er von Anfang an so gesagt.
Was mich an diesem Thema stört – ich hatte es eingangs schon erwähnt –, ist der Begriff Rechtsanspruch. Wollen wir unter Umständen am tatsächlichen, notwendigen Bedarf vorbei schon wieder Rechtsansprüche einräumen?
Ich sage Ihnen noch etwas anderes. Rufen wir uns einmal in Erinnerung: Sicherlich nicht wegen Kinderkrippen allein, aber wegen zahlreicher Rechtsansprüche sind schon ganze Staaten bankrott gegangen.
(Abg. Katrin Altpeter SPD: Ach Gott! – Abg. Win- fried Kretschmann GRÜNE: Welcher? Wenigstens einen nennen! – Abg. Reinhold Gall SPD: Einen! Ein Beispiel! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: DDR!)
Das halte ich für sehr wichtig: Allein die Eltern entscheiden, ob sie Pflege und Erziehung Dritten überlassen wollen,
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Die können eben nicht entscheiden, weil sie nicht wählen können, wenn es keine Angebote gibt! So etwas Borniertes!)
wem sie Einfluss auf die Erziehung zugestehen wollen und wie die konkrete Einflussnahme ausgestaltet sein soll.
Deshalb, meine Damen und Herren, lassen wir doch bitte die Eltern selbst entscheiden, welche Betreuungsform sie wählen,
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Die können eben nicht entscheiden! Kapieren Sie das nicht? – Weitere Zu- rufe von der SPD)
Was mich bei all diesen Diskussionen über gesellschaftliche Entwicklungen immer wieder stört, ist, dass wir das Wohl des Kindes selbst
(Beifall bei der CDU – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das stimmt doch gar nicht! – Abg. Stefan Mappus CDU zur SPD: Das kam in der Rede von Frau Vogt nicht ein einziges Mal vor! Das interessiert euch doch gar nicht!)
Meine Damen und Herren, unbestritten haben sich die Rahmenbedingungen auf vielfältige Weise verändert. Ich frage Sie deshalb einmal ernsthaft, ob die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts eigentlich in Zukunft unser Familienleben komplett bestimmen sollen,
wobei ich auch bei den Unternehmen – ich gehe noch weiter, Herr Kretschmann – hier noch eine gewisse Sensibilisierung und auch Flexibilisierung erwarte. Es gibt erfreulicherweise auch schon in manchen Unternehmen selbst ganz gute, vorbildliche Betreuungsformen.
Was den Bund betrifft: Unabhängig davon, dass er sich nicht dauernd in unsere und die kommunalen Zuständigkeiten einmischen soll, ist bei den meisten Forderungen die Frage der Finanzierung überhaupt nicht geklärt.
Das sagen wir der auch. – Der Präsident des Städtetages, Ihr Genosse Ivo Gönner, hat es klar und deutlich ausgesprochen. Er hat im Blick auf Bundespolitiker gesagt – ich zitiere ihn –:
Sie sollen die Klappe halten, und sie sollen die Klappe erst wieder aufmachen, wenn sie sagen, wie sie es zahlen wollen.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Stefan Mappus CDU: Da hat er recht! Wo er recht hat, hat er recht! – Zuruf von der SPD: Das müssen Sie diskutieren! – Unruhe)
In diesem Zusammenhang verstehe ich Ihre Begründung gerade nicht. Sie fordern: Für die gesellschaftliche Zukunftsaufgabe Kinderbetreuung müssen wir den Kommunen ausreichend Geld geben. Ähnliche Forderungen kommen zum Teil von den Kommunen selbst. Wir bleiben im Moment bei den 10 %. Das soll eine Anerkennung, ein Anreiz sein. Mitnahmeeffekte brauchen wir nicht.
(Abg. Marianne Wonnay SPD: Was heißt hier „Mit- nahmeeffekte“? – Abg. Winfried Kretschmann GRÜ- NE: Was sind denn hier „Mitnahmeeffekte“?)
Glauben Sie mir, längst hat die Mehrzahl der Kommunen erkannt, was Standortfaktoren sind. Es besteht schon heute in den Kommunen ein faktischer Druck, Betreuungseinrichtungen bereitzustellen. Die Bürgermeister und die Gemeinderäte wissen sehr wohl, dass sie, wenn Eltern vor der Tür des Rathauses stehen und nach Einrichtungen fragen, hier entsprechend handeln müssen. Sie brauchen dazu nicht ständig von uns getrieben zu werden. Deshalb lassen Sie uns ehrgeizig unser Ziel bis 2010 weiter verfolgen
(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Mit- nahmeeffekte sind hier erwünscht!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Klenk, es geht weder um die Zwangseinweisung aller Babys in Krippen, noch wollen wir den Eltern die Kinder wegnehmen. Es geht auch nicht um einen Angriff auf die Familien, es geht um eine Unterstützung, die wir Familien zukünftig geben wollen, damit tatsächlich das entsteht, von dem Sie vorhin behauptet haben, dass wir es schon hätten. Wir haben noch keine Wahlfreiheit für Frauen und Männer. Denn wenn es die Angebote nicht gibt, kann man auch nicht auswählen.