Die Gesellschaft, meine Damen und Herren, gibt sich technologiefreundlich und neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen. Aber trotzdem ist es in diesem Land fast unmöglich, Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen durchzuführen. Damit zum Versuchswesen: Lieber Kollege Winkler, ich teile Ihre Auffassung, dass es das Ziel von Unternehmen ist, marktbeherrschende Stellungen zu gewinnen.
Es ist das Ziel fast jedes Unternehmens, marktbeherrschende Stellungen zu erreichen. Das ist ja okay. Unternehmerisch gesehen ist nichts dagegen einzuwenden. Das ist halt in einer Marktwirtschaft so. Dann stellt sich die Frage, welche Leitplanken man einzieht und welche Möglichkeiten der Wettbewerb bietet, zusätzliche Leitplanken einzuziehen. Jetzt, meine Damen und Herren – das sage ich klar dazu –, kommt genau bei diesem Punkt die staatliche Forschung ins Spiel. Ich sehe durchaus die Gefahr, dass es auf der Welt ein Oligopol weniger großer Saatgutfirmen geben könnte. Aber Sie, lieber Kollege Winkler, und Sie, lieber Kollege Dr. Murschel, verstärken diese Gefahr der Oligopole, weil Sie uns untersagen wollen, staatlich neutrale Forschung zu betreiben.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! Neutrale Forschung! Unabhän- gige, neutrale Forschung!)
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU zur SPD und zu den Grünen: Sie wollen unabhängige und neutrale For- schung verhindern! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das ist aber jetzt um sieben Ecken herum gedacht! – Glocke der Präsidentin)
Herr Minister, Sie lassen doch durch staatliche Forschungseinrichtungen Behauptungen und Forschungsergebnisse der Saatgutindustrie überprüfen. Sie machen damit keine neuen Chancen für kleine Saatgutin dustrien auf – erstens.
(Abg. Elke Brunnemer CDU: Wo ist denn die Frage? – Gegenruf des Abg. Karl-Heinz Joseph SPD: „Wür- den Sie mir zustimmen?“!)
Zweitens: Sehen Sie auch nur die geringste Chance für deutsche Saatgutfirmen, in diesem Monopoly der weltweit agierenden Saatgutkonzerne überhaupt nur mitschwimmen zu können – ich sage noch nicht einmal: „als Beiboot dabei zu sein“ –? Sehen Sie angesichts der Größenordnungen bei uns auch nur den geringsten Ansatz, hier etwas Ähnliches zu erreichen? – Ich weise darauf hin, dass das jetzt nicht ganz ernsthaft gemeint war.
(Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Noch nicht, aber das kommt noch! – Beifall des Abg. Fritz Buschle SPD)
Lieber Kollege Winkler, mit der gleichen Berechtigung könnten Sie fragen: „Sehen Sie überhaupt den geringsten Ansatz für kleine Maschinenbaufirmen im Land, in diesem weltweiten Haifischbecken überhaupt nur mitschwimmen zu können?“
Natürlich sehe ich einen solchen Ansatz. Es ist ja gerade unser Ansatz, lieber Kollege Winkler, dass wir nicht nur auf die Großindustrie, sondern gerade auch auf den Mittelstand setzen,
Sie haben eines zu Recht angesprochen – und eben deshalb, sage ich, ist Grundlagenforschung und übrigens auch angewandte Forschung ja so notwendig, nämlich weil wir es mit den deutschen, mit den baden-württembergischen Unternehmen zur Saatgutvermehrung mit klassischen Mittelständlern zu tun haben und eben nicht mit den Großkonzernen –: Es geht gerade auch darum, dass wir Oligopole in der Zukunft verhindern, indem wir heute in Deutschland und auch in Baden-Württemberg staatliche Grundlagenforschung durchführen. Und eben das beinhaltet auch die Versuche im Freiland. Das ist eben so mit Pflanzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie stellen immer wieder den Nutzen für die Landwirtschaft infrage,
und trotzdem – das haben Sie vorhin selbst festgestellt – erhöht sich die Zahl der Flächen für Gentechnik. Irgendwo scheint Ihre Argumentation ein Stück weit Brüche zu haben. Denn vom Drauflegen lebt nun einmal niemand, wenn er Alternativen hat.
Die Koexistenz, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist – so hat es Frau Künast damals gesagt – durch das Gentechnikgesetz gewährleistet. Also bitte! Dann ist doch alles in bes ter Ordnung, wenn morgen der Landwirt kommt und gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut! Sie hat gesagt, die Koexistenz sei gewährleistet. Es war ja auch ihr Auftrag von der Europäischen Kommission, dies umzusetzen und die Koexistenz zu gewährleisten. Was regen Sie sich also auf?
Das Ziel des Gentechnikgesetzes von Renate Künast war unter anderem auch, die Koexistenz in Deutschland zu ermöglichen. Und das ist offensichtlich gewährleistet. – Ich stelle das jetzt etwas ironisch fest.
(Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Sie hat die Hürden so hoch gelegt, wie sie konnte! – Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Das ist sehr ironisch! Sie müssen nämlich jetzt sagen: „Was ist der Abstand?“!)
Meine Damen und Herren, die Koexistenz ist zuallererst von der Frage der Toleranz im eigenen Ort abhängig. Solange der öffentliche Druck auf den potenziellen Anbauer und Durchführer von Versuchen anhält, wird es auch zu keinem Anbau kommen. Und ich sage Ihnen ganz offen – wir reden ja über das letzte Jahr vor der Landtagswahl –: Wir haben den Anbau auf unseren Flächen, unseren Versuchsflächen auch zur Ko existenz, durchgehalten. Denn es gibt noch einige Baustellen, die Frau Künast hinterlassen hat. Eine der Baustellen sind übrigens die Anbauversuche, die sogenannten Wertprüfungen der früheren Jahre. Da haben Sie ja einen Riesenwirbel gemacht
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die meisten Wertprüfungen gingen auf das Bundessortenamt und auf Anweisungen von Renate Künast zurück. Das Land Baden-Würt temberg hat damit überhaupt nichts zu tun gehabt. Denn auch die Genehmigungen für solche Wertprüfungen, wenn es um die Zulassung von neuen Sorten geht, spricht nicht etwa das Land aus, sondern die Zuständigkeit dafür liegt beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz.
Noch einmal zum Thema Koexistenz. Mit dem neuen Gesetz werden Vereinbarungen zwischen den Landwirten möglich werden. Darüber hinaus wird es notwendig sein, die Toleranz in den Städten und Gemeinden zu erhöhen. Und dann kommt auch – das ist der letzte Punkt – eine Frage der Mindestabstände.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer darüber hinaus meint, er könne null Toleranz fordern, der irrt.
(Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Ich mache es trotzdem! – Gegenruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf!)
Denn eines ist doch auch klar: Wir müssen gerade im Interesse des Verbraucherschutzes und des Konsumentenschutzes Messmethoden haben, die statistisch absicherbar sind. Jetzt kann ich natürlich nicht an die Nachweisgrenze gehen, weil Messmethoden damit nicht mehr statistisch absicherbar sind, sondern Fund oder Nichtfund dann rein vom Zufall abhängig ist.
Ich will niemandem zutrauen und zumuten, das so zu handhaben. In diese Gefahr sollte sich auch der Staat nicht begeben.
Meine Damen und Herren, die EU hat das klar geregelt. Es gibt eine Kennzeichnungspflicht ab einem Anteil von 0,9 % für den Konsum. Diese Kennzeichnungspflicht ab 0,9 % steht fest. An ihr ist auch nicht zu rütteln. Aber an dieser Kennzeichnungspflicht orientiert sich das Thema Toleranz.
Nun ist aber deshalb nicht jede GVO-Beimischung, auch wenn dieser Grenzwert unterschritten wird, erlaubt, sondern sie ist nur dann erlaubt, wenn sie nicht vermeidbar gewesen ist. Wenn ein Landwirt hätte wissen können, dass in seinen Produkten gewisse Spuren von GVO-Pflanzen enthalten sind, und dieses vielleicht sogar wirklich gewusst hat und dies technisch hätte vermeiden können, dann könnte man ihn durchaus auch belangen, wenn in seinen Produkten nur 0,4 % oder 0,5 % gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten und die 0,9 % gar nicht erreicht wären. Wenn er es nicht vermeiden konnte, dann gelten die 0,9 % als Grenzwert.
Nun gestehe ich eines zu, lieber Kollege Dr. Murschel, nämlich dass die Biobauern hier Sorgen haben. Die Biobauern sagen natürlich, dass es für sie extrem wichtig ist, dass sie reines Saatgut erhalten. Das verstehe ich. Im Biobereich gibt es auch ein Wachstumspotenzial. Das müssen wir in Baden-Württemberg ausnutzen – aber nicht durch billige Polemik. Herr Dr. Murschel, kein Land fördert die Biobranche in der Landwirtschaft so sehr wie Baden-Württemberg und wie die Landesregierung und der Landtag in seiner Regierungsmehrheit in Baden-Württemberg.
Aber ich sage natürlich auch: Die anderen sind deutlich schneller. Warum? Auch weil Ihre Bundesministerin Künast, lieber Herr Dr. Murschel, zu ihrer Zeit damals zugelassen hat,