Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Das Anliegen der Grünen, zu einer Reduktion des Einsatzes von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu kommen, ist lobenswert. Doch im Gegensatz zu Ihnen stützt sich unsere Fraktion, wenn sie entsprechende Anträge stellt, auf Fakten.
Fakt ist, dass die Landwirtschaft – die konventionelle ebenso wie die ökologische – etwa beim Einsatz von Kupferhydroxiden nicht auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verzichten kann. Fakt ist aber auch, dass in den letzten Jahrzehnten gerade beim Pflanzenschutz in der Forschung und Entwicklung Bedeutendes geschehen ist und man geradezu von einer Erfolgsgeschichte des Pflanzenschutzes sprechen kann. Waren noch Generationen vor uns geprägt von der Sorge um ihre tägliche Nahrung, so ist die tägliche Nahrung, zumindest in unseren Breitengraden, heute selbstverständlich. Entscheidend hierfür war auch die erfolgreiche Bekämpfung der unterschiedlichsten Schadorganismen.
Die Produktion von Nahrungsgütern stellt in den kommenden Jahren eine der wichtigsten Herausforderungen dar. Bereits heute leiden weltweit über 800 Millionen Menschen an Unterernährung. Die Weltbevölkerung wächst, und die steigende Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen wird zu zusätzlichen Anforderungen an die landwirtschaftliche Produktion führen.
Deutschland muss sich mit seiner Wirtschafts- und Innovationskraft dieser weltweiten Verantwortung stellen. Deutschland ist Agrar- und Ernährungsstandort mit mehreren Millionen Arbeitsplätzen und wird als solcher in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.
Während wir früher ausschließlich auf den chemischen Pflanzenschutz angewiesen waren, gibt es heute gleichermaßen auch den integrierten und den biologischen Pflanzenschutz. Vor allem in Baden-Württemberg – hier nenne ich die Landesanstalt für Pflanzenschutz in Augustenberg – haben wir Pionierarbeit geleistet und – Sie haben dies vorhin bereits erwähnt – frühzeitig Maßstäbe auch für andere Bundesländer gesetzt. In Gewächshäusern und im Freiland werden heute auf großen Flächen Millionen von Insekten und Raubmilben ausgebracht, um schädliche Insekten zu fressen oder zu parasitieren. Virus- und Pilzkrankheiten, die ganz spezifisch wirken und für den Menschen übrigens völlig ungefährlich sind, werden gegen vielfältige Krankheiten, z. B. im Obstbau, aber auch sonst im Pflanzenbau, eingesetzt.
George Bernard Shaw hat einmal bemerkt, der Nachteil der Intelligenz bestehe darin, dass man dauernd gezwungen sei, dazuzulernen. Unsere Landwirte und Weinbauern haben dazugelernt. Denn z. B. im Weinbau wird flächendeckend integrierter Pflanzenschutz betrieben, und auch Forschung und Entwicklung beim fachlich völlig unbestrittenen chemischen Pflanzenschutz haben zu wesentlichen Veränderungen in der Landwirtschaft geführt. Schritt für Schritt wurde bereits in der Vergangenheit eine Veränderung weg von den giftigen und umweltproblematischen Mitteln vollzogen. Dabei spielt es keine Rolle, wie viel Kilogramm oder Liter von Mitteln man ausbringt, sondern entscheidend ist die Wirkung. Bereits dieser Aspekt macht Ihren Antrag fragwürdig.
Der Einsatz der Biotechnologie wird in Zukunft dafür sorgen, dass aufgrund des Anbaus krankheitsresistenter Pflanzen der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln generell reduziert werden kann. Es ist also ein ganzer Strauß von Möglichkeiten, die der Landwirt zu beherrschen hat, und dafür ist er gut ausgebildet.
Für uns ist es wichtig, dass Umweltmaßnahmen großflächig, also europaweit, durchgesetzt werden. Nationale Alleingänge oder gar Alleingänge auf Landesebene sind nicht zielführend.
Absoluter Umweltschutz ist unmenschlich. Absolute Wirtschaftsinteressen zerstören die ökologischen und sozialen Erfordernisse. Entscheidend ist der Wille, Tatsachen zu erkennen, und der Mut, aus dieser Kenntnis heraus rechtzeitig Entscheidungen zu treffen. Mit Gespenstern lässt sich keine Politik machen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das meiste ist vom Kollegen Röhm zur Sache eigentlich schon gesagt worden. Deshalb nur noch wenige ergänzende Bemerkungen.
Baden-Württemberg hat im Pflanzenschutzmittelbereich beim Einsatz alternativer Methoden zur Schädlingsbekämpfung die
längste Tradition überhaupt. Deshalb, lieber Kollege Pix, ist es schlichtweg eine Unverschämtheit von Ihnen, zu behaupten, die baden-württembergischen Lebensmittel seien die Lebensmittel mit den höchsten Rückständen in Deutschland. Das stimmt schlichtweg nicht. Ich fordere Sie auch im Interesse der Ernährungswirtschaft, der Lebensmittelwirtschaft und der Landwirte auf – das sind nicht nur 2,5 %, das sind 8 bis 10 % der Arbeitsplätze –, diesen Vorwurf zurückzunehmen. Er ist objektiv falsch.
Nein, nein, die Produkte. Sie haben vorhin gesagt, die Rückstandsüberschreitungen der baden-württembergischen Produkte seien deutschlandweit die höchsten. Bei den geprüften Lebensmitteln liege Baden-Württemberg dabei an der Spitze. Das ist objektiv falsch. Das muss man einfach einmal klar sagen.
Lieber Kollege Pix, wir können uns über vieles politisch streiten. Aber wir sollten doch alles dafür tun, Schaden von unserer Volkswirtschaft, von der Ernährungswirtschaft und von den Menschen, die davon betroffen sind und davon leben müssen, abzuwenden. Das muss, glaube ich, die gemeinsame Zielsetzung sein.
Deshalb sage ich noch einmal in aller Entschiedenheit: Ihre Aussage stimmt objektiv nicht. Sie liegen damit falsch.
Vielmehr ist Baden-Württemberg tatsächlich das Land – die Vergleiche sind ganz unterschiedlich –, das im konventionellen Bereich bereits heute die meisten alternativen Methoden im Pflanzenschutzbereich einsetzt. Baden-Württemberg ist das Land, das gerade im Bereich der angewandten Forschung – – Das sind die Landesanstalten – gerade im Pflanzenschutzbereich –, bei denen Sie bei jeder Haushaltsberatung, fast wiederkehrend, beantragen, die dafür zur Verfügung gestellten Mittel zu streichen oder zumindest Stellen zu reduzieren – um das, in Klammern gesprochen, auch noch einmal zu sagen. – Lieber Kollege Kretschmann, es ist so.
Die Landesanstalt für Pflanzenschutz, die seit 1. Januar dieses Jahres in das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augus tenberg bei Karlsruhe integriert ist, hat bundesweit den besten Ruf überhaupt.
Die Institute und Einrichtungen des Landes gerade im Pflanzenschutzbereich – da geht es um den integrierten Pflanzenschutz – –
Meine Damen und Herren, es war Gerhard Weiser, einer meiner Vorgänger im Amt, der im Bereich des integrierten Pflanzenschutzes überhaupt den ersten Anlauf europaweit unternommen hat und der den integrierten Pflanzenschutz im Prinzip implementiert hat, auch durch eigene Forschung. Ihm sowie den damaligen Mitstreiterinnen und Mitstreitern und unseren Mitarbeitern in Hohenheim und am betreffenden Institut ist es überhaupt zu verdanken, dass wir auf diesem Sektor spitze sind.
(Abg. Alfred Winkler SPD: Was reden Sie da? Das stimmt ja gar nicht! Der integrierte Pflanzenschutz war in der Schweiz vor uns! – Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Mit 26 Spritzungen im Obstbau sind Sie spitze! Das stimmt!)
Im Bereich des integrierten Pflanzenschutzes. Ich will es nicht wiederholen. Denn mir geht es genauso darum, lieber Kollege Pix, Schaden abzuwenden. Aber es ist ja auch nicht so, dass wir im biologischen Landbau gänzlich auf fremde Mittel, sage ich einmal, verzichten könnten.
Mich stimmt es bedenklich, dass in diesem Zusammenhang bei unserem Kongress zum Thema Gentechnik ein Vertreter von Greenpeace das Thema „Bacillus thuringiensis“ aufgreift – da geht es um die Frage von genverändertem Mais, der mit Bt-Genen verändert worden ist – und auf einmal auf die Bedenklichkeit von Bt-Rückständen des Maises abhebt. Das stimmt mich deshalb bedenklich, weil der Bacillus thuringiensis
ein bewährtes Mittel im biologischen Landbau ist. Es ist ein biologisches Mittel, ein Bazillus. Aber er wirkt natürlich nicht nur spezifisch, um auch das klar zu sagen.
(Abg. Alfred Winkler SPD: Wir setzen den doch schon lange ein, aber nur gezielt! Keine Breitband- wirkung!)
will ich ihn auch nicht verbieten, ganz im Gegenteil. Vielmehr muss er als Mittel erhalten bleiben, obwohl er letztlich auch eine Breitbandwirkung hat.
Wir sind also das Land mit der längsten Tradition und mit der umfassendsten Anwendung alternativer Methoden im Bereich der Pflanzenproduktion, im Bereich der Ernährungsproduktion überhaupt.
Meine Damen und Herren, wenn es bei uns diffiziler als bei anderen ist, dann liegt das nicht an der Frage des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, sondern dann liegt es natürlich zum einen daran, dass Baden-Württemberg ein Bundesland ist, das gerade im Bereich der Sonderkulturen, etwa wenn es um Beeren geht, sehr kleinteilige Strukturen aufweist. Nehmen wir einmal Stachelbeeren, Himbeeren, Brombeeren
(Abg. Katrin Altpeter SPD: Johannisbeeren, Heidel- beeren! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Eis- bären!)
und dergleichen mehr. Diese werden deutschlandweit faktisch nur bei uns in Baden-Württemberg erzeugt. Es gibt sonst kein Bundesland, das ein ähnlich gutes Klima für deren Anbau hat, wie es in Mittelbaden, vor allem in der Rheinebene herrscht. Also ist doch ganz klar, dass, wenn Rückstände in diesen Sonderkulturen auftauchen, diese fast nur aus Baden-Württemberg gemeldet werden. Dafür bitte ich um Verständnis.
Wir haben natürlich auch das Problem – das sage ich ganz offen –, dass es für viele Pflanzenschutzmittel keine Zulassungsverfahren in Deutschland mehr gibt, weil die Zulassung selbst für die Unternehmen schlichtweg zu teuer wird, weil der Einsatz dieser Mittel schon reduziert ist, weil der Markt für diese Mittel sehr begrenzt ist und sich daher für Unternehmen die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels für den deutschen Markt beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als zuständiger Pflanzenschutzmittelzulassungsbehörde schon heute nicht mehr rentiert. Damit sind die se Pflanzenschutzmittel in Deutschland nicht mehr zugelassen, aber in anderen Staaten können sie sehr wohl zugelassen sein. Nehmen Sie einmal den typischen Fall der Rückstände in Äpfeln, der vor zwei oder drei Jahren aufgetreten ist. Da hatten wir die kuriose Situation – das müssen Sie einmal dem Verbraucher erklären –, dass es Obst gibt – –