Protokoll der Sitzung vom 25.04.2007

Wir lehnen auch ab, zu sagen: Wir beschließen es einmal auf fünf Jahre. Nordrhein-Westfalen hat vier Jahre lang Erfahrungen gesammelt und hat das Gesetz dann abgeschafft. Sachsen-Anhalt hat es schon nach einem Jahr abgeschafft. Diese Möglichkeit hätten wir dann nicht. Wir hätten, wenn wir den Vorstellungen der Grünen nachkämen, einen fünfjährigen Feldversuch – mit mehr Bürokratie, mit mehr Kosten und mit einem Ziel, das durch die Entsenderichtlinie besser erreicht wird.

Wir sind zwar mit Ihnen einig, dass es unser Ziel sein muss, Handwerk und Mittelstand zu fördern. Aber aus den erwähnten Gründen kann das eben nicht mit diesen Methoden geschehen, auch dann nicht, wenn möglicherweise Innungen und Handwerkskammern auf diesen Zug aufspringen und sagen, sie würden sich dies wünschen, zumindest dass man es einmal probiert. Ansonsten werfen Sie uns ja gern vor, wir würden vor jeder Lobby einknicken. Jetzt plötzlich sagen Sie: „Das Handwerk will es, also müsst ihr springen.“ Ich würde mir dann auch wünschen, dass Sie künftig immer dem nachkommen, was von Handwerk und Mittelstand gefordert wird.

(Beifall des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Wir werden das dann sehr genau überprüfen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erhält Herr Staatssekretär Drautz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wer Ja sagt zu weniger Bürokratie,

(Zuruf von der SPD: Muss aber nicht für das Ta- riftreuegesetz sein!)

wer Ja sagt zu weniger Kosten für die öffentliche Hand, der muss ein klares Nein sagen zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Völ- lig falsch!)

Ich danke den beiden Regierungsfraktionen, dass sie das klare Nein, ausgesprochen von Wirtschaftsminister Ernst Pfister vor wenigen Wochen im Wirtschaftsausschuss, heute auch wieder klar zum Ausdruck gebracht haben.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, die Argumente wurden ja schon bei der ersten Lesung ausgetauscht. Wesentlich Neues hat sich zwischenzeitlich nicht mehr ergeben. Ich will deshalb nur die wichtigsten Gründe zusammenfassen, die dafür sprechen, dass wir ein solches Tariftreuegesetz nicht brauchen.

Erstens: Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge geht es einzig und allein darum, dass die öffentliche Hand Leistungen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben braucht, wirtschaftlich güns tig beschafft. Eine Vorgabe von Tariflöhnen, auch für nicht tarifgebundene Unternehmen, würde zwar öffentliche Aufträge verteuern, jedoch gibt es keine Automatik, dass dabei auch die Qualität der Leistung steigen würde. Deshalb ist die sogenannte Tariftreue ein leistungsfremder Gesichtspunkt, der mit dem Vergaberecht nichts zu tun hat.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Unglaublich! – Ge- genruf von der CDU: Aber wahr!)

Zweitens: Das Vergaberecht wäre völlig überfrachtet, wenn wir es zum Schiedsrichter zwischen solchen Firmen machen würden, die als Mitglied eines Arbeitgeberverbands an bestimmte Tarifverträge gebunden sind, und anderen Firmen, die sich völlig legal nicht gebunden haben.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Es geht um öffentliche Verträge!)

Nach Auskunft der Landesvereinigung Bauwirtschaft BadenWürttemberg sind immerhin 38 % ihrer Mitglieder im badenwürttembergischen Bauhauptgewerbe tariflich nicht gebunden. Das entspricht rund einem Drittel der Beschäftigten in dieser Branche. Meine Damen und Herren, wie kommen wir eigentlich dazu, eine solche große Zahl von Firmen in unserem Land einfach zu stigmatisieren und ihnen zu verbieten, im Wettbewerb um öffentliche Aufträge einen Kostenvorteil einzusetzen, so wie sie dies bei privaten und gewerblichen Bauvorhaben auch weiterhin tun dürfen?

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Christoph Palm CDU)

Sie werden diesen Firmen doch wohl nicht ernsthaft abstreiten wollen, dass sie gute Arbeit leisten.

Drittens: Die Anwendung und Kontrolle einer Tariftreuepflicht wäre ein ergiebiger Quell neuer Bürokratie bei den Unternehmen und bei den Vergabebehörden.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Was?)

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter öffentlicher Vergabestellen müssen sich sehr wohl im Beschaffungswesen und im

Vergaberecht auskennen. Aber sie sind eben keine Experten für Tarifrecht oder für Lohnbuchhaltung, die ganz nebenbei auch noch die richtigen Tarifbestimmungen feststellen und ihre Einhaltung vor Ort in den Betrieben kontrollieren können. Wir brauchen kein Bürokratieprogramm, auch wenn die SPDFraktion dies aus ideologischen Gründen gern hätte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Lachen des Abg. Peter Hofelich SPD)

Viertens: Eine Tariftreuepflicht würde öffentliche Aufträge deutlich verteuern, und zwar nach Erkenntnissen – und jetzt hören Sie genau zu! – aus Nordrhein-Westfalen um mindestens 6 %. Wie Sie wissen, hat dieses Bundesland sein Tariftreuegesetz richtigerweise deshalb auch wieder abgeschafft.

Meine Damen und Herren, Mehrkosten durch ein Tariftreuegesetz könnten die ausgemosteten Haushalte von Land und Kommunen nur schwer stemmen.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Was soll das heißen?)

Wenn dieses Gesetz käme, würde dies mit ziemlicher Sicherheit zu zahlreichen Reduzierungen öffentlicher Aufträge und damit auch zu weniger Beschäftigung im Land führen. Daran kann uns doch nicht gelegen sein.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Wollen Sie die Sklaven- haltung wieder einführen? Sklavenhaltung! Das ist wirklich ein Drama!)

Fünftens: Der Gesetzentwurf ist geradezu maßlos, wenn hier anders als in jener Minderzahl von Ländern, die Tariftreuegesetze haben, neben den Bauaufträgen ausnahmslos auch alle anderen Dienstleistungen für die öffentliche Hand einbezogen werden – und dies auch noch ohne eine Bagatellgrenze selbst für den letzten Kleinauftrag.

Sechstens: Ungeklärt ist nach wie vor, ob ein solches Tariftreuegesetz überhaupt mit europäischem Recht vereinbar ist. Es wäre besser gewesen, wenn die SPD-Fraktion zunächst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abgewartet hätte, der sich bekanntlich in einem laufenden Verfahren zu dieser Frage äußern muss. Das Oberlandesgericht Celle hat ja die Übereinstimmung des niedersächsischen Tariftreuegesetzes mit dem EU-Recht infrage gestellt.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, meine Bitte aus wirtschaftlicher Sicht: den Ball beim Thema Tariftreue schön flach halten. Es geht schließlich um Jobs und Aufträge,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ja! Genau darum geht es!)

und zwar für viele Unternehmen in unserem Land. Das sollten wir nicht vergessen.

Aus den genannten Gründen, meine Damen und Herren, ein klares Nein zu diesem Gesetzentwurf!

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD meldet sich zu Wort.)

Bei einer zweiten Lesung, Herr Kollege Schmiedel, hat jede Fraktion gleich viel Redezeit. Es gibt also keine zusätzliche Redezeit für die Einbringung des Gesetzentwurfs. Jede Fraktion hat – in diesem Fall – nur fünf Minuten Redezeit.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ich hätte aber noch so viel zu sagen! – Heiterkeit)

Das glaube ich Ihnen, Herr Kollege Schmiedel. Trotzdem kann ich von dieser Regel im Parlament keine Ausnahme zulassen – selbst bei Ihnen nicht.

(Heiterkeit)

In der Allgemeinen Aussprache liegen keine Wortmeldungen mehr vor, zumindest keine, die ich berücksichtigen kann. Deswegen kommen wir in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 14/849. Abstimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses, Drucksache 14/1087. Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Zu dem Gesetzentwurf liegt der Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/1173, vor. Ich lasse zunächst über diesen Antrag abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Das Zweite war die Mehrheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf. Den kann ich im Ganzen zur Abstimmung stellen. Wer dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, Drucksache 14/849, zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Das Zweite war auch hier die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 3 ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Film- und Popakademiegesetzes und des Zweiten Hochschulrechtsänderungsgesetzes – Drucksache 14/1140

Die Fraktionen haben vereinbart, bei diesem Tagesordnungspunkt auf eine Aussprache zu verzichten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Staatsminister Stächele hat sich nach intensiven Gesprächen mit der Verwaltung

(Heiterkeit des Ministers Willi Stächele)