Da ging es schon um die Frage einer Umsetzung im Verhältnis 1 : 1. Das widerspricht sich etwas: Immer wenn wir EURegeln in Deutschland und in Baden-Württemberg 1 : 1 umsetzen wollen, dann rufen Sie nach mehr Staat und nach verstärkten und strengeren Regeln.
Und jetzt sagten Sie gerade am Ende Ihrer Rede: kein Rückschritt in die Kleinstaaterei, sondern doch bitte europaweite Betrachtung. Da kann ich nur sagen: Das passt irgendwo nicht ganz zusammen.
Ich denke, wir sind doch einen erheblichen Schritt vorangekommen. Die Europäische Kommission hat über die Anwendung der Regelungen für anderweitige Verpflichtungen, also sogenannte Cross-Compliance-Regeln, beraten und auch einige Entbürokratisierungsvorschläge gemacht. Diese müssen wir jetzt bewerten. Es ist nicht so gut, wie wir auf den ersten Blick dachten. Aber für die Landwirte ergeben sich durchaus ein paar Felder, wenn die Cross-Compliance-Kontrollen zum Teil vorangekündigt werden können oder wenn bei geringfügigen Verstößen Toleranzspielräume mit hineinkommen. Denn es war ja ein ständiges Ärgernis, dass wegen 7,30 € bei einem Antrag, der vielleicht mehrere 10 000 € umfasst hat, bereits entsprechende Sanktionsmechanismen und vor allem Prüfmechanismen gegriffen haben.
Aber, meine Damen und Herren, es scheint bei Ihnen, Herr Dr. Murschel – wo ist er eigentlich? ach, hier vorne –,
noch nicht ganz angekommen zu sein, dass wir in der europäischen Agrarpolitik in den letzten fünf Jahren seit den Grundsatzbeschlüssen von 2003 einen echten Paradigmenwechsel erlebt haben. Vorher war es seit den Römischen Verträgen, deren 50-jähriges Bestehen wir in diesem Jahr gefeiert haben, so, dass es für die Landwirte immer garantierte Mindestpreise gab, die dann im Laufe der Jahre auch abgesenkt worden sind. Aber es gab immer das Auffangnetz eines garantierten Mindestpreises für die allermeisten landwirtschaftlichen Produkte. Die Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2003, die jetzt ab 2007 mit einem Übergangszeitraum bis 2013 umgesetzt wird, diese Interventionspreise, diese Mindestpreise abzuschaffen, ist ein Paradigmenwechsel. Darauf, Herr Kollege Dr. Murschel, wird sich die Landwirtschaft in der Frage der Wettbewerbsfähigkeit, und zwar am globalen Markt,
Weil wir in Baden-Württemberg etwas kleinräumiger und kleinteiliger sind – wir sind dies sehr gern, weil es auch viele Vorteile für die biologische Vielfalt bringt, für Biodiversität, für den Artenreichtum von Lebensräumen, für den Artenreichtum von Pflanzen und Tieren –, müssen wir auch gerade jetzt in dieser Umstellungsphase die Landwirte besonders unterstützen.
Herr Kollege Dr. Murschel, dies gilt nicht nur in der Frage der Umweltmaßnahmen für die Landwirtschaft, sondern das gilt genauso, wenn es um investive Hilfen geht,
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es! – Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Aber genau da machen Sie es ja nicht!)
damit morgen der Landwirt mit Mais, mit Weizen, mit Getreide, mit Rindviechern und Fleisch am Weltmarkt konkurrieren kann. Das muss unsere Zielsetzung sein.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Sie haben ja den Schwel- lenwert erhöht!)
Er muss nicht mit jedem Produkt am Weltmarkt konkurrieren, aber er muss in den Stand gesetzt werden, morgen gegebenenfalls einen neuen Markt oder zumindest einen Markt zu finden, auf dem er regionale werthaltige Produkte absetzen kann. Das ist, glaube ich, die ganz entscheidende Frage. Diese Märk te können auch in der Region liegen. Dazu braucht es aber auch Markeninstrumente und Markenzeichen.
Herr Kollege Dr. Murschel, eines ist auch klar: Das kann nicht im Bereich der Bioerzeugung sein. Diese ist ein wesentlicher Bestandteil, der auch wachstumsfähig ist, aber sie ist nicht der einzige Bestandteil. Und nicht alles, was Bio ist, ist gut. Dasselbe gilt im Übrigen auch umgekehrt. Auch das muss man einmal klar sagen: Über die Qualität sagt das Biozeichen zunächst einmal gar nichts aus. Es gibt auch qualitativ hochwertige Lebens- und Nahrungsmittel, die konventionell erzeugt werden. Es ist eine Form der Erzeugungsweise.
Herr Minister, könnten Sie dem Kollegen Murschel vielleicht erklären, dass Landwirtschaft nur begrenzt etwas mit Nostalgie zu tun hat.
(Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Was ist denn das für eine dusslige Frage? – Abg. Ursula Haußmann SPD: Aber erklären Sie es bitte so, dass er es auch versteht! – Unruhe)
Ich will jetzt meine Redezeit nicht darauf verwenden; sonst werde ich von der Frau Präsidentin ermahnt.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Super! – Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Bleiben Sie einfach bei der Sache!)
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich vielleicht noch zwei, drei Punkte erwähnen, die jetzt in der Ratspräsidentschaft erfolgt sind und die wichtig und notwendig sind.
Vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat war die Frage zu entscheiden – das ist auch geschehen –: Wie gehen wir mit dem Instrument der freiwilligen Modulation um? Ursprünglich war ja vorgegeben, dass von den Direktzahlungen, die die Landwirte heute anstelle der Marktstützungspreise erhalten, 20 % national abgezogen und in Agrarumweltmaßnahmen – Investitionsförderung, wenn man so will – umgelenkt werden können.
Nicht nur Sie haben ihn gestellt, aber auch Sie haben ihn gestellt. Das würde genau das konterkarieren, was vorhin auch angesprochen wurde: die Frage der Planungssicherheit für die Landwirte. Wir waren deshalb dagegen.
Wir würden uns aber überhaupt nicht dagegen wehren, wenn man diese sogenannte Modulation, also das Umschichten von Mitteln der Direktzahlungen in Investitionsförderung etc., machen würde und das letztendlich mit der Höhe der Direkt zahlungen koppeln würde. Das heißt, dass die großen Betriebe, die heute hohe Direktzahlungen von 50 000, 100 000, 150 000 € pro Jahr erhalten und andere – die alten Kolchosen im Osten, die Queen in Großbritannien usw. – –
Das ist überhaupt keine Illusion. Wenn es uns gelänge, dass wir für diese Größenordnungen eine zusätzliche Modulation und Umschichtungen erreichen würden, dann hätten wir unser Ziel für die baden-württembergische Landwirtschaft zweifelsohne erreicht. Ich sage Ihnen: Es lohnt sich, dafür zu kämpfen. Es gibt auch andere, ähnlich strukturierte Länder – vielleicht nicht in Deutschland, aber da muss man über die Ländergrenzen hinaus nach Zentraleuropa bis hin nach Süd europa gehen –, mit denen man auch dafür Mehrheiten gewinnen kann. Das wäre allemal sinnvoller, als zu sagen: Wir ziehen es unseren Landwirten einfach ab. Dann muss man auch bewusst steuern.
Ein solches Instrument werden wir auch anstreben. Nachdem die Kommissarin Fischer Boel gestern erklärt hat, dass sie an die Erhöhung der sogenannten obligatorischen Modulationen denkt, werden wir auch in dieser Richtung noch einmal einen Vorstoß unternehmen. Die Entscheidung wird erst im Jahr 2008 fallen: Im Frühjahr werden die Vorschläge auf den Tisch kommen, und im Herbst wird dann wohl hierüber auch die Entscheidung fallen.
Herr Hauk, Sie haben ausführlich dargestellt, wie Sie in dieser Sache Geld für die Landwirte erhalten wollen, nämlich indem Sie eine Umschichtung machen wollen und eine Kappung bei Großbetrie- ben, …
… sagen wir einmal, eine Grenze bei Großbetrieben einsetzen wollen. Das wäre eine Umverteilung, damit die kleineren Betriebe mehr bekommen können, indem die großen Betriebe das nicht nach oben hin unbegrenzt bekommen.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass Sie als Vertreter eines Landes wie BadenWürttemberg, das mit die kleinsten Strukturen in Deutschland hat und das europaweit – da haben Sie sich ein bisschen hineingeflüchtet – auch mit zu den Kleinen gehört, gegen alle anderen Interessen aller anderen Bundesländer etwas durchsetzen und sagen: „Das ist aber der baden-württembergische Weg, und der wird erfolgreich sein“? Glauben Sie, dass Sie da jemals eine Chance haben? Bisher haben Sie noch keine gehabt. Glauben Sie, dass Sie sie in Zukunft haben werden?
Herr Kollege Dr. Murschel, ich bin vereidigt auf das Wohl der 10,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger von BadenWürttemberg. Dazu zählen auch die Landwirte sowie auch unsere gesamte Landschaft und die Erhaltung und Weiterentwicklung dieser Landschaft für unsere Bürgerinnen und Bürger. Deren Interessen habe ich zu vertreten. Dann habe ich natürlich auch abzuwägen: Hat das Chancen? Nur, wer nicht beginnt zu denken und beginnt, für eine einmal als gut empfundene und übrigens so bestätigte Ansicht – das wird ja auch von Grünen-Kreisen bestätigt – auch zu kämpfen, der hat von vornherein schon verloren.