Protokoll der Sitzung vom 23.05.2007

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Rudolf Hausmann SPD: Ja! Richtig! – Abg. Andrea Krueger CDU: Weil das ein Ausfüh- rungsgesetz ist und nicht wie das Kindertagesbetreu- ungsgesetz eigenständiges materielles Recht!)

Ich bitte Sie wirklich, bei der jetzt anstehenden Abstimmung noch einmal darüber nachzudenken. Sie haben in der Verwaltungsvorschrift, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf über einer Seite die Ziele und Inhalte der Beratungen aufgeführt. Dieses Kernelement der Ergebnisoffenheit nicht aufzunehmen halte ich für absolut falsch.

Ich will Ihnen das wirklich noch einmal sagen: Bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs haben auch Kollegen aus den Regierungsfraktionen ausdrücklich begrüßt, dass wesentliche inhaltliche Entscheidungen nicht durch die Landesregierung, sondern mit durch das Parlament in die Hand genommen werden und nicht über Verwaltungsvorschriften erfolgen. Sie haben das im Ausschuss dann wieder abgebügelt. Wenn es Ihnen ausreicht, dass die Landesregierung freundlicherweise immer wieder die Teilhabe an ihrem Herrschaftswissen gewährt, dann muss ich Ihnen wirklich sagen: Unser Ansatz ist das nicht; wir verstehen uns als gestaltende Parlamentarier anders. Da hätte ich mir Ihrerseits schon auch mehr Selbstbewusstsein und ein anderes Selbstverständnis als Parlamentarier gewünscht.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Lösch das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bei der ersten Lesung und im Sozialausschuss eine sehr ausführliche Diskussion über den Gesetzentwurf zur Ausführung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes geführt. Auch die Grünen haben die grundsätzliche Zustimmung zum Gesetzentwurf signalisiert. So werden im Gesetzentwurf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts umgesetzt, die vor allem die finanzielle Unterstützung der Beratungsstellen vorgeben, das heißt eine staatliche Förderung in Höhe von 80 %.

Trotzdem möchte ich heute noch auf einige aus unserer Sicht bestehende Knackpunkte hinweisen. Auch deshalb haben wir einen Änderungsantrag mit den drei Punkten eingebracht, die wir für wichtig halten. Der erste Punkt ist die Ergebnisoffenheit bei der Beratung, der zweite ist die Definition der wohnortnahen Beratung, und der dritte Punkt ist der Ermessensspielraum bei der Neubesetzung von Stellen.

Vorhin wurde ja schon zitiert, dass der Beratungsgrundsatz der Ergebnisoffenheit im Bundesgesetz verankert ist. Diesen Beratungsgrundsatz der Ergebnisoffenheit, der ja selbstverständlich auch bei der Schwangerschaftskonfliktberatung gelten soll, wollen wir nun im Gesetzestext verankert haben. Die Argumentation, dass etwas, was im Bundesgesetz steht, nicht noch einmal im Landesgesetz verankert sein müsse, ist nicht

zwingend logisch. Wenn man einen Grundsatz für wichtig hält, dann finde ich es wichtig und richtig, dass dieser Grundsatz auch im Landesgesetz verankert wird – also nicht in einer Verwaltungsvorschrift, sondern im Gesetz.

(Beifall bei den Grünen)

In Ziffer 1 unseres Änderungsantrags fordern wir, folgenden Satz in das Landesgesetz aufzunehmen:

Die Beratung geht von der persönlichen Freiheit der Ratsuchenden aus, respektiert ihre Verantwortung und wird ergebnisoffen geführt.

Das ist genau der Satz, der im Sinne des Bundesverfassungsgerichtsurteils steht, dass eine Beratung ermutigen und nicht einschüchtern soll, Verständnis wecken und nicht belehren soll und die Verantwortung der Frau stärken und sie nicht bevormunden soll.

Zweiter Punkt, Wohnortnähe: Auch darüber haben wir schon einige Male diskutiert. Ich möchte die Kritik gern nochmals wiederholen. Ich halte es für nicht zumutbar, dass „wohnortnahe Beratung“ bedeutet, dass eine schwangere Frau in Konfliktfällen zum Besuch einer Beratungsstelle eine Abwesenheit von einem Tag in Kauf nehmen muss. Eine Abwesenheit von einem Tag! Die Argumentation, dass es in jedem Land- und Stadtkreis eine Beratungsstelle gibt, ist nicht stichhaltig; denn wir haben den Grundsatz des pluralen Angebots verankert. Es gibt einige Stadt- und Landkreise, in denen es eben nur eine Beratungsstelle gibt. Es ist nicht zumutbar, zu fordern, dass schwangere Frauen im Konfliktfall für Hin- und Rückfahrt einen Gesamtaufwand von einem Tag in Kauf nehmen müssen. Deshalb verstehe ich auch nicht, weshalb Sie sich dem Vorschlag der Trägerverbände widersetzen, die sich für eine Konkretisierung des Gesamtaufwands für Hin- und Rückfahrt auf sechs Stunden aussprechen. Das ist nicht nachvollziehbar.

Dritter Punkt, Ermessensspielraum bei der Neubesetzung von Stellen: Auch bei diesem Punkt sagen Sie: „Wir brauchen keine Änderung, weil es ja eher umgekehrt ist, dass die Träger die freien Stellen bei der Landesregierung anmelden.“ Das ist nicht der Punkt. Es geht, wie es auch schon im Gesetz steht, um den Ermessensspielraum bei der Neubesetzung, und den wollen wir konkreter formuliert haben. Wir halten es deshalb – wie übrigens auch die Verbände – für sinnvoll, dass diese freien Stellen angezeigt werden, um eben auch die Vielfalt der Träger bei der Stellenbesetzung weiterzuentwickeln.

Das sind die drei Punkte, die wir durch unseren Änderungsantrag zum Gesetzentwurf eingebracht haben. Aber wie der Gesetzentwurf umgesetzt wird, wird in der Verwaltungsvorschrift geregelt, deren Erlass § 5 des Gesetzentwurfs vorsieht. Über diese Verwaltungsvorschrift diskutieren wir heute leider nicht, da sie von der Regierung erlassen wird.

Lassen Sie mich trotzdem zu einigen Punkten kritische Aspekte ansprechen, die auch etwas mit der Finanzierung des Beratungsangebots zu tun haben.

Selbstverständlich muss geregelt sein, dass die Schwangerschaftskonfliktberatung kostenlos ist. Obwohl 80 % staatliche Unterstützung für eine Beratung natürlich etwas ganz Außergewöhnliches sind, müssen 20 % der Kosten durch andere

Einnahmen erwirtschaftet werden, da das Land nur 80 % der Personal- und Sachkosten fördert. Das trifft eher die kleinen Träger, z. B. Pro Familia, als Träger, die einen großen Verband hinter sich haben. Deshalb ist es notwendig, dass auch die kleinen Träger zukünftig die Möglichkeit haben, für Präventionsangebote im Bereich der Sexualpädagogik Honorare zu erheben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon der Rechnungshof hat im Jahr 2000 festgestellt, dass die finanzielle Lage bei den Beratungsstellen sehr unterschiedlich ist und dass zum Teil Honorare erhoben werden. Deshalb würde ich es sehr begrüßen, wenn sich das Ministerium noch einmal mit dem Kreis der Trägerverbände im Land zusammensetzen würde, um über diese Finanzierungsmöglichkeit zu reden.

Wir sind uns einig, dass die Schwangerschaftskonfliktberatung wichtige Aufgaben erfüllt. Der Umfang der Aufgaben wird sogar noch zunehmen. Bei der ersten Lesung haben wir die Ausführungen der Sozialministerin gehört: Sie rechnet damit, dass zukünftig mehr Beratungstätigkeiten im Bereich der Pränataldiagnostik notwendig sind. Ich teile die Ansicht der Frau Ministerin, dass schwangere Frauen und ihre Partner in diesen schwierigen Fragestellungen noch mehr als bisher unterstützt und begleitet werden müssen. Deshalb müssen die Rahmenbedingungen für die Schwangerschaftskonfliktberatung stimmen, damit die Beratung kompetent erfolgen kann.

Wir stimmen dem Gesetzentwurf in seiner Zielsetzung zu und fordern die Landesregierung auf, die Vorschläge der Trägerverbände in die Verwaltungsvorschrift aufzunehmen und die Kompetenz derjenigen, die in der Praxis die Beratungstätigkeit leisten, zu akzeptieren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Frau Abg. Dr. Arnold das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine verehrten Vorrednerinnen haben den Gesetzentwurf, den wir heute verabschieden wollen, noch einmal in aller Ausführlichkeit vorgestellt. Ich kann mich deshalb kurz fassen. Ich möchte das nicht zum dritten Mal alles wiederholen.

Zu den Änderungsanträgen vonseiten der Opposition hat Frau Krueger ausführlich und überzeugend Stellung genommen. Diesen Argumenten schließen wir uns voll und ganz an.

Ich möchte nur noch auf ein Detail hinweisen, meine Damen und Herren: Nach dem uns vorgegebenen Schlüssel müssen wir mindestens 267 Fachkräfte vorhalten. Bei uns sind 275 Fachkräfte beschäftigt. Wir sind also über die Mindestanforderung hinaus tätig. Das heißt, dass mit zumutbarem Aufwand überall im Land eine Beratungsstelle erreicht werden kann.

(Beifall des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Was den Aspekt „Landesgesetzgebung oder Bundesgesetzgebung?“ angeht: Wir leben in einem Rechtsstaat. Dabei geht Bundesrecht vor und kann vom Land natürlich nicht gebrochen werden. Auch dieses Argument hat uns überzeugt. Was

im Bundesgesetz steht, gilt natürlich auch für die Landesgesetzgebung.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Warum haben Sie es dann bei dem Kindertagesbetreuungsgesetz anders gemacht?)

Ich möchte nur noch einen Aspekt herausgreifen und besonders betonen, den auch Frau Krueger kurz gestreift hat. Auch für unsere Fraktion ist es sehr wichtig, dass im Rahmen der Schwangerenkonfliktberatung auch Informations- und Präventionsangebote für ganz junge Menschen vorgehalten werden. Denn wenn man sich die Zahlen anschaut, meine Damen und Herren, stellt man fest: Drei Viertel aller Schwangerschaftsabbrüche werden von ganz jungen oder jungen Frauen vorgenommen. Das zeigt, wie wichtig die Beratung im Vorfeld einer solchen Situation ist. Wir begrüßen es außerordentlich, dass der Gesetzentwurf auch die Förderung präventiver Angebote für Schülerinnen und Schüler und die Jugend insgesamt vorsieht.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass seit 2001 die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bundesweit Gott sei Dank zurückgegangen ist. Sie hat sich von 135 000 auf 124 000 reduziert. Das ist natürlich immer noch viel, aber an der abnehmenden Tendenz der Schwangerschaftsabbrüche sehen wir, meine Damen und Herren, dass die Beratungsangebote greifen und dass wir sie hier im Land auch dringend brauchen.

Deshalb wird die FDP/DVP-Fraktion dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Ausführung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Sozialministerin Dr. Stolz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir entscheiden heute über den Gesetzentwurf zur Ausführung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, mit dem der staatliche Sicherstellungsauftrag zum Schutz des ungeborenen Lebens konkretisiert werden soll. Wir geben mit diesem Gesetz den Beratungsstellen, der pluralen Struktur, die wir im Moment im Land haben, Rechtssicherheit und Planungssicherheit. Wir regeln damit die Grundsätze der öffentlichen Förderung und die Kriterien für die Auswahl der Beratungsstellen.

Ich muss betonen: Hier wird nicht etwas Neues geschaffen, sondern es wird die bestehende plurale, ausreichende, gut funktionierende Beratungsstruktur, die wir hier in den Landkreisen vorfinden, auf eine gesicherte rechtliche Grundlage gestellt.

Wir haben 124 Beratungsstellen und Außenstellen mit 276 Vollzeitkräften, obwohl wir laut Gesetz eigentlich nur 267 Stellen brauchten. Die Beratungsstruktur orientiert sich am Beratungsbedarf, am gesetzlichen Versorgungsschlüssel und auch an der Auslastung der Kapazitäten.

Jetzt sind hier einige Punkte angesprochen worden, die als Problem gesehen werden, von denen ich aber einfach feststellen muss, dass sie in der konkreten Arbeit, die vor Ort geleis tet wird, kein Problem darstellen. Insofern bedarf es nicht einer gesetzlichen Regelung von Dingen, die eigentlich funktionieren und die wir mit gesetzlichen Regelungen nur verkomplizieren und möglicherweise im Ablauf erschweren würden.

Das betrifft die von Ihnen geforderte Regelung mit den sechs Stunden. Wir haben ein flächendeckendes Netz von Beratungsstellen, von pluralen Angeboten. Keine Frau in BadenWürttemberg ist gezwungen, für den Besuch einer Beratungsstelle länger als sechs Stunden unterwegs zu sein. Wir haben Außenstellen eingerichtet. Wenn Beratungsstellen auch in der Fläche einen Beratungsbedarf sehen, dann haben wir schon bisher Außenstellen genehmigt.

Diese Sechsstundenregelung ist also überflüssig, entspricht nicht dem Bedarf und führte maximal zu einer Erschwerung. Die Argumente sind schon genannt worden: Die Frauen nehmen eher ein anonymes Angebot wahr und nicht das Angebot, das sie vielleicht auf dem Land vor Ort finden. Das ergibt einfach auch die Auswertung der Tätigkeitsberichte und der konkreten Arbeit, die bisher geleistet wurde. Es gibt auch keinerlei Klagen über irgendwelche Probleme, die an die Stellen herangetragen worden wären.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Und was sagen Sie zu den Stellungnahmen der Verbände?)

Zweitens wurde der Punkt „Ergebnisoffenheit der Beratung“ angesprochen. Es ist nicht nötig, die ganz klare Formulierung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes zu diesem Punkt in ein Ausführungsgesetz zu übernehmen; es ist auch nicht unbedingt üblich. Das ist unnötig.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aber man kann es ma- chen!)

Im Übrigen wird auch in der Verwaltungsvorschrift nicht der Gesetzeswortlaut wiederholt und in diese aufgenommen, sondern es werden die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts erläutert. Insofern ist es unnötig, den § 5 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes noch einmal in der Verwaltungsvorschrift zu erwähnen. Das ist auch nicht üblich.

Ich würde auch dringend davor warnen – das betrifft den Antrag der Grünen –, hier die Formulierung der Ergebnisoffenheit in das Landesgesetz selbst aufzunehmen. Wenn wir das in das Gesetz aufnähmen, dann würden wir nur einen Teilaspekt des Schwangerschaftskonfliktgesetzes aufnehmen. Das wäre ein Ungleichgewicht, und wir müssten dann auch den zweiten Teil aufnehmen, der genauso wichtig ist und praktisch auch den Schutzauftrag des Staates beinhaltet. Denn die Schwangerschaftskonfliktberatung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Wir wollen die Ergebnisoffenheit der Beratung, aber die Beratung dient auch dem Schutz des ungeborenen Lebens.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Insofern würde ich mich dagegen verwahren, nur einen Teil aspekt der bestehenden Bundesgesetzgebung aufzunehmen.