Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Besprechung der Großen Anfrage abgeschlossen.
Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses zu der Mitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Baden-Württemberg vom 1. Dezember 2006 – Siebenundzwanzigster Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Baden-Württemberg – Drucksachen 14/650, 14/1269
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit will ich versuchen, meine Ausführungen auf wenige Bemerkungen zu beschränken.
Zunächst will ich natürlich auch hier im Parlament dem Landesbeauftragten für den Datenschutz für seinen Tätigkeitsbericht – für diesen pointierten, engagierten und sehr qualifizierten Bericht, wie wir meinen – herzlich danken. Wir als CDU-Fraktion nehmen die Inhalte des Berichts sehr ernst. Dieser Bericht mit einer Vielzahl von Einzelanmerkungen und auch grundsätzlichen Ausführungen zeigt, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz heute und auch in Zukunft eine wichtige und notwendige Institution darstellt.
Für die CDU-Fraktion ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Freiheitsrecht ein wichtiges Recht, das einen sehr hohen Stellenwert besitzt. Aber es stellt kein absolutes Recht dar, sondern wir haben dieses Recht und andere Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen. Dazu gehören in diesen Zei ten – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Terrorismusgefahr – z. B. Fragen der inneren Sicherheit. Es ist dann unsere Aufgabe als Parlamentarier, diese Abwägung in den Gesetzgebungsverfahren im Rahmen unserer Verfassung vorzunehmen.
Bei dieser Abwägung kann man gegenüber dem, was der Landesbeauftragte für den Datenschutz zum Teil ausgeführt hat, auch zu politisch anderen, abweichenden Einschätzungen kommen. Ich will hier beispielhaft die Kritik an dem Gesetz zur Schaffung einer gemeinsamen Antiterrordatei für Polizei und Nachrichtendienste und die Kritik am Terrorismusbekämpfungsgesetz auf Bundesebene nennen. Wir meinen, dass diese Kritik im Wesentlichen nicht berechtigt ist.
Ich will für meine Fraktion ganz ausdrücklich sagen, dass kaum ein Bürger in unserem Land Verständnis dafür hätte,
wenn im Falle eines terroristischen Anschlags – was hoffentlich nie passieren wird, aber was durchaus mit erwogen werden muss – dessen Verhinderung nicht möglich gewesen wäre, weil beispielsweise die unterschiedlichen Sicherheitsdienste in unserem Land sich nicht gegenseitig die notwendigen Auskünfte und Informationen erteilen dürfen.
Dennoch ist natürlich auch auf diesem Feld der Datenschutz sicherzustellen und ist zu gewährleisten, dass die Erkenntnisse und der Informationsaustausch ausschließlich für die Terrorismusbekämpfung und nicht als Mittel für die allgemeine Strafverfolgung genutzt werden.
Auch die Ausführungen, die der Landesbeauftragte für den Datenschutz zu Fragen der Ausweitung der Videoüberwachung im Rahmen der Novellierung des Polizeigesetzes macht, teilen wir in ihrer Grundsätzlichkeit nicht. Zunächst einmal meinen wir, dass man abwarten sollte, bis die Novelle zum Polizeigesetz auch tatsächlich auf dem Tisch liegt, und nicht bereits ohne Anlass „Land unter“ rufen sollte. Zum Zweiten sind wir auch der Meinung, dass Videoüberwachung grundsätzlich ein geeignetes Instrument der polizeilichen Gefahrenabwehr sein kann, wenn in gewissen Grenzen auch der notwendige flexible Einsatz gewährleistet ist. Wir werden die se Fragen dann im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hier im Parlament diskutieren.
Der Innenminister hat dankenswerterweise auch im Ausschuss die Zusage gemacht, den Datenschutzbeauftragten frühzeitig entsprechend einzubeziehen. Genau in dieser frühzeitigen Einbeziehung und Beteiligung liegt, denke ich, neben der Wahrnehmung der Kontroll- und Prüfungsrechte ein wichtiges und zukünftig bedeutender werdendes Aufgabenfeld des Datenschutzbeauftragten, damit nicht erst im Zuge von Beanstandungen Nachbesserungen vorgenommen werden, sondern bereits im Vorfeld datenschutzrechtlich verträgliche Lösungen gefunden werden.
Ich will auch auf eine wichtige Funktion der Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten hinweisen, die im Tätigkeitsbericht, der ja auch nur einen Ausschnitt darstellt, gar nicht in vollem Umfang zum Ausdruck kommt. Das ist die präventive Wirkung in der öffentlichen Verwaltung, die der Datenschutzbeauftragte allein schon durch die Existenz seiner Institution erzielt.
Meine Damen und Herren, der Datenschutzbeauftragte ist eine wichtige Institution in unserem Land. Die CDU-Fraktion wird den Belangen des Datenschutzes auch weiterhin einen hohen Stellenwert beimessen.
Lassen Sie mich abschließend noch zum Antrag der Grünen sagen: Wir werden den Antrag, auch den nicht öffentlichen Datenschutz in das Aufgabengebiet des Landesbeauftragten für den Datenschutz einzubeziehen, aus verfassungsrechtlichen, aber vor allem aus verfassungspolitischen Gründen ablehnen. Darüber haben wir im Ausschuss vertieft gesprochen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Sensibilität der Bürgerinnen und Bürger für den Umgang mit ihren persönlichen Daten hat während der letzten Jahre ohne Zweifel zugenommen, und dies nicht etwa aus dem Grund, weil unsere Mitbürger alle größere „Sensibelchen“ geworden wären, sondern einfach deswegen, weil sich das Ausmaß und die Intensität des Eindringens in die Privatsphäre mit neuen technischen und organisatorischen Maßnahmen steigern lassen und diese auch gesteigert worden sind. Zudem ist vieles, was technisch machbar ist, rechtlich noch nicht geregelt – muss es vielleicht auch nicht immer sein –, und manchmal ist es auch verfassungsrechtlich umstritten.
Zwei Anliegen muss der Datenschutz in dieser dynamischen Situation deshalb auf jeden Fall als Leitplanken guter Politik im Blick haben.
Erstens: Der Datenschutz ist nicht lästig, sondern er schützt die Menschen in ihren Rechten als souveräne und selbstständige Individuen. Er ist notwendig; er stützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Zweitens: Neben diesem individuellen Aspekt gilt es auch den gesellschaftlichen Aspekt zu beachten. Datenschutz ist nicht destruktiv für wehrhafte Demokratie, sondern er stärkt liberale und soziale Demokratie und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In Auseinandersetzungen mit Gegnern der Liberalität darf die Liberalität deshalb nicht selbst Schaden nehmen.
Meine Damen und Herren, deshalb haben die Anliegen des Landesbeauftragten für den Datenschutz, welche er in seinem Siebenundzwanzigsten Tätigkeitsbericht kritisch und konstruktiv einbringt, für uns als SPD-Fraktion ein hohes Gewicht. Herr Zimmermann, wir danken Ihnen für den Bericht und für die Arbeit, die Ihr Team und Sie im Berichtszeitraum geleistet haben.
Im Bericht steht als ein Schlüsselsatz, dass beim Datenschutz „jegliches Augenmaß verloren zu gehen“ drohe. Dieser Befund ist auf die vom zuständigen Innenminister im Bund gehegten Absichten gemünzt. Er ist aber auch für die Praxis im Land eine Warnlampe.
Die zu erwartende Regierungsantwort, sie werde selbstverständlich die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit halten, muss sich vor der konkreten Realität der Datenschutzpolitik im Land aber beweisen. Wie sieht es hier aus?
Für die Vergangenheit nur ein Beispiel: Bei der Einführung des Leitfadens für das Einbürgerungsgespräch wurde der Datenschützer nicht beteiligt. Das ist jetzt korrigiert. Man hat sich entschuldigt. Aber die Frage ist: Ist wirklich Sorge dafür getragen, Herr Minister, dass bei anderen Fällen künftig nicht wieder so verfahren wird? Wie sind eigentlich die Beteiligungsverfahren des Datenschutzbeauftragten im Land gere
gelt? Wie sind sie geregelt, wenn sich die Ministerien etwas ausdenken? Kommt der Datenschutzbeauftragte immer nur am Ende einer Tätigkeit zum Zuge?
Kollege Föll hat das Stichwort Antiterrorgesetze angesprochen. Zum Problem, das die CDU hier sieht, will ich nur sagen: Unverändert kritisiert der Landesbeauftragte hier die Durchbrechung der Zuständigkeitsbereiche von Polizei und Verfassungsschutz. Ebenso wird die Nutzung der Datei beklagt. Die Zugriffsmöglichkeiten würden in Baden-Württemberg breiter ausgelegt als in anderen Bundesländern.
Für die Zukunft: Die Novellierung des Polizeigesetzes und die Nutzung der privaten Videoanlagen über einen Videoatlas spielen zukünftig eine Rolle. Hier spricht der Minister zunächst – so, wie es in der Presse öffentlich bekannt geworden ist – von Missverständnissen. Selbstverständlich habe alles eine Rechtsgrundlage. Mit dem Atlas wolle man nur alle privaten Anlagen erfassen.
Aber an anderer Stelle wurde bereits ein weiterer Schritt rhetorisch angegangen. Konkrete Pläne zum Aufschalten privater Videoanlagen bestünden derzeit nicht, würden später aber vielleicht doch aufgestellt. Vielleicht suche der Staat später auch gezielt über private Anlagen mit biometrischer Erfassung. Ist das die Balance? Oder wäre es nicht richtiger, die Pläne zum Videoatlas eher in den Reißwolf zu stecken?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Summe ist es ein schmaler Grat zwischen Sicherheit und Freiheit. Das Landesinnenministerium fordert es schon durch seine Wortwahl heraus, dass man ihm nicht immer zutraut, dass die Balance gehalten wird.
Es fördert aber auch die Vermutung – im Übrigen typisch deutsch –, dass ein Zwiespalt zwischen Freiheit und Sicherheit bestehe. Man müsse sich immer quasi auf halbem Wege entgegenkommen. Das wäre aber keine Balance, das wäre kein eigener Weg. Das wäre ein Datenschutz, der nicht in Gänze gedacht wird. Das ist nicht richtig. Gute Politik darf die Sicherheit mit Sicherheit nicht leiden lassen. Es darf aber auch nicht umgekehrt sein. Wir brauchen im Datenschutz keine unguten Kompromisse, sondern gute Lösungen.
Umso wichtiger ist es, dass wir einen unabhängigen Datenschutz haben. Ich will hier nur darauf aufmerksam machen, dass die personelle Ausstattung des Landesbeauftragten angespannt ist. Eine Entlastung ist nicht geplant, z. B. durch eine zusätzliche Informatikerstelle, die gefordert wird. Die technische Ausstattung muss in das IuK-Konzept des Landes eingebunden werden – bei gleichzeitiger Unabhängigkeit des Landesbeauftragten.
Hilfreich wäre es – darüber ist heute zu reden –, wenn die Zuständigkeit des Landesbeauftragten personell und konzeptionell ausgeweitet würde. Wir wollen den öffentlichen und den nicht öffentlichen Datenschutz zusammenführen. Ich kenne aus der privaten Wirtschaft keine Widerstände dagegen. Ich höre auch, dass die verfassungsmäßigen Bedenken den Weg dahin nicht mehr wirklich versperren. Ich weiß, dass bereits acht Bundesländer diese Kombination praktizieren.
Ich bin mir bewusst, dass Telekommunikationsdaten und RFID schon heute eine Rückwirkung des nicht öffentlichen auf den öffentlichen Bereich möglich machen. Da das auch die FDP/DVP und die Grünen so sehen, frage ich mich, was heute eigentlich einer Empfehlung, diesen Weg zu gehen, noch entgegensteht.
Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. Wir haben heute natürlich vor allem die extensive Politik zu kritisieren, die vom Bundesministerium des Innern ausgeht. Ich nenne die Themen „Fingerabdrücke bei Meldebehörden“, „Nutzung des Lkw-Mautsystems zur Verbrechensbekämpfung“ und natürlich „Razzien im Internet“, bei denen nicht nachvollziehbar ist, dass private gespeicherte Daten einsehbar sein sollen.
Der liberale Südwesten muss sich, was den Datenschutz angeht, gegen platte Vorstellungen aus Berlin wehren.