Es kann nicht sein, dass man zwar in der Modellphase mit ursprünglich zehn zusätzlichen Lehrerwochenstunden für ein solches Ganztagsschulmodell begonnen hat, dass sich aber die Zahl der zusätzlichen Stunden jetzt von Jahr zu Jahr reduziert, womit die Schulträger vor Ort immer mehr vor die Schwierigkeit gestellt werden, ein Ganztagsschulangebot fachlich sinnvoll umzusetzen.
Es kann auch nicht sein, dass man ein solches Ganztagsschulprogramm fährt, ohne die Ganztagsschule im Schulgesetz als Regelangebot zu verankern.
Das sind zwei der fünf oder sechs Kritikpunkte, die von einem CDU-Oberbürgermeister mit sehr viel eigener Empathie, aber auch im Auftrag seines Gemeinderats an das Land herangetragen werden.
Beim Thema Schulstruktur schließen Sie explizit aus, dass es integrative Konzepte geben soll, in deren Rahmen Hauptschüler und Realschüler im Sinne eines gemeinschaftlichen, integrativen Angebots zusammen unterrichtet werden. Sie führen als Argument an: Wenn man eine solche Lösung vor Ort umsetzen würde, würde dies zu einer Schließung von Schulstandorten führen, weil man dann größere Einheiten brauche.
Gleichzeitig laden Sie dazu ein, Verbundschulen zu gründen, bei denen unter einem Dach Realschulzweige und Hauptschulzweige parallel laufen. Wenn die Argumentation für das eine gilt, warum gilt sie dann nicht auch für das andere? Weshalb wird nur bei integrativen Schulformen mit der Größe und der mangelnden Wohnortnähe argumentiert? Diese haben doch wenigstens den Vorteil, dass man die Schüler zusammen in der Klasse lassen kann und daher auch auf viel günstigere Klassenteiler kommt. Insofern ist die Argumentation letztlich auch inhaltlich nicht nachvollziehbar.
Herr Wacker hat in einem Zeitungsinterview gesagt, im Bodenseekreis wären 30 bis 40 % der Schulstandorte gefährdet, wenn wir zur Zweigliedrigkeit übergingen. Nun wäre es ja einmal interessant, zu berechnen, wie es wirklich aussieht. Schon jetzt sind 30 % aller Hauptschulstandorte angesichts allgemein sinkender Schülerzahlen nicht mehr zu halten, und viele Städte reagieren darauf, indem sie die Zahl der Haupt
schulstandorte in einem ersten Schritt halbieren; in Heidelberg etwa sinkt die Zahl von acht auf vier. Hinzu kommt, dass in den Hauptschulen ein Rückgang der Schülerzahlen von bis zu 27 % zu erwarten ist – und das ist noch eine konservative Annahme. Daraus wird klar, dass das Fusionieren von Hauptschulen nur eine vorübergehende Lösung ist, die man in drei oder vier Jahren an vielen Standorten wieder infrage stellen muss, weil die Entwicklung der Hauptschülerzahlen dazu führen wird, dass man erneut darüber diskutieren muss.
Wenn ich das alles durchrechne und noch berücksichtige, dass es auch sehr viele einzügige Grundschulen gibt, die bei abnehmenden Schülerzahlen ebenfalls gefährdet sind, muss ich mich schon fragen: Suchen wir hier Lösungen, die in einem ersten Schritt den einen oder anderen Standort vermeintlich sichern – aber eben nur, indem man Hauptschulen fusioniert –, oder sollten wir nicht wirklich einmal Gesamtlösungen für die einzelnen Schulamtsbezirke, für die Stadt- und Landkreise suchen, die zukünftige Entwicklungen mit einberechnen, sodass wir ein System erhalten, das auch über die nächsten vier, fünf Jahre hinaus noch Bestand hat? Das sollten wir wirklich einmal durchrechnen, Herr Wacker. Dann kommen wir, glaube ich, zu anderen Ergebnissen, als wenn wir hier einfach pauschal Dreigliedrigkeit gegen Zweigliedrigkeit stellen.
sondern ich möchte darauf hinweisen, dass es hier um Schulversuche geht. Das heißt: Vor Ort, in den Landkreisen, in den Stadtkreisen, hat man beschlossen, dass man dies jeweils für den richtigen Weg hält. Wer gibt Ihnen dann das Recht, zu sagen: „In anderen Bereichen, wenn es etwa um die Ganztagsschule oder um andere Schulmodelle geht, dürft ihr selbst entscheiden, was ihr für richtig haltet und was nicht; hier geht das jedoch nicht“? Ausgerechnet in einem Bereich jedoch, wo Modelle vorgeschlagen werden, die – aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen – von Regierungsseite von vornherein abgelehnt werden – obwohl in der Bundesrepublik und auch darüber hinaus zunehmend genau solche Modelle realisiert werden –, verbietet man es explizit, diese selbstständige Entscheidung, die vor Ort getroffen wurde, zu akzeptieren. Das, meine Damen und Herren, hat nichts damit zu tun, dass man die Schule im Dorf halten will, sondern das hat damit zu tun, dass man bestimmte Lösungen von vornherein aus einer gewissen Verbohrtheit einfach ablehnt und hier dirigistisch in Bereiche eingreift, denen man in anderer Hinsicht eigentlich eher zusätzliche Selbstständigkeit geben will.
Sie haben mit Ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag eine gute Chance versäumt, aus diesem ganzen Dilemma, in dem Sie im Moment landesweit stecken, herauszukommen.
Es wäre für Sie ein Leichtes, über diese Schulversuche nach § 22 des Schulgesetzes Entlastung dort zu schaffen, wo im Moment „der Kittel brennt“. Die Folgen müssen Sie jedoch
selbst verantworten. Ich finde Ihre Ablehnung schade. Denn dadurch werden die Fronten immer weiter verhärtet. Sie werden nicht etwa dadurch verhärtet, dass wir eine grundsätzliche Rundumveränderung gleich im ersten Schritt wollten, sondern dadurch, dass Sie sich weigern, diese Versuche zuzulassen, die Sie an anderen Stellen im Land in den letzten Jahren ja durchaus schon zugelassen haben.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Bildungspolitik ist ein wichtiges landespolitisches Thema. Wir diskutieren in der Öffentlichkeit wichtige bildungspolitische Fragen. Deshalb ist es gut, wenn wir das auch im Landtag tun. Allerdings finde ich es schon bemerkenswert, dass Sie jetzt in einem dritten Anlauf innerhalb von vier aufeinanderfolgenden Sitzungswochen versuchen, mit dem Thema Hauptschule zu punkten.
Ich gehe davon aus, dass Sie das nach Ihrer heutigen Rede, Herr Kollege Dr. Mentrup, auch wieder nicht schaffen. Sie brauchen aber im Juli auch keinen vierten Versuch mehr zu starten.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Natürlich! – Abg. Chris tine Rudolf SPD: Einen fünften! Er kann noch nicht einmal rechnen!)
Fünfte Woche, vierter Versuch. Ich sagte vorhin, es war der dritte Anlauf in der vierten Woche, Frau Kollegin Rudolf.
Sie haben, Herr Kollege Mentrup, die Ganztagsschule angesprochen. Wir haben ebenfalls einen Antrag zu diesem Thema, insbesondere zu dem Bereich der neuen, offenen Ganztagsschulen, gestellt. Die Landesregierung hat, getragen von den Regierungsfraktionen, die Entscheidung getroffen, in den nächsten neun Jahren 40 % der Schulen im Land zu Ganztagsschulen auszubauen. Wir stehen zu diesem Konzept. Dafür gibt es zusätzliches Lehrerpersonal. Neu ist, dass dies nicht nur in Schulen mit besonderem Förderbedarf, sondern auch darüber hinaus geschieht. Wir haben eine erste Tranche mit 115 solcher Schulen und 470 Klassen für das Schuljahr 2007/2008 genehmigt.
Es gibt im Bereich der Ganztagsschulen die Ausweitung der Schulbauförderung mit einem Gesamtprogramm, ebenfalls über neun Jahre, von 1 Milliarde € aus kommunalen und Landesmitteln.
Dass diese ganzen Maßnahmen alle zusammenpassen, ist auch daran erkennbar, dass von den 115 Schulen, die als offene Ganztagsschulen genehmigt worden sind, 70 Schulen bereits Jugendbegleiterangebote haben. Diese Maßnahmen sind also aufeinander abgestimmt und zeigen den richtigen Weg zu einem Ausbau von Ganztagsschulen.
Sie legen heute dem Landtag wiederum einen Beschlussvorschlag zum Thema Hauptschule vor. Sie haben jetzt sehr gro ßen Wert auf den Punkt gelegt, die Änderungen sollten modellhaft, also nicht landesweit erfolgen. Aber die Position der SPD gilt ja flächendeckend. Gebetsmühlenartig ist heute Morgen wieder gesagt worden, wir seien die Einzigen, die noch meinten, dass gute Bildung in einem dreigliedrigen System möglich sei. Sie kennen aber die Äußerungen von Baumert und Prenzel.
Ich will noch einmal einen dritten Wissenschaftler, Professor Tenorth von der Humboldt-Universität Berlin, zitieren. Er sagt:
Die Daten aus PISA stellen keinen zwingenden Zusammenhang zwischen einer längeren gemeinsamen Beschulung und besseren Leistungen her.
In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, steht, wir hielten an dem dreigliedrigen System wie an einem Dogma fest. Gerade ist davon gesprochen worden, wir würden uns nicht mit den Argumenten auseinandersetzen, wir wären verbohrt. Wenn Sie die Diskussionen in der letzten Plenarwoche nehmen, dann sind Sie diejenigen, die Fragen ausgewichen sind,
Denn es ist Ihnen mehrfach ausdrücklich die Frage gestellt worden, wie sich das, was Sie fordern, denn nun tatsächlich auf die Standorte vor Ort auswirken würde. In Ihrem Antrag behaupten Sie auf die Frage, was geschehen müsse, um die Schulstandorte wohnortnah zu erhalten, rundweg:
Dies gelingt … dadurch, dass sich Haupt- und Realschulen … zu einer neuen Schulform … zusammenschließen können.
Das ist nicht der Fall. Bildungsexperten – selbst diejenigen, die eine solche Gemeinschaftsschule fordern – sagen, das gehe nur, wenn Haupt- und Realschulen zu mindestens vierzügigen Schulen zusammengeschlossen würden.
Das ist keine Antwort für die Schulen im ländlichen Raum. – Dann sagen Sie doch einmal, wie eine Schule in dieser Form aussehen soll. Dieser Frage sind Sie in der Plenarsitzung im letzten Monat ausgewichen. Der Kollege Kretschmann hat in dieser Debatte ausdrücklich von einer „Zentralisierung“ gesprochen.
Das ist doch genau das, was hier beschrieben worden ist. Dem weichen Sie aus; bei diesem Thema setzen Sie sich nicht mit unseren Argumenten auseinander.
Wenn Sie jetzt fragen: „Wo liegt der Grund dafür, gewisse Dinge nicht zuzulassen?“, dann antworte ich Ihnen: Wir tragen als Regierungsfraktionen auch für die Entwicklung, die nach einer solchen Zulassung ablaufen würde, die Verantwortung. Wir werden ja mit dem Schulausschuss eine Informationsreise nach Schleswig-Holstein machen.
Ich will Ihnen nur einmal die Konsequenzen nennen, die in Schleswig-Holstein auf bestimmte Entscheidungen vor Ort eingetroffen sind. In den „Lübecker Nachrichten“ vom 8. März heißt es unter der Überschrift: „Fehmarn: Flucht vor der Gemeinschaftsschule“:
Die geplante Gemeinschaftsschule auf Fehmarn treibt Schüler wie Lehrer aufs Festland. Viele Schüler wollen künftig das nächstgelegene Gymnasium in Oldenburg besuchen.