Protokoll der Sitzung vom 28.06.2007

Meine Damen und Herren, damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Eckpunkte zur Reform der Lehrerbildung – Drucksache 14/1014

Dazu rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/1444, mit auf.

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags Drucksache 14/1014 fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Frau Abg. Bauer, bitte schön.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Aber da müssen Sie jetzt etwas sagen, dass man klatschen kann!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lehramtsstudierende nennt man manchmal auch gern die „Aschenputtel“ an den Universitäten. Das ist die Gruppe der Studierenden, die überall mitlaufen und nirgendwo richtig dazugehören. Wenn dann diese „Aschenputtel“ mit ihrem Studium fertig sind, erleben sie, wenn sie an die Schule kommen, den sogenannten Praxisschock, und viele berichten, dass sie sich danach fragen, was ihnen das Studium für die Realität an den Schulen eigentlich gebracht hat.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Ein Sekretärinnenge- halt! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie um Ruhe bitten, damit die Rednerin zu verstehen ist.

Vielen Dank.

Auch die Kolleginnen und Kollegen beschweren sich ja immer wieder darüber, dass Lehrerinnen und Lehrer nicht wirklich auf das vorbereitet sind, was sie an den Schulen erwartet.

Eine ähnliche Rückmeldung haben wir im Zusammenhang mit PISA bei internationalen Vergleichsstudien bekommen. Danach haben wir ein Problem hinsichtlich der Qualität der Ausbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer. Deswegen – ich glaube, das ist auch allen in diesem Haus klar –: Eine gute, eine bessere Lehramtsausbildung ist ein Schlüssel für eine bessere Schule. Ohne bessere Lehramtsausbildung bekommen wir auch keine besseren Schulen. Deswegen ist es wichtig, eine Reform anzugehen, die versucht, grundlegend und systematisch zu verändern.

Die Landesregierung hat bei dieser Frage ja sehr lange auf der Bremse gestanden. Ich glaube, es ist eine gute Nachricht heute: Das jahrelange Tauziehen, das es zwischen dem Kultusmi

nisterium und dem Wissenschaftsministerium gab, ist jetzt endlich beendet. Was die Gymnasiallehrerausbildung betrifft, ist jetzt mit der Umstellung auf Bachelor und Master der Knoten durchschlagen.

Es ist auch gut – die zweite gute Nachricht am heutigen Tag –, dass das erste Staatsexamen abgeschafft wird. Denn die Umstellung auf die gestuften Studiengänge birgt Chancen in sich, die es zu nutzen gilt.

Uns kommt es bei der Reform der Lehrerausbildung im Prinzip auf zwei Punkte an:

Erstens: Wir halten ein Gesamtkonzept für eine umfassende Reform der Lehrerausbildung für notwendig, eine Reform, die die verschiedenen Einrichtungen, die an der Lehrerausbildung bislang beteiligt sind, enger zusammenbringt. Das sind die Universitäten, die Pädagogischen Hochschulen, die Studienseminare, und das ist die Akademie für Weiterbildung. Sie agieren zurzeit relativ unabhängig voneinander. Wir wollen eine Reform, die diese Träger zusammenbringt, die Synergien und Kooperationen auf ein festes und verbindliches Fundament stellt und die die Trennung nach Schularten überwindet.

(Beifall der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Zweitens: Wir sind dafür, dass die künftige Lehrerausbildung stärker an der künftigen Tätigkeit in der Schule orientiert ist und dass dabei professionelle Kompetenzen entwickelt werden können, die später auch nutzbar sind.

Dazu gehört – ich glaube, auch darüber besteht weitgehend Einigkeit – das richtige Verhältnis zwischen Theorie und Praxis. Die Praxisanteile müssen früh einsetzen. Außerdem gehört das richtige Verhältnis zwischen Fachwissenschaften, Fachdidaktik und Erziehungswissenschaften dazu. Insbesondere und gerade bei der Gymnasiallehrerausbildung ist dieses Verhältnis nicht in Ordnung. Es gilt, insbesondere den Anteil der Erziehungswissenschaften und der Fachdidaktiken deutlich zu steigern.

Es gibt zu diesem Thema ja eine Empfehlung der Hochschulrektorenkonferenz. Danach sollen 30 % – also ein Drittel des Curriculums – auf die bildungswissenschaftlichen Anteile entfallen. Diese Empfehlung aus dem letzten Jahr – sie ist also gar nicht alt – ist interessanterweise von den baden-württembergischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen unterstützt worden. Es ist spannend, zu beobachten, wie sich die Umsetzung dieser Empfehlung in Baden-Württemberg gestaltet.

Was zeichnet sich in Baden-Württemberg zum Thema „Reform der Lehrerausbildung“ ab? Um dieser Frage nachzugehen, haben wir ja den vorliegenden Antrag gestellt. Wir wollen darin wissen, wie weit die Reformplanungen und die Umsetzung gediehen sind. Wir haben den Eindruck, dass aus der Reform ein Reförmchen zu werden droht, dass sie von der Suche nach einem Minimalkonsens geprägt ist. Zwar wird eine strukturelle Anpassung an die neuen, gestuften Studiengänge vorgenommen, aber es bleiben dabei alle weiter gehenden inhaltlichen Reformen, die man auch anstoßen könnte, auf der Strecke. Wir glauben, dass das eine verpasste Chance wäre. Wir meinen: Man muss mehr daraus machen.

Wir verstehen zwar, dass es bei denen, die auf diese Reform gedrängt haben, Motive dafür gibt, den Aufwand zu begren zen. Es war ja in der Tat nicht das Ministerium, das hierbei sozusagen auf die Tube gedrückt hat. Vielmehr waren es die Universitäten selbst, die gesagt haben: „Wir können es nicht länger leisten, Parallelangebote aufrechtzuerhalten, neben den gestuften Studiengängen auch noch die Staatsexamensstu diengänge zu betreiben.“ Es war offenbar der Wunsch der Universitäten selbst, den Aufwand zu minimieren, der dafür maßgeblich war, dass diese Reform vorankam.

Jetzt droht eine Reform, die einfach in die neuen Studiengänge eingepasst wird. Wiederum drohen die Lehramtskandidaten und die Lehramtsstudierenden die „Aschenputtel“ in den neuen Studiengängen zu bleiben.

Wir warnen auch davor, das Thema „Umbau der Inhalte“ allzu zögerlich anzugehen. In der Presse wurde auch immer wieder betont, durch die Reform würden ja die fachdidaktischen Anteile verdoppelt. Das klingt schön, ist aber nicht wirklich eine gute Nachricht, wenn man sieht, wie gering der Anteil der Fachdidaktik bislang ist. Nach den vorliegenden Planungen liegt der Anteil der Bildungswissenschaft auch für die Zukunft weit unter einem Drittel. Wir finden, dass man in dieser Hinsicht dringend nachbessern muss.

Unsere Forderungen, die wir in dem Beschlussteil des Antrags Drucksache 14/1014 dargestellt haben, weisen so etwas wie die „grüne Richtung“ auf: Elemente, die wir für zentral halten für eine Reform der Lehrerausbildung, wie wir sie angehen würden.

Wir haben jetzt noch einen aktuellen Antrag dazu eingereicht. Er formuliert so etwas wie Mindestanforderungen auf dem Weg, den die Landesregierung eingeschlagen hat. Selbst wenn man die weiter gehenden Ideen, die wir haben, außen vor lässt, gibt es bestimmte Bereiche, die dennoch unbedingt und dringend abzusichern sind. Unseres Erachtens sind das folgen de:

Erstens muss die Umstellung auf Bachelor und Master bis 2009 auch in den Lehramtsstudiengängen der Pädagogischen Hochschulen erfolgen. Wir dürfen diese Hochschulart nicht aus diesem Prozess ausschließen oder entlassen. Wir wollen eine klare Ansage haben, dass auch diese Lehramtsstudiengänge mitgenommen werden.

Zweitens wollen wir, dass ein Gesamtkonzept entwickelt wird, das alle Schularten, alle Einrichtungen zusammennimmt, das Übergänge ermöglicht und schulartenübergreifende Standards setzt. Das ist möglich. Das ist keine revolutionäre Erfindung oder ein Ideengespinst von uns. Rheinland-Pfalz macht es vor: Es ist durchaus möglich, eine solche Lehrerausbildungsreform schulartenübergreifend zu betrachten und anzugehen und Differenzierungen in einer späteren Phase zuzulassen.

Zum Dritten wollen wir, dass im Curriculum ein fester Anteil von 30 % für die bildungswissenschaftlichen Anteile festgelegt wird.

Ein letzter Punkt: Wir meinen, dass die vorsichtig angedachten Kooperationen zwischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen auf verbindliche, feste und auch vertragliche Füße gestellt werden sollten; denn die Erfahrungen der letzten

Jahre zeigen ja, dass Kooperationen durchaus unterschiedlich gut gelaufen sind. Es gab auch Kooperationen, die auf sehr wackligen Füßen standen oder sogar ganz eingeschlafen sind. Deswegen wäre es für alle Seiten hilfreich, eine feste Vereinbarung zu treffen und einen Vertrag zu schließen. Der Anteil, der von den Pädagogischen Hochschulen aufgebracht wird, soll verbindlich definiert und auch kapazitätsrelevant abgebildet werden. Das wäre ein Gebot der Fairness.

In diesem Sinne möchte ich Sie bitten, sich unseren Anträgen anzuschließen. Wir glauben, dass es nicht zu spät ist, mit dieser Reform ein grundlegenderes Umdenken anzustoßen. Die Lehrerbildung hat es verdient, so etwas wie einen Aufbruch zu neuen Ufern vorzunehmen und die Reform nicht allzu klein in Trippelschritten anzugehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Kurtz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den Eindruck, wir modifizieren jetzt ein Thema, das uns schon den ganzen Nachmittag begleitet hat.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: So sieht es aus!)

Wir haben vorhin von Ihnen gehört, wie schlecht die Schulen in Baden-Württemberg seien. Jetzt müssen wir uns noch die Negativbeschreibung der Hochschulen und der Lehrerausbildung anhören.

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

Ich finde, das ist fast eine Zumutung. Das muss ich Ihnen wirklich sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. The- resia Bauer GRÜNE: Sie sind aber sensibel! – Ge- genruf des Abg. Michael Föll CDU: Nicht einmal Ih- re eigene Fraktion hörte Ihnen zu!)

Sie finden also wirklich überall ein Haar in der Suppe. Sie bezeichnen die Studenten, die auf das Lehramt studieren, als die „Aschenputtel“ der Universitäten. Das habe ich noch nie gehört und weise das weit von mir – auch für all diejenigen, die mit mir studiert haben.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Lesen Sie einmal den „Pressespiegel“ des Wissenschaftsministeriums!)

Ich finde das unglaublich. Das muss ich Ihnen wirklich sagen.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Im „Pressespiegel“ des Wissenschaftsministeriums steht das drin!)

Im Übrigen muss ich sagen: Was an den Hochschulen bei der Umstellung auf die gestuften Studiengänge gerade geleistet wird, ist ganz großartig und verdient unsere Anerkennung. Es kostet Stunden und zahlreiche Arbeitsgruppensitzungen, bis die Studiengänge konzipiert und die Prüfungsordnungen geschrieben sind. Auch da steckt der Teufel im Detail. Das ist

nicht so einfach, wie wir im Haus uns das vielleicht immer vorstellen und wünschen. Ich meine, man muss allen, die daran beteiligt sind, einmal eine große Anerkennung aussprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Dass wir auch die Staatsexamensstudiengänge dem nicht entziehen, steht in der Koalitionsvereinbarung; das können Sie dort nachlesen. Dort steht auch der von Ihnen geforderte Praxisbezug. Das ist ganz klar. Diesen Praxisbezug haben wir mit der Reform von 2001 schon eingeführt. Das hat sich bewährt und bleibt erhalten. Wir brauchen also wirklich nicht bei Adam und Eva neu anzufangen.