Protokoll der Sitzung vom 28.06.2007

Dass wir auch die Staatsexamensstudiengänge dem nicht entziehen, steht in der Koalitionsvereinbarung; das können Sie dort nachlesen. Dort steht auch der von Ihnen geforderte Praxisbezug. Das ist ganz klar. Diesen Praxisbezug haben wir mit der Reform von 2001 schon eingeführt. Das hat sich bewährt und bleibt erhalten. Wir brauchen also wirklich nicht bei Adam und Eva neu anzufangen.

Ich meine, wenn wir jetzt umstellen, dann ist es ganz wichtig, dass wir die Universitäten und das Kultusministerium zusammenarbeiten lassen. Wir wursteln hier in Baden-Württemberg auch nicht einfach vor uns hin und tun, was uns gerade passt, sondern das geschieht in engem Schulterschluss mit der Kultusministerkonferenz. Uns war es ganz wichtig, dass das Kultusministerium – im Grunde der zukünftige Arbeitgeber dieser Studenten – bei der Akkreditierung mit einbezogen wird und dass auch die schulische Seite an den Prüfungen mit beteiligt ist. So haben wir eine enge Verzahnung. Ich glaube, das tut dem Berufsbild wirklich gut. Für die jungen Leute, die sich für diesen Studiengang entscheiden, ist es wichtig, einen durchgängigen Studiengang und ein klares Berufsziel vor Augen zu haben.

Uns war es auch wichtig, dass die Zulassungsvoraussetzungen für den Masterstudiengang nur im Erwerb des Bachelorabschlusses liegen. Deswegen ist es auch ganz klar, dass die Studenten an der Pädagogischen Hochschule den Bachelorabschluss erhalten können. Denn auch hier gilt: Kein Abschluss ohne Anschluss. Auch hier ist die Durchlässigkeit gegeben.

Aber es ist eigentlich nicht notwendig, dass jetzt auch schon die Pädagogischen Hochschulen auf diese gestuften Studiengänge umstellen. Das sind im Grunde baden-württembergische Besonderheiten. Andere Bundesländer beneiden uns darum. Sie stehen auch nicht so im internationalen Vergleich. Da ist also keine Hektik angesagt. Wir können das in der ers ten Zeit einmal so lassen, wie es ist.

Das dreigliedrige Schulsystem haben Sie heute schon mehrfach thematisiert. Jetzt über die Hintertür der Lehrerausbildung möglicherweise das dreigliedrige Schulsystem wieder infrage zu stellen kommt für uns nicht in Betracht; das ist ganz klar. Wir bleiben dabei: Wir wollen die Lehrer und Lehrerinnen nicht nach dem Alter der Schüler und Schülerinnen, mit denen sie dann zu tun haben, ausbilden. Vielmehr geht es uns darum, dass sie vorbereitet sind für die Lernart und für die Schulart, für die sich die Kinder, mit denen sie es zu tun haben, entschieden haben.

Nichts ist so gut, als dass es nicht verbessert werden könnte. Sie kennen unser Paket für die Hauptschulen. Sie wissen, dass wir auch bei den Pädagogischen Hochschulen daran denken, neue Kombinationen zu schnüren. Aber an der grundsätzlichen Ausrichtung ändert das nichts. Ich habe ein bisschen den Eindruck: Sie haben Angst vor der Vielfalt, Sie können nicht ertragen, dass es viele verschiedene Varianten der Lehrerausbildung gibt. Für Ihr Ansinnen, alles einheitlich zu kon

zipieren – immer diese Strukturdebatten –, habe ich überhaupt kein Verständnis. Ich denke, wir sind hier auf einem guten Weg und müssen Ihrem Antrag in keiner Weise zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Kaufmann für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das Dauerthema Lehrerausbildung kreist mit wechselnden Schwerpunkten immer um drei unterschiedliche Bereiche. Das ist einmal die aus der Sicht vieler Experten unzureichende Verzahnung der fachlichen und der pädagogischen Inhalte, was man auch als das mangelhafte Verhältnis von Theorie und Praxis bezeichnen kann. Das Zweite ist die Frage, ob es bei der nach Schularten getrennten Ausbildung bleiben soll; auch um diesen Punkt geht es heute in dieser Debatte. Der dritte Punkt ist die Frage, wie wir den Bologna-Prozess mit der Einführung der Bachelor- und Masterabschlüsse umsetzen, wie wir damit zurechtkommen.

Ich muss sagen: Die Antworten, die die Landesregierung zu diesen drei Bereichen gegeben hat, fallen noch nicht so aus, wie es nach den Ratschlägen aus der Wissenschaft, den Forderungen der Hochschulrektoren, den Forderungen der OECDLehrerstudie und der Untersuchung „Lehrerbildung 2000“ des Landes oder nach dem, was durch die Evaluation der Erziehungswissenschaften diskutiert wurde, eigentlich zu erwarten wäre. Diesen Anforderungen sind Sie noch nicht gerecht geworden. Das muss man leider feststellen. Frau Kollegin Bauer hatte schon recht, als sie auf diese Defizite hingewiesen hat.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Die SPD-Fraktion hat bereits im Jahr 2003 ein umfangreiches Konzept für die Lehrerausbildung vorgelegt. Es wurde im Landtag bereits diskutiert. Wir finden vieles von dem, was wir vorgeschlagen haben, in dem vorliegenden Antrag der Grünen wieder. Deshalb können wir auch Ihrem Antrag zustimmen.

Die Schwerpunkte, die wir seinerzeit gesetzt haben: Das ist einmal die Stärkung der Didaktik sowie die Verortung der Didaktik an den Hochschulen. Diejenigen, die sich damit tiefer beschäftigen, wissen, dass es da erhebliche Defizite gibt. Wir sehen dies am sogenannten Praxisschock, wenn die Lehrer an die Schulen kommen. Ich denke, da ist es schon notwendig, die Bildungswissenschaften zu stärken und das auch entsprechend an den Hochschulen zu verorten.

Sie kennen ja das Modell Praxisjahr, das in Biberach in Verbindung mit der Pädagogischen Hochschule Weingarten durchgeführt wird. Ein Praxisjahr fordern wir für alle Lehramtsstudiengänge. Das ist ein erfolgreiches Modell, und es wurde aufgrund seines Erfolgs auch verlängert.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Praxisjahr ist im- mer gut!)

Praxisphasen sind auch in anderen Studiengängen üblich. Bei den Ingenieuren z. B. muss man während des Studiums oft ein Jahr Praxis absolvieren.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Studienzeit wird dadurch verkürzt!)

Das ist mit der Studienzeit durchaus vereinbar; lesen Sie das einfach noch einmal in unserem Antrag aus dem Jahr 2003 nach, in dem wir ausführlich dargestellt haben, wie wir uns das vorstellen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist auch allerhöchste Zeit, das verbundene Lehramt für Grund- und Hauptschulen aufzulösen. Sie wissen ganz genau, dass das notwendig ist. Wir plädieren für ein verbundenes Lehramt für Haupt- und Realschulen. Das stärkt auch dessen Attraktivität. Denn Sie wissen ja genau, wie viele Bewerber wir in dem Bereich mit dem Schwerpunkt Hauptschule haben. Das wäre zumindest einmal der erste Schritt hin zu einer Ausbildung für das Lehramt der Sekundarstufe I.

Wir brauchen auch ein eigenständiges Lehramt für die Grundschule, weil dort auch spezifische Fragestellungen zu beantworten sind, die mit der Elementarpädagogik zu tun haben und bei denen man durchaus pädagogisch getrennt ansetzen muss.

Dies wäre einmal der minimalste Schritt, den die Landesregierung tun müsste, um den besonderen Anforderungen an die Lehrämter gerecht zu werden.

Wo lernen Lehrer ihren Beruf? Dafür gibt es einschlägige Untersuchungen: Die Lehrer lernen ihren Beruf nicht im Studium und auch nicht in der zweiten Ausbildungsphase, sondern allen empirischen Untersuchungen zufolge lernen sie ihren Beruf in den ersten fünf Berufsjahren.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Das ist in den meisten Be- rufen so! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es ist noch keiner zum Lehrer geboren worden!)

Das ist die prägende, die entscheidende Phase. Die Studie von Professor Herrmann aus Ulm ist da sehr interessant, und deren Ergebnisse korrespondieren auch mit vielen Erfahrungen. Deshalb halten wir es für wichtig – und das ist im Antrag der Grünen nicht enthalten –, die Berufseinstiegsphase stärker mit den anderen Phasen zu verzahnen und dort noch begleitende Tage durch Seminare oder Hochschule einzuführen, um entsprechende Unterstützung zu geben. Dies kommt bislang zu kurz, und das, denke ich, ist eine Frage, der wir uns in Zukunft noch stärker zu widmen haben.

Was die Anforderungen anbelangt, die aus dem Bologna-Prozess erwachsen, so bin ich nicht ganz so euphorisch, wie dies im Antrag der Grünen zum Ausdruck kommt. Die Anpassung der Lehrerausbildung an das modulare System muss in der Tat mit einer inhaltlichen Verbesserung der Ausbildung und einer erhöhten Professionalisierung des Lehrerberufs verbunden werden. Es darf sich nicht auf eine formale Modularisierung beschränken. Es gibt gute Beispiele – Sie haben das auch gesagt –, bei denen das vorbildlich gelungen ist, etwa in Rheinland-Pfalz. Aber es muss auch erkennbar sein, dass der Anspruch der Polyvalenz mit dem Bachelorabschluss auch ein

gelöst werden kann. Da habe ich persönlich meine Bedenken. Wo ist der Arbeitsmarkt, und inwiefern besteht eine Garantie, in diesem Arbeitsmarkt aufgefangen zu werden? Beim Bachelorabschluss soll es sich zwar um einen berufsqualifizierenden Abschluss handeln, aber eben nicht um einen Abschluss, der für den Lehrerberuf qualifiziert. Das muss man sehen. Es wäre notwendig, sich dieser Fragestellung zu widmen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Ende. Sie haben Ihre Redezeit bereits überzogen.

Ich komme gern schnell zum Ende und will nur noch darauf hinweisen, dass natürlich der Staat als Abnehmer der Absolventen aus den Lehramtsstudiengängen durchaus einen Einfluss auf die Gestaltung der Prüfung und die Gestaltung der Lerninhalte haben muss. Der Staat nimmt zu fast 100 % die Lehramtskandidaten auf, und deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, beispielsweise über die Zentren für Lehrerbildung hier eine bessere Verzahnung zu schaffen. Mit diesen Zentren besteht die Möglichkeit, die Phasen der Lehrerausbildung untereinander zu verankern und sie nicht allein als eine Stabsstelle bei den Rektoraten zu belassen, sondern den Einfluss, den wir als Staat, als Abnehmer der Absolventen der Lehramtsstudiengänge brauchen, stärker geltend zu machen. Denn mit der Abschaffung des Staatsexamens allein und der Einführung eines Masterabschlusses allein ist noch keine Verbesserung erreicht, und es ist auch noch keine Garantie dafür gegeben, dass wir allein durch konsekutive Studiengänge bessere Lehrer bekommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bachmann für die Fraktion der FDP/DVP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Niemand kann etwas lehren, was er zuvor nicht selbst gelernt hat. Eine qualifizierte und solide Ausbildung der Lehrer ist der Schlüssel für eine qualifizierte und solide Ausbildung der Schüler.

(Abg. Ute Vogt SPD: So ist es!)

Wir brauchen in der Bildung mehr Solidität. Wir müssen weg vom italienischen Denken – ich nenne die Stichworte PISA und Bologna –, weg vom Toskana-Fanatismus der Alt-68er. Wir brauchen eine Lehrerausbildung, die sich an den Berufschancen der Schüler und nicht an den Selbstverwirklichungswünschen von Bildungsromantikern orientiert.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Nor- bert Zeller SPD: So ein Quatsch!)

Lassen Sie mich das Problem anhand eines Zitats verdeutlichen:

Im Altertum lernte man, um sich selbst zu vervollkommnen. Heute dagegen lernt man, um anderen gegenüber etwas zu gelten.

Nein, der Eindruck täuscht: Ganz so neu ist das Zitat nicht. Es stammt von Konfuzius. Wir alle haben schon so viel Selbst

vervollkommnung durch Bildung betrieben, dass wir wissen, dass Konfuzius vor 2 486 Jahren aufgehört hat zu lehren.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So genau wusste ich es nicht! Wieder etwas gelernt!)

Dennoch sind seine Worte heute so richtig wie damals. Nicht das Geltungsbedürfnis darf im Mittelpunkt stehen, sondern der Lernerfolg muss im Mittelpunkt stehen. Das gilt nicht nur für die Schulen. Wir haben heute schon viel vom Kultusminis ter darüber gelernt. Das gilt umso mehr für die Ausbildungsstätten der Lehrer.

Baden-Württemberg hat als einziges Bundesland die Weisheit besessen, die Pädagogischen Hochschulen nicht zum fünften Rad an einem Universitätswagen zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Unsere Pädagogischen Hochschulen können sich vervollkommnen, ohne in inneruniversitären Entscheidungsprozessen mit anderen prestigeträchtigen Disziplinen konkurrieren zu müssen.

Hand aufs Herz, liebe Freunde von den Grünen: Würden Sie der Bildung von Hauptschullehrern den Vorzug geben vor der Erforschung des Klimawandels und der Sonnenenergie? Sie werden zugeben müssen, dass Ihre Einheitsbreivorschläge keine Lösung, sondern Aktionismus sind – Aktionismus zulasten der Schülerinnen und Schüler.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so unsinnig die Eingliederung der PHs in die Universitäten ist, so fraglich ist in diesem Bereich die Umstellung auf Bachelor und Master. Auch hier gilt es, sich nicht gedankenlos italienischen Schwärmereien – Stichwort Bologna – hinzugeben. Wir müssen weg von dieser Romantik im Bildungswesen und zurück zu solider Arbeit. Vielleicht sollten die Bildungsminister der EU nicht immer in der Toskana, sondern lieber einmal in Stetten am kalten Markt tagen.