Protokoll der Sitzung vom 10.10.2007

Daneben kann die Jagdbehörde eine Schiedsrichter- und Vermittlerposition einnehmen, bei Unstimmigkeiten eingreifen und generell eine noch stärker beratende Funktion übernehmen.

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass durch das Modellprojekt „Rehwildbewirtschaftung ohne behördlichen Abschussplan“ die Eigenverantwortung von Jagdrechtsinhabern und Jagdausübungsberechtigten unter Wahrung der Beteiligungsrechte gestärkt wird. Ich bin davon überzeugt, dass wir auch mit den neuen Strukturen die Ziele ordnungsgemäßer Jagdausübung erreichen können, die da lauten: angepasster Rehwildbestand, tragbare Wildschäden und vor allem Berücksichtigung von Naturschutz und Landschaftspflege.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig!)

Der zeitliche Rahmen für das Modellprojekt gibt uns die Möglichkeit, in der Nachschau die Auswirkungen in Bezug auf Grundeigentümer, Jäger, Wild und Natur besser zu beurteilen.

Meine Damen und Herren, zusammengefasst sage ich: Das Modellprojekt hat eine Chance verdient. Also gehen wir es an.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Nelius.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Wird es in Baden-Würt temberg noch Rehwild geben, wenn man den Abschuss freigibt?“ Dies ist kein Zitat aus einer Zeitung, von der sich ja viele Menschen ein Bild machen, sondern die besorgte Frage von Jägern aus meinem Wahlkreis.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, worum geht es denn konkret bei diesem Tagesordnungspunkt? Der zu beratende Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Landesjagdgesetzes soll die rechtliche Grundlage für ein auf drei Jahre befristetes Pilotprojekt schaffen. Im Rahmen dieses Projekts soll ab dem Jagdjahr 2007/2008 modellhaft erprobt werden, ob auf die behördliche Abschussplanung beim Rehwild verzichtet werden kann. § 21 Abs. 2 des Bundesjagdgesetzes verlangt aber bisher diese Abschussplanung.

Hier kommt nun der Ansatz der Landesregierung, nämlich im Hinblick auf die Entbürokratisierung diese Planung in Zukunft umzustellen. Die Frage steht also im Raum: Warum hat man dies dann nicht schon längst gemacht? Die Antwort ist: Erst die Grundgesetzänderung im Rahmen der Föderalismusreform im Jahr 2006 ermöglicht jetzt konkrete Schritte auf diesem Weg. Mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs kommt es also keinesfalls zu einer flächendeckenden Freigabe des Abschusses von Rehwild. Vielmehr wird ein Korridor eröffnet, in dem es dem Ministerium möglich wird, in sogenannten Modellrevieren – z. B. zu wissenschaftlichen oder Forschungszwecken oder, wie in unserem Fall, auch zur Durchführung von Pilotprojekten durch Einzelanordnung bei

gleichzeitiger Zustimmung der Jagdgenossenschaft bzw. der Eigenjagdbesitzer – Jagdausübungsberechtigte von der Pflicht zur Erstellung eines Abschussplans zu entbinden.

Ziel des Gesetzentwurfs ist natürlich, sich mittelfristig von Abschussplänen zu verabschieden. Wenn auch die zu diesem Gesetzentwurf angehörten Verbände wie Landkreistag, Lan desjagdverband oder der Naturschutz grundsätzlich zustimmen, darf man doch nicht verkennen, dass ernst zu nehmende Einwände erhoben werden. Der zentrale Einwand lautet z. B., es sei fraglich, ob diese Gesetzesänderung tatsächlich einen Beitrag zur Entbürokratisierung leisten könne und ob gewährleistet sei, dass es nicht nur zu einer Verlagerung des Arbeitsaufwands bei gleichem Arbeitsvolumen kommt. Vor allem auch das Forstliche Gutachten in seiner bisherigen Form muss während der Pilotphase auf den Prüfstand.

Die SPD-Landtagsfraktion nimmt die Einwände ernst, geht aber davon aus, dass sich diese im Wege der Umsetzung und – neudeutsch – Evaluierung entkräften lassen. Wir hoffen, dass die eingesetzten 180 000 € dann auch zweifelsfreie Ergebnisse bringen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zusammenfassend darf ich sagen: Die SPD wünscht diesem Projekt vollen Erfolg und wird dem dazu nötigen Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Das Wort erhält Herr Abg. Pix.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nicht die Föderalismusreform ist das treibende Moment, sondern die Jägerschaft, die schon lange fordert, dass man von diesen behördlich festgelegten Abschussplänen Abstand nimmt und dem tatsächlichen Wildökosystem im Wald Rechnung trägt. Ein Reh ist nicht stationär und versteckt sich nicht hinter dem Baum, sondern treibt sein Unwesen, nämlich den Wildverbiss, revierübergreifend. Wir haben es hier mit einem Ökosystem zu tun, das anthropogen sehr stark beeinflusst ist. Deswegen brauchen wir diese Form der waidgerechten ökologischen Bejagung.

Nach langem Hin und Her und zahlreichen Wildessen ist es den Jägern gelungen, auch die Landesregierung davon zu überzeugen, dass es höchste Zeit ist, solch fortschrittliche Wege zu beschreiten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir sind nicht be- stechlich, Herr Kollege!)

Auch wir von den Grünen begrüßen natürlich, dass es ein auf drei Jahre angelegtes Pilotprojekt gibt und dass dies ergebnis offen abläuft und nicht so, wie Sie es soeben geschildert haben, indem Sie Ergebnisse schon vorwegnahmen. Ob es tatsächlich zu einer Entbürokratisierung und zu einer Verstärkung der Eigenverantwortlichkeit der Jägersleute kommt, das bleibt abzuwarten.

Ich selbst bin gespannt. Ich meine, es ist ein mutiger Schritt, den die Landesregierung da geht. Wir haben es im Zuge der Klimaveränderungen schließlich mit immer schwieriger werdenden Problemen zu tun. Die Wildverbissraten steigen, wie

die letzten Forstlichen Gutachten ganz klar ergeben haben. Nachdem unserem Anliegen, diese Pilotprojekte durch Forstliche Gutachten zu begleiten, Rechnung getragen ist, können wir dem nur noch beipflichten.

Ich empfehle Ihnen allen, Ihren Wählern und Ihren Mitbürgern in Ihren jeweiligen Wahlkreisen zuzurufen: „Esst mehr Wild.“ Die passenden Spätburgunder und Lemberger stehen bereit.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie wollen, dass al- le abgeschossen werden!)

Dann wird aus der alten, leider traditionellen Hassliebe zwischen Förstern und Jägern eine endlose Liebe entstehen, und dann wird alles gut.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Bullinger.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Locherer hat ja eigentlich alle fachlich wesentlichen Dinge ausgeführt. Die anderen Kollegen haben dies noch ergänzt.

Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung ist die konsequente Fortführung unserer Arbeit, nämlich alle Verwaltungsbereiche zu straffen und möglichst zu entbürokratisieren. Bereits im vergangenen Jahr haben wir der Jägerschaft im Land mit der Änderung des Landesjagdgesetzes und der Privatisierung der Jägerprüfung die Möglichkeit gegeben, staatliche Maßnahmen im eigenen Verantwortungsbereich zu regeln.

Die anerkannt gute und vielfältige Leistung der Jäger war damals Grund für die Übertragung neuer Aufgaben. Die Jägerschaft hat in der zurückliegenden Zeit bewiesen, dass sie ihre Aufgaben mit Augenmaß und Verantwortung wahrnimmt. Ich denke, es war damals ein wichtiger und richtiger Schritt, dass die Politik mit der Übertragung der Jägerprüfung gezeigt hat, dass sie der Jägerschaft Vertrauen entgegenbringt und ihr zutraut, ihre Aufgaben eigenverantwortlich wahrnehmen zu können.

Dort, meine Damen und Herren, wo es ohne Staat geht, sollte die Eigenverantwortung immer den Vorzug erhalten. Wir Liberalen wollen einen schlanken und einen starken Staat.

Zu Recht werden die Leistungen der Jäger auf dem Gebiet des Artenschutzes, des Biotopschutzes und der Landschaftspflege, aber auch die Leistungen bei der Förderung des Natur- und des Umweltbewusstseins vor allem junger Menschen hervorgehoben. Die FDP/DVP-Landtagsfraktion anerkennt ausdrücklich die Leistungen der Jägerschaft für das Gemeinwohl.

Als nächsten Schritt wollen wir jetzt den behördlichen Abschussplan insgesamt abschaffen. Dieser Versuch wird ja jetzt gemacht. Einzelne ausgesuchte Reviere sollen Vorreiter sein. Ich bin sicher: Auch hier wird sich zeigen, dass auf die Jäger Verlass ist.

Das Jagdrecht ist zunächst Eigentumsrecht. Meine Damen und Herren, Jäger, Landwirte und Waldbesitzer müssen miteinander zurechtkommen. Auch was Verbiss und Besatz angeht, Herr Kollege, gilt sicherlich immer, dass Jäger und Waldbesitzer miteinander zurechtkommen müssen. Wir sehen ja vor allem beim Schwarzwild, welche Probleme es geben kann. Hier müssen diejenigen, die Eigentümer sind, mit denjenigen, die die Jagd ausüben, die Dinge miteinander entsprechend regeln.

Die FDP wird sich, wo immer dies sinnvoll ist, für Entbürokratisierung nachhaltig einsetzen. Ich denke, der Abschussplan ist insgesamt überholt. Oder, meine Damen und Herren, glaubt auch nur einer hier im Raum, dass die behördlichen Jagdaufseher in den Landratsämtern wissen, wo welcher Rehbock in welchem Planquadrat war und ob er noch dort ist oder schon abgeschossen worden ist? Wie gesagt, meine Damen und Herren: Ich bin der Auffassung, dass man das Ganze eher den Beteiligten vor Ort überlassen sollte.

In der vom Ministerium durchgeführten Anhörung ist der vorliegende Gesetzentwurf durchweg positiv aufgenommen worden. Auch der Landwirtschaftsausschuss hat diesem Gesetzentwurf in seiner letzten Sitzung einstimmig zugestimmt. Ich habe keine Zweifel, dass der Versuch positiv ausgehen wird, Herr Minister. Auch wir werden dem Gesetzentwurf natürlich zustimmen.

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt: Die Jägerschaft profitiert von der Änderung. Auch erspart sich der Staat Aufwand und Kosten. Vielleicht kommen wir dann, wenn wir dieses Gesetz verabschiedet haben, dazu, uns über ein anderes Thema aus dem Landesjagdrecht nochmals zu unterhalten. Denn es ist, glaube ich, an der Zeit, einmal über die meines Erachtens ungerechte und überholte Bagatellsteuer nachzudenken. Auch dieses Thema sollte auf der Tagesordnung bleiben. Frau Staatssekretärin, ich erinnere mich noch daran: Beim Landesjägertag in Schliengen habe ich ja auch angemahnt, darüber nachzudenken, ob die Jagdsteuer eigentlich noch gerechtfertigt ist. Ich bin der Auffassung, sie ist es nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Minister für Ernährung und Ländlichen Raum Peter Hauk.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her ren, liebe Kollegen! Zunächst einmal herzlichen Dank für den uneingeschränkten Vertrauensbeweis

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das sind Sie gar nicht gewohnt!)

das bin ich fast nicht gewohnt –, den Sie der Landesregierung nach Ihrem Bekunden und Ihren Wortmeldungen wieder einmal mehr entgegenbringen, wiewohl ich die einen oder anderen kritischen Untertöne in den Wortbeiträgen gemerkt und gespürt habe. Deshalb will ich auf zwei, drei Punkte noch kurz eingehen.

Das Erste ist: Wir entbürokratisieren. Das Zweite ist – das ist, glaube ich, wichtig –: Abschusspläne sind einmal im Interes

se des Schutzes des Eigentums eingeführt worden, weil das Jagdrecht – Herr Kollege Dr. Bullinger hat das zu Recht gesagt – ein vom Grundeigentum abgeleitetes Recht ist. Daran wollen wir nichts ändern, und daran werden wir auch nichts ändern.

Weil dies aber so ist, braucht der Grundeigentümer, der nicht immer selbst die Jagd ausübt, gewisse Schutzvorkehrungen, damit sein Grundeigentum insbesondere dort, wo er Wald hat – für die Landwirte gilt Ähnliches bei den Feldern –, entsprechend geschützt bleibt und das Gleichgewicht der Vegetation, des Waldes und des Wildes erhalten bleibt. Das war der Grund für die Einführung der Abschusspläne.

Wir wollen jetzt, nachdem wir in den letzten Jahrzehnten neue Methoden entwickelt haben – wie z. B. das Forstliche Gutachten –, in einer Pilotphase auf diese Abschusspläne verzichten und überprüfen, ob es nicht ausreicht, letztendlich allein auf solche neu entwickelten Verfahren zu setzen. Wir halten das für möglich. Dies dient – ich sage es einmal klar und deutlich – gerade dem Schutz des Eigentums.

Herr Nelius, Sie haben gefragt: Können wir das Forstliche Gutachten auch noch abschaffen? Der Eigentümer braucht Instrumente an die Hand, um die Ausgewogenheit der Wildpopulation und des Waldes sowie von Feldvegetation und Wild zu dokumentieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Baden-Württemberg ist auch da einmal mehr Vorreiter in Deutschland. Bisher gibt es keine Ausnahmen im Bereich des Bundesjagdgesetzes. Wir beschreiten diesen Weg, und ich freue mich, Herr Kollege Pix, wenn Sie sagen: Es ist vor allem ein mutiger Schritt für die Jäger, die jetzt an diesem Pilotprojekt teilnehmen und dieses sicherlich zum Erfolg führen werden.