Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

Zweitens: Die Höchstdauer der Freistellung wird von zwölf Tagen auf zehn Tage angepasst. Das mag auf den ersten Blick wie eine Verkürzung oder eine Verschlechterung des Freistellungsanspruchs aussehen. Jedoch ist dies eine Anpassung an die heute geltenden Arbeitszeiten. Beim Erlass des derzeit geltenden Sonderurlaubsgesetzes im Jahr 1953 hatten wir eine Sechstagewoche und haben stundenmäßig auch wesentlich mehr gearbeitet.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: 45!)

Um eine zweiwöchige Jugendfreizeit leiten zu können, war damals eine Freistellung von zwölf Tagen notwendig. Inzwischen sieht es anders aus. Bei der heute in der Regel geltenden Fünftagewoche ist hierfür ein Freistellungsanspruch von zehn Tagen ausreichend.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Es bleibt bei zwei Wochen!)

Fünf plus fünf sind zehn Tage und damit zwei Arbeitswochen.

Lediglich für Auszubildende über 18 Jahre – das möchte ich nicht verschweigen – wird es zu einer Verkürzung kommen. Aber auch dies ist aus meiner Sicht unter dem Strich vertretbar, weil Jugendliche unter 18 Jahren bisher nicht erfasst wurden und das Gesetz insofern eine deutliche Verbesserung vorsieht.

Ich glaube, man muss mit Blick auf diesen schwierigen Spagat auch sagen: Beides geht nicht. Wir können die Butter nicht noch mit Sahne bestreichen. Außerdem muss meines Erachtens die Ausbildung immer an erster Stelle stehen. Von daher finde ich diese Begrenzung der Höchstdauer der Freistellung bei Auszubildenden auf fünf Tage absolut gerechtfertigt.

Zum Dritten: Der Freistellungsanspruch soll auch für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Übungsleiter im Jugendbereich des Sports gelten. Bisher war dies nur möglich, wenn

die Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen aus Mitteln des Lan desjugendplans finanziert wurden. Hier machen wir für die Maßnahmen des Sports eine Ausnahme, weil uns die Einbeziehung des Sportbereichs sehr wichtig ist, allein wenn man an die wachsende Bewegungsarmut und die motorischen Defizite der Kinder und Jugendlichen denkt und hier auch die Notwendigkeit sieht, dem entgegenzuwirken. Hierfür brauchen wir fachlich geschulte und qualifizierte Übungsleiterinnen und Übungsleiter.

Ich habe es schon ausgeführt: Dieser Gesetzentwurf ist natürlich ein Spagat zwischen verschiedenen Interessen. Deshalb will ich nicht verhehlen, dass der Gesetzentwurf auch Regelungen enthält, die einschränkenden Charakter für ehrenamtlich Tätige haben könnten. So wird die Anzahl der Veranstaltungen, für die Freistellung beantragt werden kann, von vier auf drei beschränkt. Damit soll die Vereinbarkeit zwischen betrieblichen Interessen und ehrenamtlicher Jugendarbeit verbessert werden.

Ebenso haben wir festgelegt, dass bei einer Freistellung von Auszubildenden die Ausbildungsziele nicht gefährdet sein dürfen. Das dient zum einen dazu, dass die Auszubildenden geschützt werden, und zum anderen dazu, dass die Ausbildungsbereitschaft unserer Betriebe nicht durch übermäßig viele Vorschriften nachlässt. Die Diskussion der letzten Monate und Jahre war heftig bestimmt durch die Not, genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau! Das haben manche schon vergessen!)

und die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe anzukurbeln. Ich glaube, auch diese Gesichtspunkte sind in solchen Gesetzen zu berücksichtigen, indem wir politische Rahmenbedingungen schaffen, die zwar aus Sicht der Jugendlichen möglicherweise einschränkend sind, auf der anderen Seite aber verhindern, dass all die Maßnahmen, die wir durchführen, um die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe anzukurbeln, konterkariert werden. Die Tatsache, dass wir in unserem Land wirklich eine geringe Jugendarbeitslosigkeit und gute Voraussetzungen haben, zeigt, dass wir mit unserem Gesetzesrahmen sicher gute Voraussetzungen für dieses wichtige Ziel schaffen.

Wir haben uns weiterhin entschieden, nicht mehr als notwendig in das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hineinzuregeln. Deshalb haben wir die Arbeitgeber auch nicht zu einer Lohnfortzahlung bei der Freistellung des Arbeitnehmers und einer Kostenerstattung durch das Land verpflichtet. Eine solche Vorschrift würde aus Sicht der Landesregierung dem Wesen des Ehrenamts als persönliche Leistung des Einzelnen zugunsten des Gemeinwesens widersprechen. So hat auch die überwiegende Mehrheit der Bundesländer keine Verdienstausfall- und Entschädigungsregelung bei solchen Freistellungen. Selbstverständlich sind jedoch Arbeitgeber nicht daran gehindert, auf freiwilliger Basis die ehrenamtliche Tätigkeit ihrer Arbeitnehmer zu unterstützen und finanziell zu fördern.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

So gewährt z. B. das Land seinen Beamten und Angestellten die Fortzahlung der Bezüge bei einer Freistellung für das Eh

renamt. Ich will Ihnen eine Größenordnung geben. Im Jahr 2005 handelte es sich in der Landesverwaltung um insgesamt 4 913 bezahlte Sonderurlaubstage für ehrenamtliche Tätigkeit.

Sie sehen, der von uns vorgelegte Gesetzentwurf ist ein ausgewogener Kompromiss zwischen sehr unterschiedlichen Interessenlagen. Ich weise insbesondere darauf hin, dass wir mit diesem Gesetzentwurf auch dem im Juli mit den Jugendverbänden und der Sportjugend abgeschlossenen Bündnis für die Jugend entsprechen. Dort ist zum einen die Herabsetzung des Mindestalters von 18 auf 16 Jahre und zum anderen die Einbeziehung des Sportbereichs vereinbart.

Die Einbringung dieses Gesetzes gibt mir Gelegenheit, all denen zu danken, die mit bürgerschaftlichem Engagement diese Gesellschaft bereichern, und mich bei den Arbeitgebern zu bedanken, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch entsprechende Freistellungen hierzu Möglichkeiten geben.

Ich denke, dieser Gesetzentwurf ist eine gute Abrundung unserer Rahmenbedingungen, und ich stelle ihn zur Diskussion.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abg. Raab das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich ganz besonders, dass bei diesem Tagesordnungspunkt, der ja die Jugendlichen sehr stark betrifft, so viele junge Zuhörerinnen und Zuhörer da sind,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Danke für das Kom- pliment! – Abg. Walter Heiler SPD: So jung sind wir auch nicht!)

denn wir wollen gerade für sie dieses Gesetz novellieren und fortschreiben. Das Ehrenamt und die Betreuung der Jugendlichen stehen auf unserer politischen Agenda ganz oben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn dieses Gesetz über die Erteilung von Sonderurlaub an Mitarbeiter in der Jugendpflege und der Jugendwohlfahrt seit nunmehr 54 Jahren besteht, so kann man feststellen, dass Tausende von Jugendlichen davon profitiert haben. Dass das Ehrenamt in Baden-Württemberg auch im Bundesvergleich eine so hohe Stellung einnimmt, hat bestimmt etwas mit diesem Gesetz zu tun.

Das Ehrenamt in Baden-Württemberg ist „echt gut“, stellte unser Kollege, Staatsminister Willi Stächele, im Juli dieses Jahres bei der Eröffnung des vierten Wettbewerbs der Landesregierung in Zusammenarbeit mit der EnBW, dem Sparkassenverband und der Landesstiftung fest. Ehrenamt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist baden-württembergische Lebensart.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau! Da hat er recht!)

Das Ehrenamt gehört zu uns. Es bringt uns in dieser Republik ganz nach vorne, und darauf dürfen wir auch stolz sein. Auf diese Aktiven, auf junge „Macher“ sind wir stolz. Wir wollen sie heute in diesem Hohen Haus berechtigterweise loben und ihre Leistung anerkennen. Daher ist es sinnvoll, dieses Gesetz aus dem Jahr 1953 fortzuschreiben, es an die allgemeine Rechtsentwicklung anzupassen und gleichzeitig mit einem Vorurteil aufzuräumen.

Es handelt sich nämlich nicht um „Urlaub“, den Betreuer bei Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche verbringen. In diesem Jahr fand in Bruchsal über zehn Tage hinweg ein internationales Pfadfinderlager statt.

(Abg. Walter Heiler SPD: Guter Wahlkreis!)

6 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mussten betreut, bekocht und mit einem abwechslungsreichen, anspruchsvollen Programm versorgt werden. Für die Ehrenamtlichen war das Knochenarbeit, Verantwortung in höchstem Maße, aber kein Urlaub. Daher wird der Begriff „Sonderurlaub“ im Gesetz folgerichtig durch das Wort „Freistellung“ ersetzt.

Im Gesetzentwurf wird das Mindestalter der Berechtigten erstmals von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt. Das ist unumstritten eine Verbesserung.

Natürlich hat die Absenkung der Freistellung von zwölf auf fünf Tage bei den Auszubildenden und den Jugendverbänden keine Euphorie ausgelöst.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Allerdings!)

Dennoch haben wir uns für die Absenkung entschieden, denn wir wollen alles unternehmen, um für Ausbildungsplätze zu werben. Um Wirtschaft und Handwerk dazu zu bringen, möglichst viele Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen, sollten wir bei dem gefundenen Kompromiss bleiben. Berufsschule, Urlaub und Freistellung müssen im richtigen Verhältnis zu einer qualifizierten Ausbildung gesehen werden. Daher haben wir uns vor allem im eigenen Interesse der Jugendlichen für eine Woche Freistellung entschieden.

(Zuruf von der SPD: Selbstschutz!)

Wir haben unsere Verantwortung für Ausbildungsplätze wahrgenommen und die Argumente derer anerkannt, die sie bereitstellen müssen. Wir wollen der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit weiterhin Vorrang einräumen.

Ich bewerte die explizite Aufnahme des Begriffs der Jugendleiter-Card als positiv. Die Ausweitung auf Übungsleiter und Trainer im Jugendbereich des Sports waren Schritte in die richtige Richtung, ebenso die Aufnahme des FSJ und des freiwilligen ökologischen Jahres.

Auch wenn der Gesetzentwurf nicht allen alles bietet, ist er unter dem Strich eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Regelung. Es wird mit diesem Gesetz gelingen, das Ehrenamt in Baden-Württemberg zu stärken. Immerhin beträgt der Anteil der ehrenamtlich Tätigen im Altersbereich der 14- bis 30Jährigen bereits heute 46 %.

Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen und bitten um Überweisung an den Ausschuss.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erhält Herr Abg. Bayer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach allem, was ich gerade in den letzten beiden Beiträgen über die Segnungen dieses Gesetzentwurfs gehört habe, nehme ich eines gleich vorweg: Das Beste an diesem Gesetzentwurf ist die Änderung der Überschrift. Mit dem Titel „Stärkung des Ehrenamtes in der Jugendarbeit“ wird zum Ausdruck gebracht, worum es tatsächlich geht, nämlich um das gesellschaftlich geschätzte ehrenamtliche Engagement in der Jugendarbeit.

Ohne Einschränkung positiv zu bewerten ist auch die Absenkung des Mindestalters der freistellungsberechtigten Personen von 18 auf 16 Jahre. Allerdings – das muss man hier auch einmal deutlich anmerken – handelt es sich hierbei um eine seit Jahrzehnten überfällige Anpassung.

(Beifall bei der SPD)

Dann, meine Damen und Herren, ist auch schon sehr bald Schluss mit lustig. Betrachtet man die Regelungen dieses Gesetzentwurfs im Einzelnen, so zeigt sich – hier zitiere ich das Kommissariat der katholischen Bischöfe in Baden-Württemberg wörtlich –, dass er nur geringe Verbesserungen für die in der Jugendarbeit Engagierten enthält und in einigen Punkten sogar hinter die bisherigen Regelungen zurückfällt. „Daher kann kaum von einer Stärkung des Ehrenamts durch dieses Gesetzesvorhaben gesprochen werden.“

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Hört, hört! – Abg. Norbert Zeller SPD: So ist es! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das sagen die Bischö fe!)

Diese in Bezug auf die Gesetzesintention katastrophale Einschätzung bezieht sich vor allem auf zwei Punkte: erstens darauf, dass Auszubildende nur noch fünf Tage Freistellung bekommen – übrigens eine Form von Ungleichbehandlung, die möglicherweise schon fast ein Fall für das Antidiskriminierungsgesetz sein könnte.