Das Ehrenamt in der Jugendarbeit müssen wir deshalb gemeinsam mit der Wirtschaft voranbringen und nicht gegen sie. Gegen den Willen des Arbeitgebers wird nämlich in der Praxis die Freistellung in der Regel ohnehin nicht realisiert.
(Abg. Christoph Bayer SPD: Man hätte einfach bei der alten Gesetzeslage bleiben sollen! Nichts zu tun wäre besser gewesen!)
Der vorliegende Gesetzentwurf ist natürlich eine Kompromisslösung, die versucht, den Interessen aller Betroffenen Rechnung zu tragen. Das heißt naturgemäß, dass keine Seite ihre Vorstellungen zu 100 % durchgesetzt hat. Das ist aber gerade das Wesen eines Kompromisses.
Einige Landesverbände hatten dafür plädiert, das Gesetz ganz abzuschaffen. Sie verwiesen auf die in Deutschland bestehende Anzahl der Urlaubs- und Feiertage. Andere Verbände haben sich eine großzügige Ausweitung der Freistellungsansprüche gewünscht. Forderungen, das Gesetz ganz abzuschaffen, haben wir als FDP/DVP-Fraktion natürlich abgelehnt.
Vielmehr haben wir die Absenkung des Mindestalters für eine Freistellungsberechtigung von 18 auf 16 Jahre unterstützt. Wir begrüßen und unterstützen, dass junge Menschen ehrenamtlich Verantwortung übernehmen.
Das Ehrenamt, das bereits in einem frühen Lebensalter ausgeübt wird, fördert die Bereitschaft, sich auch im weiteren Lebensverlauf für gemeinschaftsbezogene Belange einzusetzen. Dieses Signal wollten wir setzen. Durch die Absenkung des Mindestalters von 18 auf 16 Jahre wurden verstärkt Auszubildende in den Geltungsbereich des Gesetzes einbezogen. Daneben haben wir dafür plädiert, alle Maßnahmen zu vermeiden, die in der Wirtschaft zu einer abnehmenden Ausbildungsbereitschaft beitragen.
Wir haben den Anwendungsbereich des neuen Gesetzes im Bereich des Sports ausgeweitet. Damit reagieren wir auf den dringenden Handlungsbedarf bezüglich der wachsenden Bewegungsarmut und der motorischen Defizite im Alltag vieler Kinder.
Wir haben auch geregelt, dass der Freistellungsanspruch verweigert werden kann, wenn dringende dienstliche oder betriebliche Belange entgegenstehen. Das ist keine andere Behandlung als die bisher schon bestehende, was z. B. den Urlaubsanspruch angeht. Das ist nur eine rechtliche Wiederholung.
Ich denke, wir haben eine Kompromisslinie gefunden, die allen Belangen Rechnung trägt. Durch ein frühes Heranführen der Jugendlichen an die Ehrenarbeit können sie frühzeitig dafür begeistert werden, sich später auch gesellschaftlich einzubringen. Gleichzeitig halten wir die Belastung der Unternehmen so weit in Grenzen, dass wir den Aufschwung am Ausbildungsmarkt durch das Gesetz nicht belasten. Das war uns auch sehr wichtig.
Das vorliegende Gesetz bringt das Ehrenamt in der Jugendarbeit auf intelligente Weise voran. Daher stimmen wir dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zu.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der von der Landesregierung zur Stärkung des Ehrenamts vorgelegt wird, bedeutet eine wichtige Aktualisierung der bisher geltenden Rechtslage. Die guten Rahmenbedingungen für das Ehrenamt in Baden-Württemberg, die schon im derzeitigen Gesetz angelegt sind, werden weiter ausgebaut.
Jetzt gibt es in der Tat zu diesem Gesetzentwurf kontroverse Diskussionen. Das ist vielleicht ganz gut so, denn eine sinnvolle Diskussion um das bürgerschaftliche Engagement in unserem Land bringt uns sicher auch weiter. Aber bei aller Kritik, denke ich, wird verkannt, dass ein gutes Gesetz die ver
schiedenen Interessen abwägen und letztlich ein Kompromiss sein muss, der für alle Beteiligten auch sinnvoll und akzeptabel ist. Ein gutes Gesetz in diesem Sinne fördert die Kommunikation und das Miteinander der verschiedenen Interessengruppen zugunsten des angestrebten Ziels, und zwar in diesem Fall die Bereitschaft aller Beteiligten, sich ehrenamtlich in die Gemeinschaft einzubringen.
Ich möchte auf einige angesprochene Punkte dieses Interessenausgleichs, dieses Kompromisses eingehen, der nun in keiner Weise eine Rolle rückwärts, sondern eine Rolle vorwärts ist.
Zum Ersten: Wir haben den Anwendungsbereich der Freistellungsregelung auf unter 18-jährige Jugendliche erweitert. Herr Kollege Lehmann, das war ein Wunsch der Jugendverbände.
Das war nicht einfach ein von uns gesetztes Label. Das war der ausdrückliche Wunsch. Das ist keine Einschränkung, sondern wir erreichen damit, dass weitere 30 000 Jugendliche einen Anspruch auf Freistellung haben.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Schlichte Arithmetik! – Ge- genruf des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)
Diese jungen ehrenamtlich Tätigen sind den zu betreuenden Jugendlichen und Kindern auch sehr nah und finden bei ihnen große Akzeptanz – also Rolle vorwärts.
Zum Zweiten haben wir den Freistellungsanspruch auch auf Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Übungsleiter im Jugendbereich des Sports ausgedehnt. Auch dies ist ein echtes Mehr gegenüber der alten Gesetzeslage.
Zum Dritten: Die Begrenzung des Freistellungsanspruchs von vormals zwölf auf nunmehr zehn Tage ist kein Schritt zurück. Das ist kein echtes Minus. Nach wie vor kann der Arbeitnehmer zwei volle Arbeitswochen freigestellt werden. Das ist eine Anpassung an die Realität. Im Jahr 1953 – das habe ich schon bei der Einbringung dargelegt – hatten wir eine Sechstagewoche. Da haben wir noch ein bisschen mehr geschafft. Heute arbeiten wir grundsätzlich fünf Tage in der Woche.
Zum Vierten: Die Kompromisslösung enthält tatsächlich in einem Bereich eine mit Bedacht gewählte Einschränkung. Herr Bayer, das ist kein Täuschungsmanöver. Darüber reden wir ganz offen, weil das sehr gut überlegt ist.
In Anbetracht der Bedeutung der Berufsausbildung und der schwierigen Lage auf dem Ausbildungsmarkt hat sich die Landesregierung dazu entschlossen, die Freistellung bei Auszubildenden generell auf fünf Tage zu begrenzen. Für Auszubildende unter 18 Jahre ist das immer noch eine Verbesserung zum Status quo, denn bisher hatten diese gar keinen Anspruch auf Freistellung.
Für Auszubildende über 18 Jahre bedeutet die Regelung allerdings tatsächlich eine Verkürzung der Freistellungszeit, aber das nicht ohne Grund. Ich will das wiederholen; es ist schon gesagt worden: Wir dürfen nicht zulassen, dass Landesregelungen die Ausbildungsbereitschaft von Betrieben mindern. Das hat nichts mit einer Ökonomisierung unseres Lebens zu tun,
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Für junge Menschen! – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Aber der Sonderurlaub bringt das nicht! Das ist ja lächerlich!)
Ich bin davon überzeugt, dass die jungen Menschen, die jetzt zuhören, auch diesen Aspekt in ihrer Lebenswirklichkeit mit einbeziehen. Wir müssen einmal sehen, dass wir – das ist noch nicht so lange her; das machen wir noch immer – Klinken putzen, um Betriebe zu finden, die unseren jungen Leuten Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Wir haben noch 10 000 Altbewerber, die noch nicht versorgt sind. Ich denke, in diesem Interessenausgleich hat das nichts mit einer Ökonomisierung aller Lebensbereiche zu tun,
Ich sage einmal: Ich nehme es den Jugendverbänden nicht übel, wenn sie Brandbriefe schreiben. Ich nehme es auch den Herren Bischöfen nicht übel, wenn sie diese Brandbriefe aufgreifen und selbst auch Briefe schreiben. Aber ich würde es einer Regierung übel nehmen, wenn sie nicht einen fairen Ausgleich aller Interessen suchen würde, sondern nur die Verbandsinteressen im Auge hätte.
Jetzt möchte ich noch etwas bezüglich der Versagungsgründe für eine Freistellung klarstellen. Dazu liegen ja auch Anträge vor. Die Regelung, dass eine Freistellung vom Arbeitgeber nur wegen dringender betrieblicher oder dienstlicher Belange verweigert werden kann, darf nicht als Einschränkung der Arbeitnehmerrechte interpretiert werden. Sie ist das Gegenteil.
Frau Ministerin, sind Sie der Meinung, dass die katholischen Bischöfe unserer beiden Diözesen nur Verbandsinteressen im Kopf gehabt haben, als sie diese Briefe geschrieben haben? Das ist meine erste Frage.
Zweitens: Können Sie mir sagen, welchen Aspekt aus den vielfältigen schriftlichen Äußerungen Sie in Ihrer Gesetzesvorlage übernommen haben?