Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

Etwas zur Finanzierung zu sagen, spare ich mir jetzt, weil meine Redezeit zu Ende geht. Die Vorstellungen, die Sie dazu entwickeln, sind absurd und gehen zulasten des Regelunterrichts. Wenn ich mir das vorstelle: Sie wollen den Regelunterricht aus dem Ausland heraus finanzieren lassen – Regelunterricht in Baden-Württemberg! Es tut mir leid, ich bin der Meinung, dass Schule Sache des Landes ist, aber nicht Sache

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Der Konsulate, ge- nau!)

irgendwelcher anderer Nationen oder Regierungen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Noch etwas am Rande – als Stuttgarter Abgeordnete kann ich Ihnen das sagen –: In Stuttgart wohnen heute Menschen aus 170 oder 180 Nationen. Wie viele Muttersprachen das jetzt sind, weiß ich nicht genau – es werden ein paar weniger sein.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Hier steht: „bedarfs orientiert“! – Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

Muttersprachlicher Unterricht ist freiwillig; das darf man vielleicht auch noch einmal betonen. Wenn all diese Menschen muttersprachlichen Unterricht als Regelunterricht an der Schu

le haben wollten, dann hielte ich dies, mit Verlaub, für vermessen.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das hat auch niemand gefordert!)

Bei der Diskussion über den Sprachenunterricht an der Rheinschiene haben Sie uns immer eine Überforderung der Kinder vorgeworfen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Oh ja!)

Wenn Sie die Sprachvermittlung jetzt auf diese Weise regeln wollen, kann ich das nicht nachvollziehen und finde das nach wie vor inkonsequent. Das ist nicht der Weg, den die CDU beschreiten wird.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Kaufmann das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt einen Punkt, über den wir uns nicht streiten müssen: Schulkarrieren und Bildungschancen in Deutschland hängen davon ab, wie gut die deutsche Sprache beherrscht wird. Die deutsche Sprache hat Priorität Nummer 1.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP und Karl Zimmermann CDU)

Darüber gibt es keine Diskussion. Es ist aber ein großer Fehler, die Herkunftssprache und die deutsche Sprache gegeneinander auszuspielen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Das widerspricht auch den Erkenntnissen der Spracherwerbsforschung. Es wurde vorhin schon gesagt: Wir haben nicht das Problem, dass die jungen Leute zwei Sprachen beherrschen, sondern wir haben eher das Problem der doppelten Halbsprachigkeit, also dass sie keine Sprache richtig können.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Doppelhalb- sprachigkeit!)

Aber unser Gehirn ist durchaus in der Lage, mehrere Sprachen zu verkraften. Die nehmen einander keinen Platz weg.

(Beifall bei der SPD – Abg. Thomas Knapp SPD: Das kommt auf das Gehirn an!)

Der muttersprachliche Unterricht wurde vor 30 Jahren durch die entsprechende EU-Verordnung eingeführt. Das war damals als Rückkehrhilfe vorgesehen; das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen. Die damals zugrunde liegende Situation besteht heute nicht mehr.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So ist es!)

Heute hat dieser Unterricht eine ganz andere Funktion. Er hat die Funktion, die Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und die Mehrsprachigkeit zu unterstützen. Das ist

ein bildungspolitisches Ziel, dem Sie sich einfach auch stellen sollten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Ein Blick über unsere Landesgrenze zeigt: In Rheinland-Pfalz hat man das erkannt.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das ist das Gelobte Land der SPD! – Gegenruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Sie haben dort doch mitregiert!)

Dort hat man auch die Verwaltungsvorschrift für den Unterricht von Schülern mit Migrationshintergrund unlängst neu gefasst. Ich darf Ihnen einfach einmal die Kerninhalte zur Kenntnis geben:

Muttersprachlicher Zusatzunterricht ist eine Aufgabe des Lan des und unterliegt seiner Aufsicht und findet grundsätzlich an Schulen statt.

(Abg. Andrea Krueger CDU: An, nicht in!)

Lehrkräfte haben in der Regel einen Angestelltenvertrag mit dem Land, in wenigen Fällen gibt es Gestellungsverträge mit den Konsulaten. Alle Lehrer müssen die deutsche Sprache beherrschen. Kenntnisse in der Muttersprache werden im Zeugnis der Schüler bescheinigt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Aha!)

Für Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen gibt es bis Klasse 10 eine besondere Sprachförderung.

Meine Damen und Herren, wir sind bereit, auch einen solchen Weg zu gehen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das machen wir doch längst!)

Wir unterstützen auch das Anliegen, das in dem Antrag der Grünen zum Ausdruck kommt, schrittweise und bedarfsorientiert den muttersprachlichen Unterricht in das Regelangebot der Schule zu integrieren. Langfristig wird kein Weg daran vorbeiführen, ihn zu einem fakultativen Fremdsprachenangebot auszuweiten oder aufzuwerten. Er muss curricular abgestimmt werden, er muss unter staatlicher Aufsicht stehen, und er muss langfristig ein ganz normales Angebot für die Kinder werden, die mit einer anderen Herkunftssprache hier leben.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Franz Untersteller GRÜNE – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wie wol- len Sie mit 90 Sprachen zurechtkommen?)

Auch die Ganztagsschulen – darauf wurde vorhin hingewiesen – haben die Möglichkeit, das in ihr Angebot aufzunehmen. Es spricht auch nichts dagegen, Abschlussprüfungen mit Türkisch als Fremdsprache zu machen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Aha! Auch im Abi- tur?)

Auch im Abitur.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Dann sagen Sie das! Jawohl!)

Wenn jemand Deutsch, Englisch und Türkisch im Abitur hat, dann ist er nicht schlechter für ein Studium vorbereitet als andere. Das bitte ich Sie einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zim- mermann CDU: Jetzt kommt die Katze aus dem Sack! – Gegenruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Was ist daran schlecht?)

Wir haben vorhin schon auf die Diskussion über die Situation in Rastatt verwiesen. In Rastatt hat man in der Tat einen pädagogisch unverantwortlichen Beschluss gefasst. Politisch war er sowieso unverständlich. Aber jetzt kommt hinzu: Der Gemeinderatsbeschluss war auch rechtlich unzulässig. Ich habe aber den Hinweis der Landesregierung vermisst, dass dies rechtlich unzulässig ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Insofern war es durchaus kein Ruhmesblatt, dass Sie immer wieder darauf hingewiesen haben, es liege in der Freiwilligkeit des Schulträgers, ob er Schulräume zur Verfügung stellt oder nicht. Dem ist nicht so.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Dafür gibt es Gerichte, die darüber entscheiden!)

Schulträger dürfen die bildungspolitischen Zielsetzungen der Landesregierung nicht unterlaufen. Sie haben versäumt, darauf hinzuweisen.

(Beifall bei der SPD)