Protokoll der Sitzung vom 28.11.2007

Umweltministeriums – Nachhaltigkeitsstrategie des Landes – Drucksache 14/1859

Das Präsidium hat eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Raab.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Politik gibt es keinen Bereich, in dem Baden-Württemberg nicht mit Weitsicht und Entschlossenheit eigene Akzente setzt. Dies ist unerlässlich für den Erhalt unserer Spitzenposition auch und gerade in der Umweltpolitik.

Zum einen: Wenn wir unsere Vorstellung von guter gesellschaftlicher Ordnung und von sozialen und bürgerschaftlichen Werten ernst nehmen, wenn wir die erheblichen Herausforderungen, die von der demografischen Entwicklung ausgelöst werden, in den Fokus nehmen und wenn wir uns als Sachwalter der uns lediglich zum Gebrauch anvertrauten Umwelt sehen, dann ist es geradezu zwingend, den Nachhaltigkeitsgedanken im Land fest zu verwurzeln.

Dies ist klar erkennbar der rote Faden der äußerst erfolgreichen Umweltpolitik unseres Landes, deren Erfolg wir vor wenigen Wochen bei der Feier des 20-jährigen Bestehens des Umweltministeriums von allen Rednerinnen und Rednern bestätigt bekamen. Mit der ehemaligen Bundesumweltministerin Angela Merkel war die Crème de la Crème deutscher und internationaler Umweltpolitik und Umweltwissenschaft vertreten.

Nachhaltigkeit bedeutet, Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder und Enkel zu übernehmen und Ehrfurcht vor der Schöpfung zu zeigen.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Jawohl!)

Das ist ein deutlicher Ausdruck christlichen Handelns und damit ein außerhalb jeglicher Diskussion stehendes, zentrales Leitmotiv unserer Politik.

Daraus ergibt sich die Frage, welches Gewicht wir der Nachhaltigkeit in unserem Land geben. Nachhaltigkeit darf nicht allein der intellektuellen Debatte vorbehalten sein. Sie ist eine Grundentscheidung, die jede und jeden angeht.

Zum Zweiten ist Nachhaltigkeit zwar ein Begriff, den die Vereinten Nationen geprägt haben, doch unsere Politik ist seit Jahrzehnten vom Prinzip „Global denken – lokal handeln“ bestimmt. Das heißt: Nachhaltige Entwicklung hat immer etwas Konkretes und Lokales.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte es so sagen: Nachhaltigkeit ist badisch, ebenso württembergisch und hat auch eine hohenzollerische Facette.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der SPD – Zuruf von der SPD: Fehlen bloß noch die Kurpfäl- zer!)

Sie ist dann erfolgreich, wenn man uns und unser spezielles, ureigenes Markenzeichen erkennen kann.

Daraus folgt: Wir müssen unserer Strategie ein unverwechselbares Gesicht geben. Wir übernehmen nicht unreflektiert – das tun wir auch sonst nicht. Wir gehen auf die bestehenden Strukturen ein und entwickeln mit eigenen Gedanken das, was für uns und die, die nach uns kommen, das Richtige ist. Wir wollen ihnen mit hoher Verantwortung die bestmöglichen Grundlagen für ökonomisches, soziales und ökologisches Handeln

überlassen. Dies zwingt uns zu der Erkenntnis: Nachhaltigkeit ist ein konkreter Handlungsauftrag. Ich darf das an zwei Beispielen festmachen.

Die wirtschaftliche Stärke Baden-Württembergs ist zu einem erheblichen Teil dem Mittelstand zu verdanken. Viele Betriebe haben, unabhängig von ihrer Größe – das gilt auch für das Handwerk –, den betrieblichen Umweltschutz als Chance zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit erkannt und ihn sowohl aus Image- als auch aus Kostengründen in ihr Handeln, in ihre Produkte und Dienstleistungen eingebaut. Dabei kommt uns das herausragende Potenzial der Erfinder und Tüftler zugute, die innovativ und damit kostensparend umweltfreundliche Produkte auf den Markt bringen.

Immer mehr Nachwuchskräfte machen ihre Entscheidung, bei welchem Unternehmen sie arbeiten wollen, auch von der Umweltfreundlichkeit des Betriebs abhängig; denn darin sehen sie die Zukunftsfähigkeit ihres Arbeitsplatzes. Mitarbeiter wollen sich mit der Verhaltensweise ihres Unternehmens identifizieren – ein Faktor, den wir auf keinen Fall unterschätzen sollten, wenn wir qualifiziertes Personal im Land halten wollen.

Lassen Sie mich noch auf ein Thema zu sprechen kommen, das mir aus meiner früheren Tätigkeit als Bürgermeister besonders am Herzen liegt: Das ist der kommunale Umweltschutz. Auch für die Gemeinden gilt, was ich über die Unternehmen sagte: Beiträge zum Klimaschutz nutzen nicht nur der Umwelt, sie entlasten auch in finanzieller Hinsicht. Kommunen können wegen ihrer Aufgabenbreite und Bürgernähe wesentliche Akteure und Vorbilder gerade für das Handeln ihrer Bürgerinnen und Bürger sein. Dabei müssen die örtlichen Gegebenheiten betrachtet werden. So unterschiedlich die Regionen unseres Landes sind, so vielfältig sind die erfolgversprechenden Projekte, die landauf, landab anzutreffen sind. Jeder von uns könnte da einige Beispiele nennen. Es ist faszinierend, was die Kommunen im Einzelnen bereits realisiert haben. Unzählige Veröffentlichungen sind Katalog und Anregungsschatz zur Auseinandersetzung mit diesem Thema.

An dieser Stelle möchte ich auch den Teilnehmern an den Projektgruppen danken, die kurz nach dem Start der Nachhaltigkeitsstrategie damit begonnen haben, in fünf Themenfeldern konkrete Ergebnisse zu erarbeiten. Hier kommt qualifizierter Sachverstand der Verbände, der Wissenschaft, der Forschung, der Wirtschaft mit der hohen Kompetenz, die in unseren Ministerien vorhanden ist, insbesondere im Umweltministerium, zusammen. Ich verspreche mir greifbare, richtungweisende Ergebnisse, die uns unserem Ziel näherbringen werden. Eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie ist der Beitrag BadenWürttembergs, unserer nationalen und europäischen Verantwortung gerecht zu werden, wie dies in der Koalitionsvereinbarung für diese Legislaturperiode niedergelegt ist.

Die CDU-Landtagsfraktion ist davon überzeugt: Gerade im Zusammenwirken mit den Kommunen sind noch beachtliche Gestaltungsspielräume auszufüllen. Ich nenne auch den Flächenverbrauch, der nach wie vor noch viel zu groß ist. Wir müssen Strategien entwickeln, um dem oftmals zitierten Schlagwort „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ zu mehr Geltung zu verhelfen; ich verweise hierzu auf die Ausführungen, die mein Kollege Winfried Scheuermann an dieser Stelle unlängst gemacht hat. Daher sehen wir mit großer

Aufmerksamkeit den Ergebnissen des Aktionsbündnisses „Flächen gewinnen in Baden-Württemberg“ entgegen.

Mit der Verabschiedung unseres anerkannt richtungweisenden Erneuerbare-Wärme-Gesetzes haben wir die Regierung aufgefordert – und sie hat das entsprechend zugesagt –, bis zum Herbst 2008 eine Konzeption zum Einsatz erneuerbarer Ener gien bei den Landesliegenschaften vorzulegen. Dies ist ein konkretes Beispiel, wie ernst wir in unserem Land Strategien zur Nachhaltigkeit nehmen, und dafür, dass es sich lohnt, aktiv zu bleiben. Denn wir wollen Politik nicht mit Wort und Zunge theoretisch gestalten, sondern vielmehr mit der praktischen Tat –

(Beifall des Abg. Bernhard Schätzle CDU)

genau nach dem Motto, mit dem wir in diese Legislaturperiode gestartet sind: „In der Tat besser.“

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Dieter Ehret und Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Splett.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Nachhaltigkeit war ein großes Thema in der Regierungserklärung im Juni 2006. Die Nachhaltigkeitsstrategie wurde dort angekündigt, Zielsetzungen wurden genannt. Es war von den „drei E“ die Rede: Energieeinsparung, Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Beim Flächenverbrauch wurde das Ziel der Nettonull formuliert. Es war vom „Naturerlebnisland“ die Rede, und die Bedeutung der Umweltbildung wurde betont.

Die Ankündigung war gut, aber der grüne Lack ist inzwischen ab.

Die Idee, sich um Nachhaltigkeit zu bemühen, ist nun wahrlich nicht neu. Schon im Brundtland-Report von 1987 hieß es:

Die Welt muss bald Strategien entwerfen, die den Ländern erlauben, aus ihren gegenwärtigen, oft destruktiven Wachstums- und Entwicklungsprozessen zu nachhaltigen Entwicklungswegen überzuwechseln.

Das war vor 20 Jahren.

Die Bundesregierung hat 2002 eine Nachhaltigkeitsstrategie vorgelegt, und auch in Baden-Württemberg war man zugegebenermaßen nicht untätig, was Pläne, Dialoge und Beratungen angeht. 1996 startete der Umweltdialog, 2000 wurde der Umweltplan vorgelegt, 2002 wurde ein Nachhaltigkeitsbeirat eingerichtet.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Trotzdem gelang es Ihnen, Herr Ministerpräsident, die Idee einer Nachhaltigkeitsstrategie im letzten Jahr als etwas Neues zu verkaufen. Woran liegt das? Es liegt daran, dass die breite Öffentlichkeit von den Plänen und Konzepten des Umweltressorts praktisch keine Notiz genommen hat,

(Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

und dies wiederum liegt daran, dass diese Pläne und Konzepte folgenlos blieben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ein Klimaschutzkonzept hatten wir schon unter Umweltminister Schäfer, doch trotz vieler schöner Zielsetzungen sind die CO2-Emissionen seit dieser Zeit nicht gesunken, und von Nachhaltigkeit sind wir weiter entfernt denn je. Trotz unzähliger Sonntagsreden und auch der Rede, die wir gerade von Herrn Raab gehört haben,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Gute Rede!)

ist der Flächenverbrauch nicht gesunken. Auch weiterhin wird jede Sekunde ein Quadratmeter Boden der Siedlungs- und Verkehrsfläche zugeschlagen.

So ist die Lage, und in dieser Lage hat unser Ministerpräsident nun eine neue und großartige Nachhaltigkeitsstrategie angekündigt.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Die Auftaktveranstaltung hierzu hat im März dieses Jahres stattgefunden. Doch schon damals war dem, der genauer hingeschaut hat, klar, dass der Lack nicht mehr taufrisch war.

Der Nachhaltigkeitsstrategie fehlt eine klare Zielsetzung. Die Nachhaltigkeitsstrategie ist nicht klar mit den früheren Konzepten und Plänen, beispielsweise dem Umweltplan, verknüpft, und der Nachhaltigkeitsstrategie fehlt ein umfassender Ansatz.

Was hat man getan? Man hat fünf Themenfelder ausgerufen und hat Projekte ausgewählt, die eher zufällig zusammengewürfelt wurden. Das sind zum Teil Pflichtaufgaben des Lan des. Es sind Projekte, die es zuvor schon gab und die jetzt einen schönen Stempel, ein neues Etikett „Nachhaltigkeitsstrategie“ bekommen haben. Verändert hat sich dadurch bei den Projekten nichts, und verändert hat sich auch in der Landespolitik nichts. Es ist überhaupt nicht zu erkennen, dass die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung im Regierungshandeln angekommen ist.

Ich greife nur zwei Themenfelder heraus: Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität. Beim Klimaschutz ist zu befürchten, dass der Aufschwung die CO2-Emissionen in die Höhe treiben wird. Die Landesregierung hält den Bau neuer Kohlekraftwerke für notwendig, obwohl klar belegt ist, dass wir damit die Klimaschutzziele in Deutschland nicht erreichen werden.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Woher kommt denn das?)

Die Landesregierung blockiert den Ausbau der Windenergie weiterhin. Sie weigert sich, auch ganz einfache Maßnahmen umzusetzen, wie etwa, Ökostrom für ihre Landeseinrichtun gen zu bestellen.