Protokoll der Sitzung vom 29.11.2007

Ich nehme für unsere Lehrer und für mich selbst als Pädagoge in Anspruch – Entsprechendes traue ich auch Ihnen und anderen Kollegen hier im Saal zu –, dass es nicht immer ausgebildeter Sozialpädagogen bedarf, um diese Arbeit leisten zu können. Das ist eine Arbeit, die jeder Pädagoge leisten muss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen jetzt zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Gesetzentwurfs. Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Schulausschuss.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Sehr guter Vorschlag!)

Es ist so beschlossen.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 6 beendet.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 7:

Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales – Europäisches Arbeitsrecht – Drucksache 14/1233

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten, in der Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Bitte, Herr Abg. Theurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Vorhaben der Kommission mit ihrem Grünbuch war die Eindämmung der zunehmenden Verbreitung atypischer Arbeitsverhältnisse zugunsten von sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeitsplätzen. Außerdem sollte geprüft und eine öffentliche Debatte in der Europäischen Union eingeleitet werden, durch welche Maßnahmen im Arbeitsrecht positive Verbesserungen im Hinblick auf die Ziele der Lissabon-Strategie erreicht werden können. Die Lissabon-Strategie hat ja zum Ziel, dass Europa die dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsregion der Welt werden soll.

Dass hierzu das Arbeitsrecht einen Beitrag leisten kann, ist etwas, was im politischen Raum heftig diskutiert wird. Für uns hat sich die Frage gestellt: Muss dies auf europäischer Ebene geregelt werden? Ist dies wieder eine Sache, die wir harmonisieren müssen und bei der die EU Kompetenzen an sich zieht, oder sollten das die Mitgliedsstaaten in eigener Zuständigkeit regeln?

Wir wollten mit unserer Initiative – und unser Antrag war einer der ersten hierzu in einem Landesparlament in Deutschland – einen Beitrag dazu leisten, dass die Öffentlichkeit dafür sensibilisiert wird, dass die Europäische Union wieder einmal in die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten ein Stück weit eingreift und die Dinge auf die europäische Ebene zieht, während wir eher skeptisch und der Meinung waren, dies sollten die Mitgliedsstaaten in eigener Zuständigkeit regeln.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Darüber hinaus haben wir auch inhaltliche Beanstandungen. Die Hauptproblempunkte der Kommissionsplanungen sieht die FDP darin, dass nationale und regionale Besonderheiten außer Acht gelassen werden. Ein wesentliches Element dieses neudeutschen Begriffs „Flexicurity“ – Flexibilität gleich flexibility und Sicherheit gleich security sind da in einem Wort zusammengebaut worden – sind die Sozialversicherungssys teme. Diese unterscheiden sich innerhalb der EU jedoch erheblich, und vonseiten der FDP wird es klar abgelehnt, innerhalb der EU ein Einheitssozialsystem aufzubauen. Wir sind der Meinung, dass der Wettbewerb der Systeme in jedem Fall dem „Einheitsbrei“ überlegen ist. Von daher war die Warnfunktion gefragt, und ich glaube, es ist auch gelungen, durch die öffentliche Diskussion in Deutschland und in anderen Mitgliedsstaaten die EU von einem Gesetzgebungsvorhaben auf europäischer Ebene abzubringen.

Außerdem gab es einen Widerspruch zu Forderungen in anderen Bereichen, beispielsweise hinsichtlich der Vereinbarkeit. Hier wird immer wieder das Vorhandensein flexibler Arbeitsmodelle eingefordert, vor allem mehr Teilzeitangebote für Mütter, Väter und pflegende Familienangehörige. Außerdem stellt sich die Frage nach dem einheitlichen Arbeitneh merbegriff. Ein solcher ist bei so vielen Facetten schlechterdings nicht möglich. Außerdem war die Ausdehnung der Schutzvorschriften auf Selbstständige geplant. Diese Punkte wurden von fast allen Interessenvertretern, die im Zuge dieses Grünbuchs gehört wurden, gleichermaßen bemängelt. Auch wir haben genau diese Punkte in unserem Antrag aufgegriffen und sehen diese kritisch.

Die überdurchschnittlich große Beteiligung der potenziell Betroffenen – noch nie gab es eine so große Resonanz auf ein Grünbuch der Europäischen Union – und das vehemente Veto der Interessenverbände gegen die Pläne der Kommission haben nun etwas bewirkt, ganz im Sinne unserer FDP/DVPInitiative. Nach dem Ende der Konsultation im Oktober 2007 gab es die Mitteilung der Kommission, bestehende Arbeitsrechte in der EU könnten angewendet werden, bevor man dann neue einführen will.

Als nächstes Vorhaben ist auf europäischer Ebene ein Gesetz für Zeitarbeit geplant. Danach sollten Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer nach einer Zeit von höchstens sechs Wochen bei Entgelt und Sozialleistungen mit fest angestellten Beschäftigten gleichgestellt werden. Diese Frist ist aus Sicht der FDP deutlich zu kurz und nimmt den Unternehmen die nötige Flexibilität, die das Arbeitsrecht nicht gewährt. Hier kann man nur die Warnung der fünf Wirtschaftsweisen vor Einschränkungen bei der Zeitarbeit herausstellen und unterstreichen. Wir erweisen den Arbeitslosen einen Bärendienst, wenn wir die Möglichkeiten, sich wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern, beschränken.

Außerdem sind das Verfahren und das Ergebnis gute Beispiele dafür, dass mehr Transparenz auf der europäischen Gesetzgebungsebene zu mehr Beteiligung und zu Ergebnissen führt, die nicht von oben übergestülpt werden. Einmal mehr fordern wir deshalb als FDP/DVP-Landtagsfraktion mehr Transparenz in allen Bereichen der Politik, vor allem der EU-Politik. Man kann nur sagen: Es ist wichtig, frühzeitig auf die Gesetzgebungsvorhaben der EU einzuwirken und schon im Stadium des Grünbuchs, das ja nur ein Vorlauf zur europäischen Gesetzgebung ist, rechtzeitig die Warnfunktion zu übernehmen, um noch auf die Gesetzgebung auf europäischer Ebene Einfluss nehmen zu können.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Abschließend, meine Damen und Herren, möchten wir daran erinnern, dass das Arbeitsrecht in der Bundesrepublik dringend überprüft werden muss. Im Rahmen des Liberalen Rechtstags haben uns alle Experten bestätigt, dass das Arbeitsrecht insbesondere durch Richterrecht in der Bundesrepublik Deutschland heute im Sanierungsfall von Unternehmen ein Hemmnis zur Sanierung der Firma ist. Es ist also leichter, im Zuge einer Insolvenz alle Arbeitsplätze abzubauen, als durch eine Sanierung und eine Anpassung der Zahl der Arbeitnehmer nach unten das Unternehmen zu retten. Das darf nicht sein. Das ist eine Verkehrung des Arbeitsrechts in das Gegenteil dessen, was es eigentlich erreichen soll.

Deshalb fordern wir von dieser Stelle die Bundesregierung und den Bundestag noch einmal auf, eine entsprechende Änderung des deutschen Arbeitsrechts vorzunehmen. Dazu brauchen wir aber – das ist das Fazit für die FDP – keine europäische Ebene. Das kann in Deutschland selbst geregelt werden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abg. Wolf.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vereinheitlichung des Arbeitsrechts in Europa – diese Zielsetzung mag auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen. Eine differenzierte Bewertung ist gleichwohl geboten.

Das Grünbuch der Europäischen Kommission soll Erkenntnisse dazu liefern, ob überhaupt ein Bedürfnis für eine einheitliche Regelung besteht. Eine Rechtsetzung durch das Grünbuch selbst findet nicht statt, und das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Um es gleich an den Anfang zu stellen: Wir begrüßen alles – gegebenenfalls auch unter dem Gesichtspunkt europaweiter Vereinheitlichung –, was der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen im Sinne eines nachhaltigen Wachstums dient.

Um aber auch das deutlich zu sagen: Wir lehnen es ab, uns eine zusätzliche Bürokratisierung des Arbeitsrechts von der europäischen Ebene diktieren zu lassen. Wir brauchen im Arbeitsrecht nicht mehr Regulierung, sondern weniger. Für uns, meine Damen und Herren, haben nationale Kompetenzen ein

deutig Vorrang. Wir legen Wert auf die Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Das hat auch seinen Grund.

Arbeitslosigkeit, Beschäftigungsstrukturen, Arbeitsbedingun gen, Arbeitsqualität: All dies sind völlig unterschiedliche Problemstellungen auf den einzelnen nationalen Arbeitsmärkten. Genau diese Erkenntnis setzt flexible Lösungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten voraus.

Die Sorge, meine Damen und Herren, dass von Europa unnötige Reglementierungen drohen, ist nicht unbegründet, wenn man in den Details des Grünbuchs nachliest. Flexible Beschäftigungsfirmen werden da eher in einen negativen Zusammenhang gestellt. So wird überhaupt nicht gewürdigt, dass gerade diese flexiblen Beschäftigungsformen Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Europa entgegenkommen. Ich denke etwa an die Teilzeitbeschäftigung, die gerade auch im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unabdingbar erscheint. Ich denke an befristete Arbeitsverhältnisse, die einen sukzessiven Einstieg in die Vollerwerbstätigkeit ermöglichen.

Keine Frage, meine Damen und Herren: Im Mittelpunkt müssen die regulären Arbeitsverhältnisse stehen. Aber auch neue Beschäftigungsformen sind als flexible Reaktion auf veränderte Umstände notwendig.

Was also kann Europa dazu beitragen, dass der Arbeitsmarkt nachhaltig gestärkt wird? Der europäischen Ebene muss es vorrangig darum gehen, meine Damen und Herren, sich mit den Auswirkungen der Globalisierung auseinanderzusetzen, das heißt, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf einem globalisierten Markt zu sichern. Diese Herausforderungen, aber auch die sich daraus ergebenden Chancen sind groß genug.

Wir sind nicht gegen den Ansatz einer europäischen Harmonisierung, aber wir lehnen jegliche weiteren bürokratischen Hemmnisse, die uns von Europa aufoktroyiert werden, ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Hausmann für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Herr Wolf liefert mir die Vorlagen für den Einstieg. Ich möchte zwei Vorlagen aufnehmen.

Die erste Vorlage war die Aussage von Herrn Wolf, die regelmäßigen Arbeitsverhältnisse müssten im Vordergrund stehen. Darauf will ich im Laufe meines Beitrags noch zurückkommen.

Zweitens hat Herr Wolf darauf hingewiesen, dass sich Europa zum Ziel gesetzt hat, die wettbewerbsfähigste Region zu sein. Sie hat sich aber auch zum Ziel gesetzt, Herr Wolf, mehr und bessere Arbeitsplätze zu schaffen. Genau dies ist im Gleichklang formuliert. In dem Begriff „Flexicurity“ kommt ja auch schon ein Stück weit zum Ausdruck, dass es auf der einen Seite um Flexibilität, auf der anderen Seite aber im glei

chen Zug auch immer um die Sicherheit des Arbeitsplatzes geht. Das möchte ich vorausschicken. Das wäre eine Gemeinsamkeit, die man feststellen könnte, wenn es denn so umgesetzt würde.

Die Zielsetzung aller europäischen Förderungen, die wir im Zuge der ESF-Förderung erleben, heißt immer Vollbeschäftigung, Produktivität, sozialer Zusammenhalt. Das hat ja ganz viel Ähnlichkeit, weil es von der Strategie „Mehr und bessere Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit“ abgeleitet ist. Aber genau hierzu wird in der Stellungnahme der Landesregierung kritisiert, das Grünbuch würde zu negativ über flexible Arbeitsverhältnisse urteilen. Jetzt sage ich Ihnen einmal, was in dem Grünbuch drinsteht.

In dem Grünbuch steht, dass derzeit 40 % aller Arbeitsverhältnisse nicht standardisierte Arbeitsverträge zur Grundlage haben. Da stecken Dinge drin wie befristete Arbeitsverträge – diese sind nicht von vornherein alle abzulehnen –, da steckt drin, dass 10 % aller Beschäftigten Alleinselbstständige sind – ohne zusätzliche Beschäftigte; das ist teilweise gut, aber teilweise beinhaltet das eine riesige Grauzone derjenigen, die auf der einen Seite kein ordentliches Arbeitsverhältnis haben, auf der anderen Seite aber auch nicht ordentlich selbstständig sind –, da steckt illegale Beschäftigung drin, da steckt Scheinselbstständigkeit drin – das wurde bereits benannt –, da stecken Abrufverträge drin, und da steckt Leiharbeit drin.

40 % aller Arbeitsverhältnisse sind derzeit nicht standardisiert. Herr Wolf, wenn Sie es ernst meinen – das will ich unterstellen; ich glaube, das ist unsere gemeinsame Basis –, dann müssen wir wirklich darüber diskutieren, wie wir es schaffen, dass dieser Anteil von 40 % nicht auf 50 % oder 60 % ansteigt, sondern, wenn überhaupt, eingedämmt wird.

Wenn wir auf der einen Seite über Flexibilisierung reden, dann müssen wir auf der anderen Seite aber auch über Sicherheit reden. In der Stellungnahme der Landesregierung hätte eigentlich drinstehen müssen, wie die Landesregierung mit diesen ungesicherten Arbeitsverhältnissen umgeht, die mit „Flexicurity“ nicht gemeint sind. Leider fehlt dies in der Stellungnahme, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Zum zweiten Teil, den ich ansprechen möchte: Bei der Förderung hier in Baden-Württemberg, vor allem im Wirtschaftsbereich, ist erklärtermaßen die gemeinsame Zielsetzung die Förderung der Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und Beschäftigten. Was ist denn da anzupassen? Wir wissen, dass wir in Baden-Württemberg – da muss man genau draufgucken – ein Problem mit langzeitarbeitslosen Älteren und ein Problem mit langzeitarbeitslosen Jugendlichen – das sprach übrigens auch der für die ESF-Förderung zuständige Generaldirektor der Europäischen Kommission vor zwei, drei Tagen auf einem Kongress als Schwachstelle in Baden-Württemberg an – haben. Weitere Themen betreffen den Übergang von der Familie in den Beruf, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Existenzgründung, Unternehmensnachfolge, Bildungsausfallzeiten, lebenslanges Lernen, Pflegeausfallzeiten. Das alles erfordert flexible Regelungen im Sinne der Beschäftigten, im Sinne der Unternehmen und im Sinne einer nachhaltigen Beschäftigungsstrategie, die ja mittel- und langfristig mit dazu dienen soll, qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen. Auf all das gibt es in der Stellungnahme der Landesregierung leider überhaupt keine Antwort.

In der Stellungnahme ist eine kleine Analyse enthalten, die feststellt: In den 40 % nicht standardisierten Arbeitsverträgen sind die Frauen dramatisch überproportional vertreten. Als Auswirkung wird die Nichtkompatibilität von Beruf und Familie beschrieben, das Bild, dass junge Frauen gar nicht mehr aus der Familie in den Beruf wollen oder dass sie sagen: „Ich möchte erst dann ein Kind haben, wenn die berufliche Laufbahn abgesichert ist.“ Das wird in der Analyse in der Stellungnahme sauber entwickelt. In der Folge wird aber nur kritisiert, dass die Flexibilisierungsregelungen im Grünbuch zum Arbeitsrecht zu kritisch betrachtet würden, es werden jedoch keine eigenständigen Antworten geliefert.

Wir haben es mit dem demografischen Wandel zu tun. Das wissen alle. Das ist inzwischen eine Binsenweisheit. Wir brauchen mittel- und langfristig mehr qualifizierte Arbeitskräfte. Die kriegen wir nicht in den arbeitsrechtlichen Grauzonen. Die kriegen wir nur dann, wenn wir ordentliche Arbeitsverhältnisse auf den Weg bringen, wo die Menschen für sich entsprechende Chancen entdecken können.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Ich glaube, statt darüber zu lamentieren, was die EU alles nicht machen soll – sie hat ja gar keine Rechtsetzung betrieben, das haben Sie richtig dargestellt –, wäre es doch sinnvoll, wenn aus dem Land Baden-Württemberg entsprechende Impulse kämen.