Protokoll der Sitzung vom 19.12.2007

Was der Minister sagt, ist ja völlig richtig. Aber wo sind denn die Einsparprogramme? Wo sind beispielsweise die Program me, die kleine und mittelständische Unternehmen darin unterstützen, in Baden-Württemberg stromsparende Technologien einzusetzen?

Wenn Sie in den Bericht hineinschauen, können Sie feststellen: Wenn man den Stromverbrauch von 1989 wiederum auf 100 % setzt, dann lag der Stromverbrauch im Jahr 2004 um 35 Prozentpunkte darüber. Diese Strommenge muss aber erst einmal erzeugt werden. Verstehen Sie, in diesem Punkt haben Sie eine absolut offene Flanke. Was das Thema Energieeinsparung betrifft, passiert in diesem Land bisher einfach zu wenig.

Stichwort „effiziente Energieerzeugung“: Ich finde, Sie müssen die Kernenergiedebatte auch einmal von einer anderen Seite betrachten. Das Problem, vor dem wir in Deutschland insgesamt stehen, lautet doch: Wir haben Energieerzeugungsstrukturen, die zum Großteil auf Kraftwerken aufbauen – sowohl atomaren wie konventionellen –, die einen Wirkungsgrad von plus/minus 35 % haben. Über 1 % mehr lasse ich mit mir handeln.

(Heiterkeit der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Das heißt, 65 % der Energie werden an die Abluft oder ins Kühlwasser abgegeben. Ich sage Ihnen: Wenn wir in Sachen Klimaschutz weiterkommen wollen, wird es darum gehen, mehr Effizienz in die Energieerzeugung zu bringen. Es kann nicht darum gehen, Kraftwerksstrukturen, die einen Wirkungsgrad von 35 % haben – und das betrifft nun einmal auch Kernkraftwerke –, zehn weitere Jahre aufrechtzuerhalten. Wozu führt das?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ein Windrad hat 8 % Wirkungsgrad! – Gegenruf des Abg. Thomas Knapp SPD: Wo bringen Sie 8 % her? 50 % hat eine Wind- kraftanlage! – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Sie müssen doch einmal sehen, dass Sie in diesen alten Anlagen – konventionell oder atomar – Stromgestehungskosten in einer Größenordnung von einem bis eineinhalb Cent pro Kilowattstunde haben. Wie wollen Sie denn heute neue Akteure dazu bringen, dass sie an den Markt gehen und Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung bauen, die wir für den Klimaschutz brauchen, die aber, was die Stromgestehungskosten betrifft, mit alten, abgeschriebenen Anlagen nicht mithalten können?

Wer eine solche Forderung erhebt, abgeschriebene Kraftwerke auf Jahre hinaus weiter am Netz zu halten, der behindert den Umstieg auf effiziente Technologien im Bereich der Energiewirtschaft.

(Beifall bei den Grünen)

Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt ansprechen: erneuerbare Energien. Sie hinken hier sowohl in Bezug auf die aktuelle Entwicklung als auch bei der Zielsetzung dem Bund hinterher und hinken auch vielen anderen Bundesländern hinterher. Die 20 %, die Sie als Ziel bis 2020 ausgeben – was ist denn daran anspruchsvoll? Der Bund hat das Ziel „30 % bis 2020“ ausgegeben.

Nehmen Sie nur einmal das Beispiel Windenergie.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ja!)

Zitat des Ministers:

Mein Ziel ist es, den Anteil der Windkraft an der Stromerzeugung von knapp 0,5 % bis zum Jahr 2020 auf 1,5 % zu verdreifachen.

Herzlichen Glückwunsch, kann ich da nur sagen. Das Nachbarland Rheinland-Pfalz ist bereits heute bei 7,5 %, sprich dem 15-Fachen

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Oh du schöner Wes terwald! – Heiterkeit)

dessen, was wir hier im Land zur Verfügung haben. Deshalb sage ich Ihnen: Sie haben sowohl bei der Energieeinsparung als auch bei der Effizienz sowie den erneuerbaren Energien eine offene Flanke, und ich kann Ihnen nur raten, im nächsten Jahr in diesem Bereich mehr zu tun.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau!)

Ich wünsche Ihnen allen schöne Weihnachtsfeiertage und für den Jahreswechsel einen guten Rutsch.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ebenfalls! Ihnen auch! Danke schön!)

Ich erteile das Wort Herrn Abg. Dr. Rülke für die Fraktion der FDP/DVP.

(Unruhe)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, von der generellen Zielsetzung her unterscheiden wir uns gar nicht so sehr voneinander.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir haben uns alle schon „schöne Weihnachten“ gewünscht!)

Wir wollen den Energiebedarf für Baden-Württemberg auch in Zukunft decken können, wir wollen das zu bezahlbaren Preisen tun, und wir wollen die Klimaschutzziele erreichen.

(Beifall des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Worin wir uns unterscheiden, ist die Frage: Was sind realistische Ziele? Herr Untersteller, Sie orientieren sich am Bund.

Der Bund erklärt, bis zum Jahr 2020 seien 30 % erneuerbare Energien realistisch. Da sage ich Ihnen: Die Große Koalition und auch alle anderen Regierungen, die möglicherweise 2009 und später gewählt werden, werden feststellen, dass diese Zielsetzung eben nicht realistisch ist. Wir könnten uns ja hier in Baden-Württemberg auch hinstellen und erklären: Jawohl, 2020 wollen wir 30 % erreichen. Wir könnten uns hier auf die Schultern klopfen und sagen: Was sind wir doch für tolle Hechte!

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das ist ja lächer- lich!)

Irgendwann müssten wir dann erklären: „Oh, wir stellen fest, dass wir das nicht schaffen.“ Denn man muss sich ja genau anschauen, welche Möglichkeiten es zur Erreichung dieses Zieles gibt. Sie haben die Windenergie herausgegriffen. Da liegen wir bei knapp einem halben Prozent. Das ist richtig. Ich stelle Ihnen die Frage: Um welchen Faktor müssten wir denn den Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung steigern, um im Jahr 2020 einen Anteil von 30 % zu erreichen? Da müssten wir ja das halbe Land verspargeln.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Quatsch! – Unru- he bei der SPD)

So etwas schlagen nicht einmal die Grünen vor.

Welche weiteren Alternativen haben wir? Bei der Wasserkraft liegen wir bei einem Anteil von knapp 6 %.

(Zurufe der Abg. Thomas Knapp SPD und Franz Un- tersteller GRÜNE)

Bis auf wenige Möglichkeiten, die die Kleine Wasserkraft noch bietet, wird es überhaupt nicht möglich sein, zu einer weiteren deutlichen Steigerung zu kommen. Die Wasserkraft ist im Wesentlichen ausgeschöpft.

(Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)

Bleiben Solar- und Geothermie. Das sind relativ unsichere Technologien, deren Entwicklung nur sehr schwer abschätzbar ist und bei denen wir nicht seriös sagen können: Wir steigern diesen Anteil ganz erheblich.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Die Geothermie nicht erhöhen!)

Das sind in der Summe nämlich nicht einmal 0,5 % der Strom erzeugung.

Worin wir große Chancen sehen – das ist richtig –, ist die Bio energie.

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Langsam! Da ist gerade erst eine Anlage explodiert!)

Da liegen wir im Moment bei 1 %. Wenn es gut läuft, werden wir dies in einem waldreichen Land wie Baden-Württemberg mit vielen landwirtschaftlichen Reststoffen um den Faktor 8 bis 10 steigern können und – wenn es ganz gut läuft – bei der Bioenergie einen Anteil von 10 % an der Stromerzeugung erreichen.

(Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)

Das sind realistische Zahlen. Herr Untersteller, das sind keine Zahlen aus einem grünen Wolkenkuckucksheim, sondern das sind realistische Zahlen. Da kommen Sie nicht auf die von Ihnen genannten 30 %. Wir müssen realistischerweise vielmehr froh sein, wenn wir im Jahr 2020 einen Anteil von 20 % erreichen.

(Unruhe)

Dann müssen wir uns die Frage stellen: Wo kommen die übrigen 80 % her? Ihre rot-grüne Politik hat nämlich dazu geführt, dass wir den CO2-Ausstoß mit der damit verbundenen Belastung des Klimas in Baden-Württemberg nicht reduzieren, sondern steigern.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir waren schon einmal bei nur noch 35 % fossilen Energieträgern in Baden-Württemberg. Jetzt sind wir wieder bei 40 %, weil Sie erzwungen haben, dass Kernkraftwerke, die noch lange laufen könnten, abgeschaltet werden.

Ich stelle Ihnen die Frage: Was passiert, wenn wir im Jahr 2020 auf die 50 %, die die Kernenergie an der Stromerzeugung in Baden-Württemberg ausmacht, einfach verzichten? Dann haben wir nämlich 20 % erneuerbare Energien, und dann brauchen wir 80 % aus Kohlekraftwerken. So wollen Sie die Klimaschutzziele erreichen?

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Sie sehen Baden- Württemberg als einen eigenen Markt! Das ist doch lächerlich!)

Das ist die rot-grüne Lebenslüge, und es ist vor allem die grüne Lebenslüge,