Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

Nur dort, wo in den höheren Klassen Eltern ihren Kindern nicht mehr helfen können, z. B. in Mathematik, schickt man dann die Kinder in den Nachhilfeunterricht und bezahlt hierfür. Das ist die soziale Realität.

Wenn Sie hier mit Formulierungen operieren wie „Kinder in die Schule einsperren“ – das haben Sie im Zusammenhang mit der Ganztagsschule wörtlich gesagt –,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

dann müssen natürlich schon noch einige Betonmauern bei Ihnen geknackt werden, Herr Kultusminister Rau.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Herr Röhm gehört als Rektor abgelöst, wenn er so einen Schwachsinn er- zählt! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Halten Sie es für sinnvoll, dass Kinder jeden Tag bis um fünf in der Schule sind?)

Ich meine, wenn man Kinder verstaatlicht, dann tut man es auch mit denen, die man in wenige Gesamtschulen schickt. Das dürften Sie dann auch nicht machen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich sprach vom Gymnasium! Ich sprach ausschließlich vom Gymna- sium!)

Das ist doch unglaublich und entspricht überhaupt nicht der sozialen Realität. Nein, es ist genau umgekehrt. Sie haben nicht den Mut, Schule ein Stück weit zu entstaatlichen und diejenigen, die Schule machen – das sind immer noch engagierte Kollegien, Schulleiter und die Elternschaft in Zusammenarbeit mit den Kommunen, die sich da engagieren –, einmal etwas loszulassen und die Leute vor Ort, die neue Schulen machen wollen, diese Schulen machen zu lassen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Wolfgang Stai- ger SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Doch! Das dürfen sie doch!)

Das war doch die Botschaft der heutigen Debatte. Die Botschaft der heutigen Debatte von uns – vom Kollegen Schmiedel und von mir – war ja nicht: Ihr müsst jetzt holterdiepolter vom dreigliedrigen Schulsystem zum integrativen Schulsys tem übergehen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Doch, ein bisschen schon! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es geht nur um die gebundene Form der Ganztagsschule am Gym nasium! Um die geht es! – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Das war überhaupt nicht die Botschaft. Wir wissen ja, dass wir in der Opposition sind und nicht regieren. Es geht darum, dass Sie endlich aufmachen. Sie haben überhaupt nicht begründen können, warum Sie zumachen, warum Sie engagierten Kräften vor Ort – ich sage immer: Schulträger, Kollegien, Schulleiter, Elternschaft –, die andere Schulen wollen, nicht sagen: „Prima, macht diese Schulen. Das könnt ihr machen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das machen wir doch jetzt!)

Ihr habt von unserer Seite die Freiräume dafür.“

Es geht darum, Menschen, die engagiert und vor Ort kreativ sind – wenn Schulschließungen drohen, dann werden Menschen kreativ –, in einer verantwortlichen Freiheit Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort zu geben. Das ist das, was wir heute gefordert haben, und erst einmal gar nichts mehr.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Dürfen sie doch! In der offenen Form! Die offene Form können sie ausgestalten, wie sie wollen! – Zuruf des Abg. Wolf- gang Drexler SPD)

Sie sollen endlich einmal ein Stück aufmachen. Dann sieht man, wie sich diese Schulformen in der Praxis bewähren.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Dann kann man daraus seine Konsequenzen ziehen. Sie können sie dann ziehen, und wir können sie auch ziehen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die offene Form ist doch jederzeit möglich!)

Darum geht es. Das haben Sie überhaupt nicht begründet. Eigentlich haben Sie auf den Kern unserer Forderungen überhaupt nicht reagiert.

Nun haben Sie auf der „didacta“ Ihr Minireförmchen vorgetragen. Das ist schon so ein gestelztes Wort, Herr Kultusminister: „teilintegrativer Unterricht“.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Das klingt so, als ob das Burgfräulein eine Nacktschnecke anfassen muss.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das ist doch wirklich grausam. Da merkt man doch schon: Da fehlt jeder Mut und ein Vorangehen, zu sagen: „Ja, macht das. Das ist in Ordnung. Probiert jetzt einmal etwas anderes aus.“ Da fällt man nicht ins kalte Wasser; denn das wird in der ganzen Welt um uns herum schon erfolgreich gemacht. Haben Sie jetzt einmal ein bisschen Mut und machen Sie auf! Mehr verlangen wir heute noch nicht. Wenn wir an die Regierung kommen, machen wir es anders. Aber öffnet euch jetzt einfach einmal und gebt denen aus eurem Lager einmal eine Chance – euren CDU-Bürgermeistern vor Ort, die das wollen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die offene Ganz- tagsschule! Jawohl! Offene Ganztagsschule für die, die das wollen!)

Das war die Botschaft der heutigen Debatte. Sie ist leider wieder nicht bei Ihnen angekommen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Mentrup das Wort.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Die wissen gar nicht, wer redet!)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gern auf Sie eingehen, Herr Röhm, weil ich denke, dass Ihr Beitrag zwei Punkte noch einmal ganz deutlich gemacht hat.

Der eine Punkt ist, dass Sie die Welt offensichtlich so wahrnehmen, dass es auf der einen Seite die Schülerinnen und Schüler gibt, die jeden Tag völlig freiwillig in Ihr Gymnasium kommen und begeistert ihren Unterricht absolvieren.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Ein guter Rektor!)

Wenn wir andererseits darüber diskutieren, den Gymnasien, die mit dem G 8 nicht anders klarkommen, ein Ganztagsschulangebot zu präsentieren, das diesen Namen auch verdient, dann sprechen Sie von Verstaatlichung und eingesperrten Kindern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU: Nein! So geht es nicht! Das habe ich nicht gesagt! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Diese Aufteilung, Herr Röhm, ist völlig unsachlich.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das habe ich nicht gesagt! – Gegenrufe von der SPD – Unruhe)

Doch, Sie haben „einsperren“ gesagt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Das sage ich richtig! Das habe ich gesagt! Aber von der offenen Ganztagsschule habe ich gesprochen! Ich lasse mich doch hier nicht falsch interpretieren! – Gegenruf des Abg. Norbert Zeller SPD: „Einsperren“ waren Ihre Worte! Seit wann werden die Kinder in der Schule eingesperrt? Das ist unglaublich!)

Sie glauben daran, dass schon jetzt alle Kinder immer freiwillig in die Schule kommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es kommen viele freiwillig, in der Tat!)

Sonst würden Sie eine verpflichtende Ganztagsbetreuung ja nicht als „einsperren“ und Unfreiwilligkeit definieren. Das zeigt eine unterschiedliche Sichtweise und auch eine Zuspitzung, Herr Röhm, die ich sehr schade finde.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Eine gebundene Form, Kollege Mentrup! – Abg. Norbert Zeller SPD: Jetzt hat er die Maske heruntergelassen!)

Der zweite Punkt, wo Ihr Denken deutlich wird, war Ihr Eingangsbeispiel. Das war auch entlarvend. Es ist wunderbar, wenn Sie eine Asylanten- oder Asylbewerberfamilie haben, die so um den Bildungserfolg ihrer Kinder kämpft, dass die bei Ihnen auf die Schule kommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Chancen! – Ge- genruf des Abg. Norbert Zeller SPD: Aber viele kämpfen gar nicht!)

Ja, aber darum geht es doch gerade. Sie haben dann gesagt, da, wo die Eltern mitmachen, geht es doch.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Uns geht es aber auch um die Kinder, deren Eltern nicht mitmachen; sonst werden wir die Aufteilung, die uns PISA bescheinigt, nie überwinden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Deswegen verdie- nen die die Ganztagsschule! Völlig richtig!)

Was soll denn dann dieses Beispiel hier?