Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

Zudem: Die Gretchenfrage in finanzieller Hinsicht ist: Wie hoch soll künftig bei investiven Maßnahmen der Universitätsklinika der geplante Eigenanteil sein? Je nachdem, wie hoch man diese Quote ansetzt, kann es da an die Substanz gehen.

Zu all diesen Fragen findet man in der Stellungnahme der Landesregierung nichts. Ich würde mir erhoffen, dass wir heute

hierzu Neues und Konkretes erfahren. Das würde uns in der parlamentarischen Debatte weiterhelfen, würde aber sicher auch den betroffenen Universitätsklinika selbst weiterhelfen, damit sie besser planen können.

In der Tat – da muss ich dem Kollegen Schüle recht geben –: Ich finde, man kann keine vernünftige Debatte über Hochschulmedizin und Universitätsklinika führen, wenn man nur darüber redet, wie viel Geld sie bekommen und ob sie mehr Geld brauchen oder ob sie zu wenig Geld haben. Ich glaube, dies ist zu kurz gesprungen.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Sehr gut!)

Die Debatte um Hochschulmedizin dreht sich vielmehr im Kern um die Frage: Wie handlungsfähig sind unsere Universitätsklinika? Welche Entscheidungsfreiheiten und -möglichkeiten haben sie, und wie wird Verantwortung wahrgenommen? Eine Universitätsklinik ist eine gemeinwohlorientierte „Veranstaltung“. Wie wird die Freiheit von Forschung und Lehre gewährleistet? Wie kann man unternehmerische Freiheit mit der notwendigen Kontrolle und Transparenz verbinden?

All das sind im Kern die Fragen, um die es wirklich geht. Es handelt sich hier um eine Großbaustelle, die im Land zu bearbeiten ist. Dazu ist ja Großes angekündigt worden – insbesondere die FDP war wieder einmal sehr schnell dabei mit dem Thema Privatisierung –, aber jetzt hört man davon nichts mehr. Es sollte, glaube ich, schon in diesem Jahr ein neues Universitätsklinikagesetz vorliegen. Es liegt aber nicht vor. Man weiß auch nicht genau, wann es kommt. Man weiß nicht genau, ob es überhaupt kommt oder ob man eine ganz andere Regelung findet.

Ich habe viel Verständnis dafür, dass man da nicht „fix, fix“ machen kann. Ich habe viel Verständnis dafür, dass man sehr gründlich nachdenken muss, weil es um weitreichende Entscheidungen geht. Aber ich möchte Sie von der Landesregierung doch auffordern, wenn Sie sich so viel Zeit mit dem Nachdenken über diese Fragen lassen: Lassen Sie dann auch dem Parlament und der Öffentlichkeit die entsprechende Zeit, Ihre Vorschläge und Ihre Vorgehensweise zu diskutieren und zu bewerten.

Kollege Pfisterer, Sie haben der Kollegin Haller-Haid vorgeworfen, sie würde hier Ängste schüren.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! – Abg. Wer ner Pfisterer CDU: Mit Recht!)

Man kann Ängsten, die womöglich im Raum stehen, auch dadurch begegnen, indem man sich selbst positioniert und sagt, wohin die Reise gehen soll. Dann entzieht man nämlich auch Spekulationen den Raum und den Boden. Da sind Sie jetzt gefragt, Ihren Weg einmal zu beschreiben. Auch wenn es ein diskursives Vorgehen ist, auch wenn Sie noch nicht komplett festgelegt sind, ist es doch ein lohnenswertes Unterfangen, darüber zu reden, wie eine zukunftsfähige Aufstellung der Universitätsklinika aussehen soll.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Unsere Gesprächspart- ner haben keine Angst!)

Wir haben in Heidelberg gerade ein aktuelles Beispiel erlebt, das belegt, wie kompliziert diese Fragestellung ist. Das, was

in Heidelberg in der Stiftung Orthopädie passiert ist, das Missmanagement, das es da gegeben hat, das verschleuderte Geld, aber auch die Vetterleswirtschaft, die da auf der Führungs ebene eingerissen ist, das kriminelle Verhalten, das jetzt auch von der Staatsanwaltschaft untersucht wird, wirft doch die Fragen auf: Wie muss ein solches Klinikum organisiert sein? Wie muss ein Aufsichtsrat arbeiten, der seine Kontrollpflicht wahrnimmt? Welche Prüf- und Kontrollrechte muss künftig der Rechnungshof haben? Denn man muss ja sagen: In diesem Fall war es nur der Rechnungshof, durch den es gelungen ist, die Missstände überhaupt ans Tageslicht zu bringen.

Deshalb bitte ich Sie, erstens die notwendige Gründlichkeit walten zu lassen, aber zweitens sich beizeiten auch der öffentlichen Debatte zu stellen, damit wir miteinander über den bes ten Weg in die Zukunft reden können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bachmann für die Fraktion der FDP/DVP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Universitätskli nika in Baden-Württemberg sind hervorragend aufgestellt.

(Abg. Dieter Ehret FDP/DVP: Sehr richtig!)

Sie sind in der medizinischen Forschung und in vielen Bereichen ganz an der Spitze. Ich will Ihnen nur drei Beispiele nennen.

Heute veröffentlichen Freiburger Mediziner im Journal der American Medical Association, dass das Krebsmedikament auf der Basis von EPOs die Lebensdauer von Krebspatienten verkürzt. Gestern meldete die Universität Tübingen – Frau Haller-Haid, die müssen gut sein –, dass dort die weltweit ers te Harnblasenerweiterung in Kombination mit einer Nierentransplantation bei einem Säugling durchgeführt wurde. Und die Heidelberger Mediziner, liebe Kollegin Bauer, haben gemeinsam mit Kollegen aus anderen Fakultäten eine internationale Graduiertenschule für Molekularbiologie gegründet,

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Super!)

die in der Exzellenzinitiative ausgezeichnet wurde. – Drei Beispiele von sehr vielen.

Diese Spitzenstellung kommt den Patienten in Baden-Würt temberg zugute. Wir sind stolz und dankbar, dass den Menschen in unserem Land Einrichtungen von dieser Qualität zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle allen – von der Lernschwester bis zum Chefarzt – für ihren unermüdlichen Kampf um das Leben und die Gesundheit der Patienten ganz herzlich danken.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wir als Landtag von Baden-Württemberg sind in der Verantwortung, unsere Klinika für diesen täglichen Kampf bestmöglich auszustatten.

Mit dem Solidarpakt für die Hochschulmedizin haben wir ihnen Planungssicherheit bis 2014 gegeben. Wir haben dies in einer Zeit getan, in der wir mit der Rückzahlung von Schulden beginnen. Der Solidarpakt als Selbstverpflichtung der Regierung ist vor diesem Hintergrund ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass wir eben nicht auf Kosten von Patienten, Studenten oder des Personals in den Klinika sparen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Liebe Kollegin Haller-Haid, an einem Punkt muss ich Ihnen aber beipflichten: Völlig zu Recht weisen Sie schon in der Begründung Ihres Antrags darauf hin, dass sich die Stimmen aus den Klinikleitungen mehren, die vor Kürzungen warnen, die von der Politik zu verantworten seien. Zu Recht erklären Sie – ich zitiere –, dass die Finanzierung der Universitätsmedizin immer stärker beeinträchtigt ist von den Auswirkungen anhaltender Gesundheitsreformen und der Einführung von Fallpauschalen unterhalb der Kostendeckung der Universitätsmedizin.

Zunächst dachte ich, Sie hätten sich bei dieser berechtigten Kritik geirrt und eine Kleinigkeit übersehen. Die politische Verantwortung für die Gesundheitsreformen, für diesen groben Unfug, trägt ja die Bundesgesundheitsministerin.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Und wer ist das?)

Ihre Kritik richtet sich also gegen Ihre Genossin Ulla Schmidt.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das hat sie vergessen!)

Sie wissen, der von Ihrer Genossin Schmidt angerührte sozialistische Einheitsbrei

(Widerspruch bei der SPD)

treibt Tausende von Ärzten außer Landes und lässt die Bürokratie fröhliche Urständ feiern.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Da ist der Koalitionspartner dabei!)

Aber seit unserer gemeinsamen Entschließung gegen die Gesundheitsreformen unter Tagesordnungspunkt 4 – wir haben das ja mit Ulrich Noll eingebracht – weiß ich, dass Sie sich nicht geirrt haben.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Also nehmen Sie doch ein- mal diese sachliche Ebene auf, und argumentieren Sie einmal so!)

Wir, lieber Herr Kollege Gall, kämpfen gemeinsam gegen Ulla Schmidts verkorkste Reformen. Ich freue mich darüber, und ich freue mich, Sie deswegen noch einmal zitieren zu können.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Gott sei Dank sind wir bei solchen Reformen nicht auf Sie angewiesen! Da kä- me nur Murks heraus!)

Sie haben völlig recht, dass die Finanzierung der Universitätsmedizin – ich zitiere Sie, Kollege Gall – immer unsicherer und unplanbarer wird. Aber dafür tragen Ihre Genossinnen

und Genossen in Berlin, die Berliner Koalition, nun einmal die Verantwortung.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD zur CDU: Habt ihr gehört, Genos- sen?)

Wir dagegen haben den Klinika bis 2014 Planungssicherheit gegeben.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt wird wieder geklatscht! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Wieder einmal bleibt uns nichts anderes übrig, als die verfehlte Politik in Berlin hier im Lande auszugleichen. Wir sollten unideologisch, Kollegin Bauer, bereit sein, zusätzliche Quellen zur Finanzierung unserer Universitätsklinika zu erschließen. Wir sehen doch dieser Tage eindrucksvoll, wie viel privates Kapital in Deutschland eine sinnvolle und sichere Anlage sucht.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)