Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

Bisher ist es den Universitätsklinika gelungen, positive Ergebnisse zu erzielen und sich damit entsprechende Handlungsspielräume zu erschließen.

Was, Herr Minister, heißt hier „bisher“? Und auf wessen Rücken – das muss man auch fragen – wurden solche positiven Ergebnisse erzielt? In der Stellungnahme steht, dies sei durch Aufwandsreduzierung möglich gewesen. Aber was heißt „Aufwandsreduzierung“? Das ist letzten Endes nämlich nichts anderes als Personalabbau.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Da geht aber nach einhelliger Meinung aller Uniklinik leitungen nichts mehr. Die bisherigen Einsparungen gingen schon eindeutig zulasten des Klinikpersonals. Weitere Einsparungen würden letzten Endes die Krankenversorgung massiv gefährden. Auch bei den Fakultäten ist jetzt nichts mehr zu holen. Aber nun wird die Misere bis 2014 festgeschrieben.

Da nützt es auch nichts, wenn immer wieder auf Drittmittel verwiesen wird. Mit Drittmitteln wird letzten Endes nichts anderes gemacht als Auftragsforschung. Ich glaube jedoch, wir können nicht im Ernst wollen, dass die Firma Schering und andere darüber bestimmen, was in unseren Hochschulen erforscht wird.

(Beifall bei der SPD)

Forschung und Lehre in der Medizin müssen in einem wechselseitigen Verhältnis zur Krankenversorgung stehen, und leider leistet die Einführung des Innovationsfonds hier einen Bärendienst. Da wird den Fakultäten Geld entzogen, und auf Antrag und nach entsprechendem bürokratischen Prozedere erhalten sie dann einen Teil ihrer Gelder wieder zurück – allerdings abhängig vom Wohlwollen der Ministerialbürokratie.

Fazit: Klinikleitungen, Fakultäten, Personalräte und Patienten, alle sind unzufrieden und fordern Reformen. Die Landesregierung aber weiß nicht, wohin die Reise gehen soll, und hat deshalb ein Strategiegutachten zur Zukunft der Hochschulmedizin in Auftrag gegeben. Oder, Herr Minister, ist dieses Gutachten vielleicht allein dem Koalitionspartner geschuldet, der, wie wir wissen, um jeden Preis die Privatisierung der Uniklinika durchsetzen will? Dafür wäre allerdings der finanzielle Aufwand, den das Gutachten von Roland Berger verursacht, nicht zu rechtfertigen. Ganz nebenbei: Uns würde natürlich schon interessieren, was dieses Gutachten kostet, und diese Information werden wir in jedem Fall noch abfragen.

Jedenfalls erhofft sich meine Fraktion heute von Ihnen eine klare Stellungnahme zu der Frage der materiellen Privatisierung. Das Gutachten ist ja fertig. Wir kennen es nicht, aber Sie kennen es. Die Gerüchteküche brodelt

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Lassen Sie sie bro- deln!)

insbesondere hinsichtlich der künftigen Stellung der medizinischen Fakultäten. Hochschulrektoren, Dekane und Klinikchefs befürchten Vorfestlegungen, und die Beschäftigten der Kliniken befürchten, dass durch dieses Gutachten zumindest Teilprivatisierungen und Outsourcing Tür und Tor geöffnet wird.

Deshalb sind heute klare Worte angesagt. Die SPD-Fraktion ist offen, wenn es um Optimierungen im Rahmen der Anstalt des öffentlichen Rechts geht. Aber über Privatisierung lassen wir nicht mit uns reden.

(Beifall bei der SPD)

Da stehen wir auf der Seite der Klinikleitungen und der Personalvertretungen, die das – in seltener Einigkeit – beide ablehnen. Wir stehen auch auf der Seite der Menschen in diesem Land, die wie wir der Meinung sind: Gesundheitsfürsorge gehört zur Daseinsvorsorge.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Sehr gut!)

Der Kollege Hoffmann hat vorhin ja gesagt: Gesundheit ist keine Ware.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Warum schüren Sie dann Ängste? Es gibt keinen Grund für Ängste!)

Dieser Aussage kann ich mich nur anschließen. Deshalb bitte ich Sie: Stehen Sie zu Ihrer Verantwortung für die Hochschulmedizin. Wir erkennen bei Ihnen ja durchaus auch klare Signale dafür, dass die Mehrheitsfraktion ziemlich sicher ahnt, wohin der Privatisierungswahn der FDP die Hochschulmedizin letzten Endes treiben würde. Ich kann Ihnen deshalb nur empfehlen: Riskieren Sie lieber einen Krach in der Koalition,

aber binden Sie den Schwanz fest, der mit dem Hund wedeln will.

Vielen Dank.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Wir brauchen keinen Krach! Wir arbeiten fachlich sehr gut zusammen! Sie haben Ängste geschürt, die nicht notwendig sind, Frau Kollegin! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Bei euch muss man mit allem rechnen!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Schüle für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion der SPD gibt dem Landtag die Möglichkeit, die aktuelle Entwicklung unserer Universitätskliniken, insbesondere auch der medizinischen Fakultäten, zu debattieren. Das Land Baden-Würt temberg – das haben wir in der Debatte vorhin ja bereits gehört – ist auf dem Gesundheitssektor führend, und zwar sowohl quantitativ als auch – vor allem – qualitativ. Die erste Feststellung ist: Daran haben unsere landeseigenen Universitätskliniken einen ganz entscheidenden Anteil.

Warum haben unsere Universitätskliniken eine Spitzenstellung in Deutschland? Es gibt hierfür drei Gründe.

Der erste Grund mag selbstverständlich klingen, aber wer sich bei den Universitätskliniken auskennt, weiß, dass wir dort eine sehr motivierte Mannschaft, hoch motivierte und qualifizierte Mitarbeiter haben.

Der zweite Grund: Wir haben die Strukturen der Universitätskliniken rechtzeitig immer wieder fortentwickelt, Stichwort Eigenständigkeit. Die nächste Reform ist schon auf dem Weg. Frau Kollegin Haller-Haid hat das zumindest angedeutet.

Der dritte Grund – das ist der entscheidende Punkt des Antrags der Fraktion der SPD – ist die Mittelausstattung der Universitätskliniken durch das Land. Sie wollen dazu die konkreten Zahlen wissen. Ich entnehme sie einer aktuelleren Initiative zu diesem Thema, der Kleinen Anfrage Drucksache 14/2312, weil darin die Zahlen für das Jahr 2007 integriert sind. Die Istzuschüsse für die medizinischen Fakultäten – die greife ich jetzt einmal heraus, also für Forschung und Lehre – betrugen 419 Millionen € im Jahr 2005, fast 424 Millionen € im Jahr 2006 und 443 Millionen € im Jahr 2007. Das ist also genau das Gegenteil dessen, was Sie hier vorgetragen haben.

(Beifall der Abg.Werner Pfisterer CDU und Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Das Ergebnis ist eine Spitzenstellung unserer universitätsmedizinischen Einrichtungen nach allen verfügbaren nationalen Rankings, auch konkret messbar am Erfolg im Rahmen der Exzellenzinitiative, der Exzellenzcluster an den Universitätskliniken in Freiburg, Heidelberg und Tübingen, am Erfolg beim Graduiertenkolleg in Ulm.

Jetzt ist die Frage: Wie geht es weiter? Dazu sind drei Punkte entscheidend: erstens eine verlässliche Mittelausstattung – ich komme gleich darauf –, zweitens eine stärkere leistungsorientierte Mittelvergabe – auch eine Neuausrichtung des Finan

zierungsverfahrens – und drittens eine Weiterentwicklung der Strukturen der Universitätsklinika. Auf alle drei Punkte geht die Landespolitik systematisch ein.

Zum ersten Punkt – verlässliche Mittelausstattung –: Die Solidarpakte mit den Hochschulen und der Hochschulmedizin sind ein anerkannt erfolgreiches Mittel. Trotz der notwendig gewordenen Mittelkürzungen gewährleistet Baden-Württemberg als eines der wenigen Bundesländer, die das überhaupt tun, Planungssicherheit für einen langen Zeitraum: für die Jahre 2004 bis 2006, für den Übergangszeitraum 2007 und jetzt von 2008 bis 2014, mit eingerechnet die globale Minderausgabe. Das ist bekannt und mit den Universitätskliniken abgestimmt.

Zum zweiten Punkt – neue Ausrichtung des Finanzierungsverfahrens –: Durch eine stärkere leistungsorientierte Mittelvergabe weg vom statischen System wollen wir unsere Einrichtungen für einen auch international immer stärker werdenden Wettbewerb fit machen. Entsprechend der Medizinstrukturkommission soll der Schlüssel zukünftig so aussehen: 60 % Grundbudget – Kapazitätsverordnung –, 20 % Strukturbudget – Zielvereinbarungen – und 20 % Leistungsbudget – also orientiert an Drittmitteleinwerbung, Publikationsleis tungen und Lehrparametern, also die Kernkompetenzen der medizinischen Fakultäten.

Dazu gehört auch der Innovationsfonds. Der soll gerade die Universitätskliniken in Exzellenzzentren, in Kompetenzzentren stärken. Es erfolgt also eine Bündelung der Kräfte, was im Interesse des Landes Baden-Württemberg und im Interesse der Bevölkerung liegt.

Meine Damen und Herren, in der Debatte bringt die SPD klar zum Ausdruck, es müsse mehr Geld für die Universitätsklinika zur Verfügung gestellt werden. Dazu ist zunächst einmal festzuhalten, dass das Land die Unikliniken im Vergleich aller Bundesländer am besten ausstattet. Pro Einwohner und pro Jahr werden in Baden-Württemberg 16 % mehr Landesmittel für die Universitätsmedizin ausgegeben als in allen anderen Bundesländern. Die SPD sagt, es müsse mehr sein, sie sagt aber nicht, woher das Geld kommen soll.

(Zuruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

Wir stellen fest, dass auch unter der neuen Fraktionsführung der SPD diese Art, „da mehr Geld, dort mehr Geld, hier mehr Geld“ zu fordern,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Bleiben Sie sachlich! Wir haben in der Haushaltsdebatte über den Gesundheits- bereich entsprechende Anträge gestellt! Mein Gott! – Zurufe der Abg. Hans Georg Junginger und Martin Rivoir SPD – Gegenruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

ohne irgendwie zu sagen, woher es kommen soll, fortgeführt wird, die aus unserer Sicht nicht seriös ist.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Mein Gott! Immer die gleiche Leier!)

Wir werden – Herr Kollege Gall, letzter Punkt – die Reform der Universitätskliniken vorantreiben. Wir haben in der Koalitionsvereinbarung ausgemacht, dass wir in dieser Legisla

turperiode – Stichworte Weiterentwicklung der Abstimmung zwischen Kliniken und Universität, Handlungsmöglichkeiten im Wirtschaftsbereich und viele Dinge mehr – die Reform gemeinsam mit unserem Koalitionspartner fortentwickeln werden und in diesem Jahr auch noch konkrete Vorschläge einbringen werden. Die werden wir dann gemeinsam diskutieren. Wir werden die Universitätskliniken in Baden-Württemberg jedenfalls konstruktiv und in der bisherigen erfolgreichen Art und Weise weiterentwickeln.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Werner Pfisterer CDU: Sehr gut!)

Das Wort für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Bauer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD fragt in ihrem Antrag nach der finanziellen Ausstattung der Universitätsklinika und der Hochschulmedizin. Auch Kollege Pfisterer hat in einer Kleinen Anfrage kürzlich noch einmal Zahlen zum Thema „Finanzausstattung und Zuwendungen durch das Land“ abgefragt. Beim Lesen dieser ganzen Papiere und der vielen Zahlen hatte ich den Eindruck: Das Spannende an diesem Thema ist im Grunde all das, was nicht in den Antworten der Landesregierung steht, bzw. auch all das, wonach in den Initiativen nicht gefragt wurde. Wir reden heute nach meinem Eindruck genau genommen um den heißen Brei herum. Aber sei’s drum.

Kommen wir zuerst einmal zu den Fragen, die von der Landesregierung nicht beantwortet wurden. Im Grunde geht es dabei immer um belastbare Zahlen und Fakten, die in die Zukunft und nicht nur in die Vergangenheit weisen. Wie hoch ist die globale Minderausgabe, die von den Universitätsklinika künftig zu tragen ist? Welche Universitätsklinik muss wie viel zum Innovationsfonds Medizin beitragen? Warum sind die Hochschulverträge, die zum 1. Januar 2008 für die medizinischen Fakultäten geplant waren, noch nicht da? Wann sollen sie kommen?

Wann gibt es Klarheit über einen neuen Solidarpakt, über seine Laufzeit? Meines Erachtens ist eine zweijährige Laufzeit in der Debatte. Kann man so etwas, bei so kurzen Fristen, eigentlich noch Solidarpakt nennen?

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Schauen wir einmal!)

Zu den künftigen Zahlungen: Welche steigenden Kosten werden berücksichtigt? Kollegin Haller-Haid hat es schon gesagt: Es gibt massive Kostensteigerungen im Bereich der Energie, und zwar um 10 %. Auch im Bereich des Personals gibt es durch tarifvertragliche Bindungen erhebliche Kostensteigerungen. Werden diese wachsenden Belastungen abgebildet? Dazu findet man keine Antwort.

Zudem: Die Gretchenfrage in finanzieller Hinsicht ist: Wie hoch soll künftig bei investiven Maßnahmen der Universitätsklinika der geplante Eigenanteil sein? Je nachdem, wie hoch man diese Quote ansetzt, kann es da an die Substanz gehen.