Anlass unserer Großen Anfrage war eine Ansammlung von größeren und kleineren Lebensmittelskandalen im Bundesgebiet und in Baden-Württemberg in den Jahren 2005, 2006 und 2007; Sie erinnern sich sicherlich. In mindestens sieben verschiedenen Fällen, vornehmlich in Bayern, wurde Ekelfleisch umdeklariert, umgepackt und quer durch die Republik verkauft. Es wurde sogenanntes Kategorie-3-Material, also praktisch Schlachtabfälle, die für den Verzehr nicht zugelassen sind, gesetzeswidrig verarbeitet und vermarktet. Das waren unhaltbare Zustände. Das fanden wir alle.
Handeln war angesagt, und so entwickelte der Bundesverbraucherschutzminister ein Zehnpunkteprogramm, und die Länderminister entwickelten zusammen mit ihm ein 13-PunkteProgramm – lauter Punkte, die abzuarbeiten waren.
Wir können Folgendes feststellen: Die länderübergreifende gegenseitige Information wurde verbessert. Die Überwachung von Kühlhäusern wird von den Ländern jetzt erarbeitet. Die Verpflichtung zur Eigenkontrolle der Unternehmen wurde geregelt, wobei diese Verpflichtung bei den Unternehmen offenbar nur durch Appelle durchgesetzt werden kann. Wie anders ist zu werten, wenn es in der Antwort auf unsere Große Anfrage heißt, es habe ein Gespräch der Unternehmen der Fleisch wirtschaft und des Handels mit dem Bundesminister stattgefunden. Da steht dann:
An die Wirtschaft wurde appelliert, durch Einrichtung geeigneter Eigenkontrollsysteme ihrer gemeinschaftsrechtlich verankerten Verpflichtung nachzukommen und sichere Lebensmittel in den Verkehr zu bringen.
Es ist schon bemerkenswert, dass man anders als durch Appelle so etwas nicht durchsetzen kann oder meint, nicht durchsetzen zu können.
Endlich sollen auch Ausführungshinweise zur amtlichen Kontrolle dieser Eigenkontrolle bei den Lebensmittelunternehmen erarbeitet werden. Endlich werden auch Schulungspflichten hinsichtlich der Eigenkontrollverpflichtung der Unternehmen präzisiert. Das Einfärben von Schlachtabfällen, dieses K-3Materials, soll demnächst möglich sein, um die lückenlose Rückverfolgbarkeit zu ermöglichen.
Die EU jedenfalls hat eindeutig erklärt, dass es an ihr nicht liege. In den „EU-Nachrichten“ vom 6. September 2007 sagt die zuständige Agrarkommissarin:
Künftig können die Regierungen sogar selbst beschließen, ob sogenanntes K-3-Fleisch durch Einfärben kenntlich gemacht wird..
Seit dem 24. Oktober 2007 liegt auch der Entwurf zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs vor. Dort wird der Strafrahmen erhöht, und es wird endlich auch eine Meldepflicht für Unternehmen eingeführt, denen Gammelfleisch angeboten wurde. Es soll sogar die Möglichkeit geschaffen werden, dass der Bund sich bei der Einführung länderübergreifender Überwachungssachverhalte ein Lagebild schaffen darf. Das ist bemerkenswert und wurde wahrscheinlich den Länderministern abgerungen als ein Maximum an Bundeskompetenz in der weisen Erkenntnis, dass der Lebensmittelhandel in der heutigen Welt an Ländergrenzen Deutschlands nicht haltmacht.
Einiges ist noch offen und weiterzuentwickeln in Sachen gesundheitlicher Verbraucherschutz, z. B. der Informantenschutz. Dieser ist überhaupt noch nicht geregelt. Denn schließlich ist es so, dass alle Skandale nicht etwa durch die Lebensmittelüberwachung selbst, sondern von Informanten aus den Betrieben aufgedeckt wurden.
Weiter zu regeln ist die Frage der Lebensmittelkontrolle an den EU-Außengrenzen. Das ist noch ein großes Problem. Sie wissen alle, dass Menschen, die von außen in die EU einreisen wollen, sehr sorgfältig überprüft werden. Aber diese Überprüfung findet bei den Einfuhren von Lebensmitteln nicht mit der erforderlichen Sorgfalt statt. So wird uns jedenfalls von den zuständigen Behörden berichtet.
Zusammenfassend kann man aber feststellen: Auf Bundes ebene ist einiges in Gang gekommen. Sagen wir es so: Der Fortschritt ist eine Schnecke, aber er kommt – langsam wie eine Schnecke.
Es fragt sich nun: Hat die Landesregierung ihre Hausaufgaben gemacht? Wir unterstützen – jetzt ist der Minister anwesend; herzlich willkommen! –,
Herr Minister Hauk, Ihre grundsätzliche Haltung zum Verbraucherschutz. Wir unterstützen auch den Ansatz einer Kontrolle der Eigenkontrolle. Das hatte ich schon früher einmal geäußert. Nun wird es Zeit, dass endlich auch alle Betriebe solche Qualitätssysteme bei sich einführen.
Wir unterstützen auch die risikoorientierte Lebensmittelüberwachung. Aber dies alles läuft ins Leere, wenn die vorhandenen Lebensmittelkontrolleure vor lauter Aufgaben und Arbeit nicht mehr herumkommen und überlastet sind, weil noch immer rund 75 Stellen – manche sprechen auch von 80 Stellen – bei den unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden fehlen, und zwar deshalb, weil sich Land und Kommunen bei deren Finanzierung ständig den Schwarzen Peter zuschieben.
Ich möchte die Pressemitteilung des Landkreistags vom 5. Dezember 2007 zitieren. Da äußert der Hauptgeschäftsführer Professor Trumpp Folgendes:
„Der Landkreistag hat schon vor der Umsetzung der Verwaltungsreform 2005 sowie danach wiederholt – letztmals im Rahmen der Evaluierung der Verwaltungsreform – vehement eine Verbesserung der Personalsituation im Bereich der Lebensmittelkontrolle gefordert“, stellte Trumpp fest.
Er wies darauf hin, „dass die Lebensmittelkontrolle weiterhin eine staatliche Aufgabe ist und bleibt“. Das Land sei deshalb zur Erstattung der bei den Landratsämtern anfallenden personellen und sachlichen Kosten verpflichtet. „Ich bin empört darüber,
Zuletzt hatte der Präsident des Landkreistags, Landrat Dr. Jürgen Schütz, bei der Landkreisversammlung am 15. November 2007 klar gegenüber Ministerpräsident Oettinger Stellung bezogen und nochmals darauf hingewiesen, dass Baden-Württemberg
was das Verhältnis Einwohner pro Lebensmittelkontrolleur bzw. Anzahl der Betriebe pro Kontrolleur betrifft.
Es fehlen nicht nur Stellen, sondern es ist auch so, dass die vorhandenen Stellen noch immer völlig ungleich im Land verteilt sind. Jetzt, Herr Minister Hauk, sagen Sie uns endlich einmal, wie Sie aus dieser Sackgasse herauskommen wollen.
Dabei geht es um die mangelnde Durchgriffsmöglichkeit – letztendlich entscheiden heute doch Landräte, was untersucht wird und was nicht – oder die verlorene Schlagkraft der Überwachung an Wochenenden; denn sonntags arbeitet in den Landratsämtern niemand. Ich will das alles nicht wiederholen. Aber bei der Ausstattung mit Personal können Sie sich nicht mehr herauswinden.
Wir könnten natürlich Schadenfreude empfinden, denn schließ lich haben die Landräte diese Verwaltungsreform mit Macht gefordert. „Sollen sie doch selbst mit ihren Mängeln zurechtkommen“ – darauf scheinen Sie zu setzen, Herr Minister Hauk. Wir aber empfinden Verantwortung für die überlasteten Lebensmittelkontrolleure und für einen einheitlich hohen Standard im ganzen Land bei der Lebensmittelüberwachung. Das erwarten wir auch von der Landesregierung.
Deshalb haben wir Ihnen einen Antrag vorgelegt, der beinhaltet, endlich vonseiten des Landes diese Stellen zu schaffen und gleichzeitig einen verbindlichen Mindeststandard zu schaffen, der die risikobehafteten Betriebe und deren Anzahl berücksichtigt, damit wir flächendeckend im Land gleiche Standards bei der Lebensmittelüberwachung haben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kipfer, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, seien Sie froh, dass es kein Haltbarkeitsdatum für Große Anfragen gibt; denn sonst wäre Ihre Große Anfrage vom Juli letzten Jahres längst durchgefallen.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Längst ab- gelaufen! – Abg. Birgit Kipfer SPD: Das lag an der Geschäftsordnung des Landtags!)
Aber ich möchte und muss Ihnen recht geben: Lebensmittelsicherheit ist ein wichtiges Dauerthema. Die Menschen wollen sichere Lebensmittel und haben ein Recht darauf.