Protokoll der Sitzung vom 03.04.2008

Feinstäube sind ebenso wie Stickoxide in hoher Konzentration ein Problem für die Gesundheit. Ich denke, darin ist sich

das Hohe Haus einig. Diese Einsicht trug sicherlich auch dazu bei, dass die Feinstaubkonzentrationen in den vergangenen 20 Jahren eher gesunken als gestiegen sind.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ja!)

Das muss man auch berücksichtigen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Und zwar ohne Verordnung!)

Keinen Einfluss haben wir – auch die FDP nicht, so leid es mir tut – auf meteorologisch bedingte Umweltereignisse wie Wüstensand und andere natürliche Quellen, die auch zur Feinstaubkonzentration beitragen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Da hilft die Um- weltzone auch nichts!)

Allerdings sind es leider auch gerade diese Bestandteile, die eher mehr und auch feiner werden und ein großes gesundheitliches Problem für uns alle darstellen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Da hilft uns die Umweltzone auch nicht!)

Dank der klaren Vorgaben der EU können sie aber nicht wegdiskutiert werden – was viele sonst sicherlich gern tun würden.

Die Konzentrationen sind zu erfassen und schrittweise abzusenken. Als dicht besiedeltes Industrieland mit mehreren Ballungsräumen ist Baden-Württemberg überdurchschnittlich stark betroffen. Stuttgart, insbesondere das Zentrum in un günstiger Kessellage – gerade heute spüren wir das wieder durch die hohe Luftfeuchtigkeit –, gehört leider zu den Spitzenreitern in Deutschland. An der Messstelle Neckartor wurden bereits im März die maximal erlaubten 35 Tage pro Jahr mit überhöhten Feinstaubkonzentrationen erreicht. Die Stimmen, die sagen, dass Handlungsbedarf besteht und die Luft mit konkreten Maßnahmen zu verbessern ist, sind nicht mehr zu überhören.

Im vergangenen September hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zum Glück klargestellt, dass es sich bei solchen Maßnahmen nicht nur um ökologische Kürveranstaltungen handelt, sondern um eine einklagbare Pflicht des Staates, um seine Bürger vor überhöhten Gesundheitsbelas tungen zu schützen. Doch wie es so oft in solchen Fällen ist: Sobald es ernst wird – das wird es in diesem Jahr ganz sicher werden –, hebt sogleich auch ein großes Wehklagen an. Seltsamerweise haben wohl viele nicht damit gerechnet, dass auch Einschränkungen beim Gebrauch von Kraftfahrzeugen gemeint sein könnten.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Weitere Ein- schränkungen gibt es ja nicht! – Zuruf des Abg. Tho- mas Knapp SPD)

Sofort wird der Nutzen der Aktionen auf den Prüfstand gestellt. – Ganz haben Sie nicht recht, Frau Berroth. Ich gebe Ihnen hinterher gern mein Manuskript, dann können Sie das noch einmal nachlesen.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD)

Es werden die unglaublichsten Verrenkungen unternommen, um die Fahrverbote und die ausgewiesenen Umweltzonen infrage zu stellen.

Nun ist natürlich nichts so gut – da gebe ich Ihnen recht –, als dass es nicht noch besser gemacht werden könnte. Kritisiert wird, in der ersten Stufe würden bei großem bürokratischem Aufwand nur wenige Prozent der Fahrzeuge mit einem Fahrverbot belegt werden können. Vergessen wird dabei aber offensichtlich, dass diese wenigen eben auch die größten Emittenten sind.

Wir wissen natürlich, dass der Staub aus Gewerbe und Industrie, bezogen auf die Feinstaubbelastung, bundesweit dominiert. Auch die Landwirtschaft steuert einen erheblichen Anteil dazu bei. Dort aber, wo extrem hohe Belastungen vorliegen und wo man diese Belastungen gezielt verringern will, stellt sich das Quellenspektrum ganz anders dar.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Schieben Sie nicht alles den Grünen in die Schuhe!)

Ich schiebe gar niemandem etwas in die Schuhe, Ihnen vielleicht, wenn die Schuhe groß genug sind.

(Heiterkeit – Beifall des Abg. Alfred Winkler SPD)

Beim Quellenspektrum geht man von einem Anteil der verkehrsbedingten Emissionen von 60 % aus. Auch der Hausbrand – da haben Sie den anderen Verursacher, Frau Berroth – und hier insbesondere die zunehmende Verbrennung von Holz in einfachen Öfen und offenen Kaminen stellt bei ungünstigen Wetterlagen einen sehr großen Anteil.

Beim Verkehr wiederum sind nicht nur der Motor und das, was aus dem Auspuff herauskommt, die Ursache, sondern auch der Abrieb von Bremsen und Reifen. Deshalb ist es völlig richtig und notwendig, an diesen Quellen auch mit den Maßnahmen der Aktionspläne anzusetzen.

Dies ist nun aber, wie man zur Genüge beobachten kann, eine Gratwanderung. So wird die Wirkung in Abrede gestellt. Würde man zugleich auch alle Fahrzeuge mit roter Plakette aus den Umweltzonen ausschließen, wäre der Effekt zwar größer, aber sicherlich auch das Geschrei. Und selbstverständlich muss man bei solchen faktischen Verboten auch umsichtig vorgehen, denn man greift letztlich in die Eigentumsrechte ein und langt auch in das Portemonnaie der Bürgerinnen und Bürger.

Vor diesem Hintergrund sieht meine Fraktion grundsätzlich die geschaffenen Umweltzonen und die Maßnahmen von Bund und Land zu den betroffenen acht Städten als positiv an. Die Entlastungswirkung jedoch – so befürchten wir – wird nicht ausreichen, und Messungen werden dies wahrscheinlich in diesem und im nächsten Jahr auch bestätigen. Um aber sowohl mehr Luftreinhaltung als auch mittel- und langfristig mehr Akzeptanz zu erreichen, von der Sie auch gesprochen haben, sind die folgenden fünf Maßnahmen aus unserer Sicht unumgänglich:

Erstens: Die Umweltzonen müssen großräumiger angelegt werden. Auch wenn man nicht umhinkäme, z. B. die durchführenden Fernverkehrsstraßen auszunehmen, wäre der Ef

fekt deutlich größer, wenn z. B. Stuttgart mitsamt den angrenzenden Mittelstädten eine große Umweltzone wäre.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist es ja schon! Ludwigsburg und Leonberg!)

Es gibt noch andere Orte. – Das Gleiche gilt in der nächsten Stufe auch für Mannheim, für Heidelberg und länderübergreifend auch für Ludwigshafen. Wir reden zwar immer von dicker Luft, aber schmutzige Luft ist eben doch dünn und kennt keine Grenzen. Schon leichter Wind und Thermik sorgen dafür, dass sich die Schadstoffe bei allzu kleinen Umweltzonen doch weiträumiger verteilen, als die schönen Zonen dies nahelegen.

Zweitens: Die nächste Stufe, in der auch Fahrzeuge mit einer roten und einer gelben Plakette nicht mehr in die Umweltzonen fahren dürfen, darf nicht erst, wie vorgesehen, in knapp vier Jahren kommen. In Berlin und auch in München beispielsweise wird dies schon im Jahr 2010 der Fall sein. Dann dürfen nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette, also Schadstoffstufe 4, fahren. So lässt sich dort in absehbarer Zeit ein spürbarer Effekt bei der Luftverbesserung erreichen.

Bedenken muss man daher auch, dass es ausreichend Parkplätze mit ÖPNV-Verbindungen am Rande dieser Umweltzonen geben muss sowie entsprechend rechtzeitige Hinweise, die zu diesen Parkplätzen führen. Ich erinnere mich an einen Presseartikel, der am 2. April erschienen ist. Ich habe extra nachgeguckt; erst dachte ich, es sei ein Aprilscherz, aber es war leider keiner.

Drittens: Die großzügigen Ausnahmen für Krankenwagen, Ärzte-, Baufahrzeuge und letztlich auch für fast den ganzen kommunalen Fuhrpark müssen zeitlich klar befristet sein. Gerade hierbei handelt es sich doch oft um Fahrzeuge, die einen besonders hohen Ausstoß verursachen. Zudem hat die öffentliche Hand eine Vorbildfunktion – wir haben darauf bei anderen Anträgen bereits hingewiesen –, und dies ganz besonders, wenn sie den Privatleuten Beschränkungen auferlegt. Da bin ich wieder ganz auf Ihrer Seite, Frau Berroth.

Ich wage gar nicht an das Verkehrsaufkommen hier in Stuttgart zu denken, wenn Fahrzeuge ohne jedwede Plakette hier erscheinen werden, wenn Stuttgart 21 gebaut wird. Dann ist die Innenstadt eine Baustelle – mit all diesen wunderbaren Emittenten.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die Baustelle bringt den Feinstaub, nicht die Autos!)

Die auch. Es sind ja nicht nur drei, vier Autos, die da durchrollen. Das ist vielmehr richtig heftig.

Viertens: Mittelfristig muss der weitere Ausbau des ÖPNV vorangetrieben werden, denn gut genutzte S- und U-Bahnen sowie moderne Busse sind die beste Voraussetzung für eine Luftverbesserung, zumal auch modernste Kraftfahrzeuge noch mit Reifen- und Bremsabrieb zur Luftverschmutzung beitragen.

Fünftens und letztens: Es ist auch für eine Absenkung des Feinstaubs aus der ungeregelten Holzverbrennung zu sorgen. Die zunehmende Wärmeerzeugung aus Holz ist klimapolitisch sinnvoll und zu begrüßen. Aber es ist hinsichtlich der

Emission bekanntlich ein Riesenunterschied, ob man eine moderne Holzpelletheizung betreibt oder ob man Holz in einem offenen Kamin oder dem erstbesten Ofen aus einem Baumarkt verbrennt. Hier muss im Zuge der Novellierung der 1. BImSchV, die zurzeit vorgenommen wird, eine Verbesserung erreicht werden.

Frau Ministerin Gönner, wir alle wissen, dass Sie rhetorisch sehr gewandt agieren können.

(Zurufe von der SPD)

Mein Wunsch wäre: Wenden Sie diese Begabung doch bitte einmal bei Ihren Parteifreunden in Berlin an, die sich an dieser Stelle querstellen. Wir brauchen eine unbürokratische und handhabbare Lösung. Denn wir können dieses wachsende Problem nicht einfach ignorieren. Andernfalls werden die Erfolge in anderen Bereichen durch mehr Emissionen aus dieser Quelle aufgefressen.

Wenn Sie, Frau Ministerin, das Ziel der merklichen Reduzierung der Luftbelastung ernsthaft angehen und auch diese Maßnahmen mit vorantreiben helfen, dann haben Sie uns voll auf Ihrer Seite.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Wölfle das Wort.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Auf Gelb ist kein Verlass mehr!)

Auch derjenige, der eine gelbe Plakette hat, darf noch fahren, und zwar noch ziemlich lange.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Debatte beweist eigentlich, dass die gestrige Debatte und die dabei gefassten Beschlüsse mehr als notwendig waren. Wir brauchen die Parlamentsreform dringend. Wir debattieren ja hinterher.

Die Aufregung über das Thema Umweltzone hat sich eigentlich schon gelegt. Die meisten Autofahrer haben eine Plakette, fast alle haben sie erhalten. Die Luft ist draußen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das täuscht ge- waltig!)

Die Luft ist nach wie vor belastet. Geändert hat sich nicht viel.