Protokoll der Sitzung vom 03.04.2008

Dann ist es ja wunderschön. Dann müssen wir dies aber auch in eine Form bringen. Sie wissen vielleicht, Herr Noll: Viele Bundesländer haben dazu ein eigenes Gesetz. Dies schafft einen verpflichtenden Charakter, damit klar ist, wie beide zusammenarbeiten müssen, und damit sie nicht sozusagen mit dem Finger aufeinander zeigen müssen.

Was natürlich besonders bedauerlich ist – und dafür tragen Sie die Verantwortung –, ist die Situation der Beschäftigten. Den Beschäftigten hat man zunächst zugemutet, den Schritt hinein in die Landratsämter zu machen, und jetzt wird ihnen zugemutet, wieder den Schritt aus den Landratsämtern heraus zu machen. Ich sage Ihnen: Es ist unzumutbar, nochmals eine weitere Reform zu machen.

(Zuruf von der CDU: Wieso?)

Denken Sie bei dieser ganzen Entwicklung auch an die Beschäftigten. Denken Sie daran, was Sie diesen Leuten zugemutet haben. Deswegen wäre eine echte Reform richtig, aber keine halbe Sache.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Abg. Rastätter für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Grünen halten die Rückkehr zu Sonderbehörden bei der Schulverwaltung für einen bildungspolitischen Fehler. Ich gebe zu: Auch wir Grünen haben vor der Verwaltungsreform die Eingliederung sehr kritisch bewertet. Im Klartext: Wir haben sie abgelehnt. Aber hinterher ist man oft schlauer. Nachträglich stellen wir Grünen fest: Die Eingliederung der Schulverwaltung im Rahmen der Verwaltungsreform war absolut richtig und hat sich positiv entwickelt.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Ihr seid halt immer da- gegen! Das ist Opposition: immer dagegen!)

Wir haben bereits in den vorangegangenen Jahren festgestellt: Die Landkreise und die Schulträger haben immer mehr Verantwortung für ihre Schulen übernommen. Längst schon – das wissen Sie auch – gab und gibt es nicht mehr diese klassische Trennung zwischen den inneren und den äußeren Schulangelegenheiten, wobei die Schulträger nur für die sächliche Ausstattung der Schulen zuständig waren. Längst schon haben die Kommunen und die Schulträger auch für die Bildungsentwicklung die Verantwortung übernommen. Ich nenne hier nur Bereiche wie Ganztagsschule, verlässliche Grundschule, Schulsozialarbeit, Profilbildung an den Schulen, Integration von schwächeren Schülern und Schülerinnen in die Berufsausbildung.

Die drei Jahre währende Erfahrung mit der Eingliederung der Schulverwaltung hat gezeigt, welche positiven Synergieeffekte die Integration der Schulverwaltung in die Landrats ämter ausgelöst hat.

Die Möglichkeiten der Mitgestaltung von Schulentwicklung und Bildungspolitik in den Landkreisen haben bewirkt, dass wir eine viel stärkere Verzahnung von Schulaufsicht, Schulträgern und Beratungsstellen bekommen haben. Wir erleben, dass die Sozialplanung, die Jugendhilfeplanung und die Schulplanung vor Ort immer besser miteinander verzahnt wurden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie heute in einen Kreistag gehen und dort die Debatten über die regionale Schulentwicklung verfolgen, werden Sie feststellen: Durch die Integration der Schulverwaltung in die Landratsämter hat die Qualität der Debatten über die Zukunft der Schulen, über die Schulentwicklung, über neue Schulmodelle erheblich zugenommen. Das verdanken wir in der Tat dieser Eingliederung in die Landratsämter.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Also gut!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben doch auch diese Briefe bekommen, nicht nur von den Landräten, sondern auch von den Bürgermeistern, von den kommunalen Landesverbänden, von Rektoren und Eltern. Ich habe ein riesiges Konvolut von Schreiben, die detailliert schildern, welche positive Entwicklung hier stattgefunden hat. Insofern ist es für uns absolut strukturkonservativ und kontraproduktiv, dass man jetzt

etwas, was vor Ort wirklich gut funktioniert hat, wieder rückgängig machen möchte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stellungnahme zu unserem Antrag und die darin enthaltene Begründung für die Rückreform, für diesen Salto rückwärts, enthält als einziges nachvollziehbares Argument – das hat auch Kollege Zeller gerade wieder vorgetragen –, dass viele Schulbehörden in den Landratsämtern zu klein sind, dass die Fachschulräte also nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind. Das ist sicher ein Problem; das haben wir auch gesehen, und das hat auch der Landkreistag gesehen. Die Landkreise haben jetzt – sicher nach einigem Anschieben und etwas Druck – erklärt, dass sie ernsthaft Kooperationen betreiben möchten.

(Unruhe – Minister Ernst Pfister unterhält sich mit Abgeordneten. – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Unterhaltungen nach außerhalb des Plenarsaals zu verlegen.

(Minister Ernst Pfister setzt seine Unterhaltung mit Abgeordneten fort. – Heiterkeit)

Herr Minister, die Frau Präsidentin hat Sie gerade darauf aufmerksam gemacht, dass Sie Ihre Unterhaltung doch draußen fortsetzen möchten. Sie haben das offenbar leider nicht gehört.

(Vereinzelt Beifall – Heiterkeit)

Diese Argumentation ist zwar aufgrund der Eingliederung für einzelne Schulämter vor Ort richtig, aber durch gute Kooperationen kann man dieses Problem lösen. Im Gegensatz zur SPD-Fraktion möchten wir, dass, wie wir das schon immer gefordert haben, eine Trennung zwischen Aufsicht und Beratung stattfindet. Wir möchten die Beratungsfunktion auch stärker dem Landesinstitut für Schulentwicklung angliedern, damit wir die Schulentwicklungsplanung vor Ort in den Landratsämtern beibehalten können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da das von Ihnen angesprochene Problem lösbar ist, halten wir das Argument der zu kleinen Behörden für vorgeschoben. Denn tatsächlich geht es eher darum – das wird auch von manchen hinter vorgehaltener Hand durchaus zugegeben –, dass man eine Entwicklung, die vor Ort stattgefunden hat, wieder eindämmen möchte. Man kann einer Schulverwaltung, die direkt der Schulbürokratie unterstellt ist, natürlich leichter einen Maulkorb anlegen bzw. sie wieder etwas stärker an die Leine nehmen als einer Schulverwaltung, die unter der Verwaltungsaufsicht der Kreise steht.

Wir gehen davon aus, dass bestimmte Vorgänge – z. B. dass die Schulverwaltung darauf hingewiesen hat, dass sich der Ergänzungsbereich im kommenden Schuljahr verschlechtern wird, der gemeinsame Brief der hundert Schulleiter oder die Bildung von Arbeitsgruppen zur Entwicklung neuer Schulmodelle in einigen Landkreisen etwa wie im Ostalbkreis, bei der der Landrat hierzu die Initiative ergriffen hat – die wahren Gründe dafür sind, warum man die Schulverwaltung jetzt wieder eng an die Kultusbürokratie anbinden möchte. Man möchte solche Entwicklungen, die nach wie vor unerwünscht sind, wieder unterdrücken können. Das sind doch die wahren

Gründe, warum man jetzt wieder zu Sonderbehörden zurückgehen möchte.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landkreistag hat in einem Schreiben vom 15. Februar noch einmal deutlich hervorgehoben, dass die Wiederausgliederung der Schulverwaltung große finanzielle, personelle und räumliche Probleme nach sich ziehen wird. Es werden auch erhebliche Kosten auf das Land zukommen. Wir halten es daher für nicht vertretbar, ohne Not die Schulverwaltung wieder auszugliedern und dem Steuerzahler solche hohen Kosten aufzubürden.

Dazu kommt, dass die Rückreform auch nicht gut gelöst ist. Es gibt zum Teil riesige Anfahrtswege. Nordbaden soll zukünftig nur noch vier Schulamtsbezirke haben. Dabei möchte ich vor allem den Bezirk Rhein-Neckar mit 1,2 Millionen Einwohnern erwähnen. Dieser umfasst den Rhein-NeckarKreis, den Rhein-Odenwald-Kreis, die Stadt Heidelberg und die Stadt Mannheim. Wie soll hier eine wohnortnahe Begleitung und Unterstützung der Schulen stattfinden? Diese Frage müssen Sie erst einmal beantworten.

(Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

Ein weiteres Problem ist, dass Sie nicht gewagt haben – hier stimme ich natürlich mit dem Kollegen Zeller und der SPDFraktion völlig überein –, die Ämter für Schule und Bildung aus den Regierungspräsidien herauszunehmen. Es ist bildungspolitisch absolut kontraproduktiv, die Schulaufsicht für die Schularten Gymnasium und berufliche Schule in den Regierungspräsidien zu belassen, während andererseits für Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen die regionalen Schulämter zuständig sein sollen.

Wenn Sie das schon so machen, dann wäre es sinnvoll und richtig, diese Ämter aufzulösen und die Zuständigkeit insgesamt in die regionalen Schulämter zu integrieren. Hier fordere ich dazu auf: Wenn schon eine Reform, dann wenigstens eine Reform aus einem Guss und unter Berücksichtigung der bildungspolitischen Notwendigkeiten.

Wir werden heute unseren Antrag zur Abstimmung stellen. Wir haben beantragt: keinen Salto rückwärts, sondern eine Weiterentwicklung der Schulverwaltungsreform. Wir verfolgen damit drei zentrale Zielsetzungen:

Erstens: Die Schulämter in den kreisfreien Städten sollen in die neun Stadtkreise integriert werden. Die waren ja bislang davon ausgenommen.

Zweitens: Die Oberschulämter sollen aufgelöst und die Zuständigkeiten vor Ort ebenfalls in die Stadt- und Landkreise integriert werden.

Drittens: Wir brauchen zwei unabhängige Ämter, die quasi unterhalb des Ministeriums angesiedelt sind und die vor allem für die Lehrerversorgung an den beruflichen Schulen zuständig sind. Man hat hierbei angesichts der Spezialisten, die man vor allem an den beruflichen Schulen braucht, in der Tat Probleme, dies lediglich vor Ort, in den Landkreisen zu regeln. Mit solchen Mittelinstanzen können wir diese Probleme gut lösen; dies gilt auch für die Ressourcenzuweisung an die Landratsämter.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sie plädieren immer dafür, die Zuständigkeiten nach unten zu verlagern, die Verantwortung unten zu stärken. Sie machen im Bereich der Schulverwaltung genau das Gegenteil. Sie halten Sonntagsreden über die Stärkung der Verantwortung vor Ort; in der Praxis machen Sie jedoch das Gegenteil. Sie haben heute noch die Möglichkeit, unserem Antrag zuzustimmen, vor allem Sie, Herr Kollege Röhm.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir können wider- stehen!)

Machen Sie keine Bildungspolitik von oben. Lassen Sie die Schulaufsicht dort, wo es gut funktioniert, wo wichtige Synergieeffekte für unsere Kinder und Jugendlichen erzielt werden und wo ein vernetztes System von Jugendhilfe und Schulverwaltung möglich ist. Wir bitten also um Unterstützung für unseren Antrag.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir würden ja gern, Ihnen zuliebe! Ich mache Ihnen ein anderes Mal die Freude, Frau Rastätter!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schebesta für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute nicht zum ersten Mal über das Thema „Evaluation der Verwaltungsreform im Bereich der Schule“, und wir werden es auch nicht zum letzten Mal tun, denn es wird natürlich in absehbarer Zeit auch einen Gesetzgebungsprozess zu dem ganzen Komplex geben.

Zur Vorbereitung dieses Gesetzgebungsprozesses, Herr Kollege Zeller, sind die Entscheidungen in den letzten Wochen und Monaten getroffen worden, in dem Zeitablauf, den Sie kennen. Deshalb haben in dieser Woche die Standortentscheidungen stattgefunden. Das ist der zeitliche Verlauf, den die Vorbereitung dieses Gesetzgebungsprozesses nimmt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das war die Angst vor unserem Antrag!)

Deshalb muss ich es heute auch nicht so lang machen, da wir weitere Gelegenheiten haben werden, darüber zu diskutieren.

Es gab positive Aspekte, die mit der Eingliederung der Schulverwaltung in die Landkreise, mit der Angliederung an die Stadtkreise verbunden gewesen sind, z. B. die Zusammenarbeit mit Jugendhilfe und Eingliederungshilfe, die Abstimmung in verschiedenen Bereichen, z. B. bei Einschulungsuntersuchungen oder beim Umgang mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Das war bei der Diskussion des Gesamtkonzepts der Verwaltungsreform im Land Baden-Württemberg maßgeblich für die Entscheidung, zu versuchen, diese positiven Aspekte mit den Synergieeffekten der Eingliederung von vielen Sonderbehördenbereichen in die Kreise zu verbinden.

Man hat die Hoffnung gehabt, dass den Landratsämtern, den Stadtkreisen sehr wohl bewusst ist, dass zu kleine Einheiten keine effektive Schulverwaltung mehr darstellen. In den Jahren der Umsetzung hat es aber in diesem Bereich Kooperatio

nen, die effektivere Strukturen herbeigeführt hätten, nicht in dem Umfang gegeben – es hat sie de facto fast gar nicht gegeben –, wie wir sie gebraucht hätten. Es gibt Zusammenarbeit etwa in den Bereichen Fortbildung, Schulpsychologie, Reisekosten, aber es gibt nur zwei Fälle, in denen eine Zusammenarbeit wirklich auch über die Breite des Kerngeschäfts der Schulaufsicht im Land Baden-Württemberg stattfindet. Das ist zu wenig. Deshalb haben wir die zu kleinen Einheiten.

Herr Kollege Zeller, Sie haben es angesprochen, und es steht auch in den beiden Anträgen von SPD und Grünen, dass die Einheiten zu klein sind. Wir sind der Meinung, dass jetzt der Zeitpunkt ist, zu handeln, weil diese Kooperationen nicht in dem Umfang zustande gekommen sind, wie sie für eine effiziente Schulverwaltung notwendig gewesen wären.

Interessant, Frau Kollegin Rastätter, finde ich schon, dass Sie im Rahmen Ihrer positiven Beschreibung der Effekte der Schulverwaltungsarbeit davon gesprochen haben, wie im Kreistag über Schulpolitik gesprochen wird. Das ist alles gut und schön, aber im Kreistag wird keine fachliche Beratung und Schulaufsicht im eigentlichen Sinn gemacht.

Der Prüfstein dafür, ob die Verwaltungsstruktur effektiv ist oder nicht, ist aber gerade die Frage, ob diese Funktion ordentlich, mit einer ausreichenden Personalausstattung, mit der Möglichkeit der Spezialisierung wahrgenommen werden kann. Dafür sind eben größere Einheiten erforderlich als die, die wir in den Landratsämtern, bei Angliederungen in den Stadtkreisen haben. Deshalb wollen wir auf der unteren Ebene die 21 Einheiten, die Ihnen bekannt sind, als Sonderbehörden schaffen. Wir wollen damit wieder eine effiziente Schulverwaltung, die nicht durch Kooperationen zustande gekommen ist, erreichen.