Protokoll der Sitzung vom 03.04.2008

Meine Damen und Herren, Sie setzen mit Ihrer Sparpolitik, die bei der Polizei trotz der angekündigten Maßnahmen weitergeht – das sollte man nicht verschweigen –, das Ziel einer bürgernahen Polizei aufs Spiel.

Wenn zunehmend private Sicherheitsdienste eingesetzt werden – auch die kosten den Bürger Geld, Herr Innenminister; denn die bezahlt letztendlich der Bürger in seinem Laden, wo private Sicherheitsdienste gegenwärtig gang und gäbe sind, die sich vielfach, was man auch nicht verschweigen sollte, in einer gewissen Grauzone bewegen –, wird das staatliche Gewaltmonopol beeinträchtigt, und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat und in seine Polizei schwindet.

Richtig übel nehmen – das will ich deutlich sagen – muss man Ihnen, dass diese Entwicklung tatsächlich von Ihnen so gewollt ist. Denn sie ist nicht durch überraschende Umstände entstanden, die von irgendwo auf einmal auftauchen, wie seinerzeit in den Sechziger- und Siebzigerjahren, Herr Innenminister. Altersstruktur, Personal, Bevölkerungsentwicklung, Kriminalitätsentwicklungen – all dies war und ist doch bekannt und wurde von uns in diesem Haus in den zurückliegenden Jahren auch immer wieder angesprochen, von Ihnen aber mehr oder weniger arrogant beiseite gewischt.

Jetzt stehen Sie im Land vor einem echten Desaster, und der „Master of Desaster“,

(Heiterkeit des Abg. Claus Schmiedel SPD)

nämlich der Innenminister, versucht nach wie vor, durch Schönrederei oder durch undurchdachte Vorschläge zur Verschärfung der Sicherheitsgesetze von den wahren Problemen abzulenken, anstatt durch entschlossenes Handeln der Situation entgegenzuwirken.

(Beifall bei der SPD)

Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP/ DVP, sollten dem Innenminister in diesem Tun und Handeln nicht folgen, sondern Sie sollten alles daransetzen und alles Erdenkliche tun, um unserer Polizei im Land zu helfen und ihnen in den Dienstgruppen vor Ort wieder einen verlässlichen Dienstplan und damit eine Freizeit- und Urlaubsplanung zu ermöglichen, wozu auch gehört, dass sie einen menschenwürdigen Wechseldienst vollziehen können. Im Übrigen – Kollege Sckerl hat es angesprochen – gilt es, den nach wie vor dramatischen Überstundenberg abzubauen und auch Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen zu gewährleisten.

Ein erster Schritt wäre heute, unserem Antrag zuzustimmen,

(Abg. Norbert Zeller SPD: Der hört gar nicht mehr zu!)

der im Übrigen, Herr Blenke, nicht zu spät kommt. Das, was Sie gegenwärtig tun, kommt zu spät und ist darüber hinaus unzureichend.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 14/2404.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Ich bitte um getrennte Abstimmung!)

Es wurde um getrennte Abstimmung gebeten. Ich lasse deshalb zunächst über Ziffer 1 abstimmen. Wer Ziffer 1 des Antrags zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Gegenstimmen waren die Mehrheit. Ziffer 1 des Antrags ist somit abgelehnt.

(Abg. Ute Vogt SPD: Eine Zustimmung bei der CDU!)

Ich lasse über Ziffer 2 des Antrags abstimmen. Wer Ziffer 2 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Dan

ke. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Auch dieser Antrag ist mehrheitlich abgelehnt.

Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregie

rung – Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg – Drucksache 14/2442

b) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregie

rung – Gesetz zur Stärkung des Konnexitätsprinzips – Drucksache 14/2443

c) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des

Innenministeriums – Einlösung der Vereinbarung über die Fortentwicklung der Finanzbeziehungen und ein verbessertes Konnexitätsprinzip mit den kommunalen Landesverbänden vom 18. Oktober 2006 durch die Landesregierung – Drucksache 14/1316

Das Präsidium hat Folgendes festgelegt: Nach der Begründung der Gesetzentwürfe durch die Regierung erfolgt eine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort für die Landesregierung zur Begründung der Gesetzentwürfe erteile ich Herrn Innenminister Rech.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich heute nach einer intensiven Vorbereitungsphase die Regierungsentwürfe des Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Baden-Würt temberg und des Gesetzes zur Stärkung des Konnexitätsprinzips hier in der Ersten Beratung einbringen darf.

Mit beiden Gesetzentwürfen wird die Vereinbarung umgesetzt, die die Landesregierung und die kommunalen Landesverbände am 1. Dezember 2006 unterschrieben haben. Diese Vereinbarung sieht vor, dass das Konnexitätsprinzip, das seit Bestehen des Landes Baden-Württemberg in Artikel 71 Abs. 3 der Landesverfassung geregelt ist, durch eine Änderung der Verfassung und durch eine gesetzliche Regelung präzisiert, aber auch erweitert wird. Die Präzisierung dient dazu, das Konnexitätsprinzip an die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs klarstellend anzupassen.

Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass diese Regelung seit 1953 in der Landesverfassung verankert ist. Damit war das Land Baden-Württemberg von Anfang an sehr kooperativ und partnerschaftlich gegenüber den Kommunen ausgerichtet. Ich denke, das hat sich in Baden-Württemberg wie sonst wohl nirgends mit dieser Erfolgsbilanz bewährt.

Die Präzisierung des Konnexitätsprinzips beinhaltet insbesondere die Klarstellung, dass spätere vom Land veranlasste Änderungen des Zuschnitts oder der Kosten aus der Erledigung von Aufgaben, die zuvor vom Land auf die Kommunen übertragen worden sind, von dem Konnexitätsprinzip erfasst werden. Entsprechend der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs gilt dies auch für den Fall, dass es bei den vom Land übertragenen Pflichtaufgaben nach Weisungen später zu nicht vom Land veranlassten Änderungen der Kosten, nämlich aus der Erledigung, und damit zu einer wesentlichen Mehrbelastung

der Gemeinden oder der Gemeindeverbände – wenn ich jetzt im Folgenden „Gemeinde“ sage, dann meine ich natürlich auch immer Gemeindeverbände – kommt. Das gilt also auch für diesen Fall.

Es wird außerdem klargestellt, dass das Konnexitätsprinzip nicht nur bei der Übertragung von bestehenden öffentlichen Aufgaben Anwendung findet, sondern auch dann gilt, wenn eine völlig neue Aufgabe, die zuvor noch von überhaupt keiner öffentlichen Stelle wahrgenommen wurde, vom Land auf die Gemeinden übertragen wird.

Über diese Präzisierungen hinaus wird der Anwendungsbereich des Konnexitätsprinzips deutlich erweitert. Im Unterschied zur bisherigen Regelung soll das Konnexitätsprinzip künftig auch dann gelten, wenn das Land besondere Anforderungen an die Erfüllung von originären Gemeindeaufgaben begründet, also an die Erfüllung von nicht zuvor übertragenen Aufgaben. Auch da gilt es. Mit anderen Worten und vereinfacht ausgedrückt: Immer dann, wenn künftig Standards zur Art und Weise der Erfüllung einer originären kommunalen Aufgabe vom Land vorgegeben werden, wird regelmäßig bei finanziellen Mehrbelastungen der Kommunen ein Ausgleich des Landes zu leisten sein.

Nicht hiervon erfasst wird jedoch der Fall, dass in Förderrichtlinien die Förderung von Kommunen an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen geknüpft wird, da die Inanspruchnahme einer Förderung der freien Entscheidung einer Kommune überlassen bleibt. Also noch einmal: In dem Fall, dass in Förderrichtlinien die Förderung von Kommunen an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen geknüpft wird, greift das Konnexitätsprinzip nicht.

Darüber hinaus soll die bisher einfachgesetzlich geregelte Fallkonstellation, dass ein Mehrlastenausgleich auch bei Umwandlung einer freiwilligen Aufgabe der Gemeinden oder Gemeindeverbände in eine Pflichtaufgabe zu leisten ist, künftig in der Landesverfassung selbst geregelt werden. Damit wird einem weiteren ausdrücklichen Wunsch der kommunalen Landesverbände Rechnung getragen.

Wir haben einen zweiten Gesetzentwurf zu behandeln, nämlich das Gesetz zur Stärkung des Konnexitätsprinzips. Dort werden entsprechend der schon angesprochenen Vereinbarung zwischen Land und Kommunen in einem neuen Konnexitätsausführungsgesetz schlanke Regelungen zur Ausgestaltung des sogenannten Konsultationsverfahrens und zur Kostenfolgenabschätzung gesetzlich bestimmt. Auch dies ist, denke ich, ein deutlicher Fortschritt. Ich will insbesondere erwähnen, dass in diesem Gesetz erstmals festgelegt wird, was als Bagatellbelastung anzusehen ist und keinen Mehrlastenausgleich auslöst.

Ich will auf weitere Details zum Konnexitätsausführungsgesetz nicht eingehen. Ich möchte aber anmerken, dass sich die Regelungen insbesondere zur Ausgestaltung des Konsultationsverfahrens und zur Kostenfolgenabschätzung gerade an der in Bayern zu diesem Themenkomplex getroffenen Vereinbarung orientieren. Insofern wurde ebenfalls einem häufig von der kommunalen Seite geäußerten Wunsch entsprochen. Zugleich sollte mit der gefundenen Lösung natürlich auch vermieden werden, dass zu detaillierte Regelungen den bürokratischen Aufwand unnötig erhöhen.

Insgesamt, meine Damen und Herren Kollegen, bin ich überzeugt, dass mit diesem Gesetz die Balance zwischen einer notwendigen, sich auf das Wesentliche konzentrierenden Regelung und der Vermeidung einer übermäßig perfektionistischen Regelungsdichte gehalten wird.

Ich bin den kommunalen Landesverbänden außerordentlich und ausdrücklich dankbar dafür, dass sie von Anfang an gerade diese Zielsetzung voll mitgetragen haben. Vor diesem Hintergrund ist auch die vorgesehene Evaluierung zu sehen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sehr gut!)

Sie soll ermöglichen, dass das Land nach drei Jahren vor dem Hintergrund der dann gemachten Erfahrungen mit den neuen Bestimmungen – wiederum gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden – prüfen kann, ob und inwiefern möglicherweise ein Anpassungsbedarf beim Konsultationsverfahren und bei der Kostenfolgenabschätzung gegeben ist.

Nicht zuletzt wird mit der Änderung des Gesetzes über den Staatsgerichtshof eine Forderung der kommunalen Landesverbände nach besserer Beteiligung dieser Verbände in Verfahren vor dem Staatsgerichtshof, die das Konnexitätsprinzip betreffen, aufgegriffen. Auch da waren wir also bereit, den berechtigten Wünschen Rechnung zu tragen.

Zu dem Antrag der Fraktion GRÜNE vom Mai 2007 will ich nur anmerken, dass es für die Landesregierung wichtig war, dass die beabsichtigten Anpassungen gut vorbereitet werden. Dazu gehört, dass gerade in einer so wichtigen Angelegenheit, die ja zukunftweisend ist und den Weg, den wir schon seit 1953 eingeschlagen haben, noch intensiver fortsetzt, das Prinzip „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ gelten musste. Das sollte gerade bei einer Verfassungsänderung, bei der es zudem noch um einen grundlegenden Baustein der Regelungen zum Verhältnis zwischen Land und Kommunen geht, selbstverständlich sein.

Ebenso halte ich es für selbstverständlich, dass beide Gesetzentwürfe vorher intensiv abgestimmt wurden. Ansonsten wäre ein so breiter Konsens auch gar nicht möglich gewesen.

Mit diesen beiden heute erstmals im Plenum zu beratenden Gesetzentwürfen wird das Konnexitätsprinzip in BadenWürttemberg runderneuert. Damit trägt das Land auch den Wünschen der kommunalen Seite in hohem Maße Rechnung. Die beiden Entwürfe wurden zwischen dem Land und den kommunalen Landesverbänden intensiv erörtert. Ich freue mich, dass es bei der Diskussion gelungen ist, einen von beiden Seiten getragenen Konsens der Weiterentwicklung in Sachen Konnexitätsprinzip zu finden. Dafür und gerade auch für die konstruktive Haltung in den Gesprächen und Diskussionen bin ich den kommunalen Landesverbänden dankbar.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Letzte Bemerkung: Auch wenn in den Verhandlungen, die der Vereinbarung der Landesregierung mit den kommunalen Landesverbänden vorausgingen, die Positionen natürlich sehr engagiert vertreten wurden und zeitweise auch sehr gegensätzlich waren, waren diese Gespräche vom Geist einer fairen, partnerschaftlichen Kooperation zwischen Land und Kommunen gekennzeichnet. Das hat sich in der Tat ausgezahlt.

Ich denke, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das belegt auch der Umstand, dass sich in der bisherigen Vorabstimmung zu beiden Gesetzentwürfen eine breite Zustimmung – auch darauf will ich hinweisen, auch dafür bin ich dankbar – aller Fraktionen im Landtag abzeichnet. Ich begrüße dies nicht nur, weil es, wie Sie wissen, für eine Änderung der Landesverfassung einer qualifizierten Mehrheit bedarf. Ich erachte es als bedeutsam und wünschenswert, dass durch eine allseitige Zustimmung im Landtag zu den beiden Gesetzentwürfen einmal mehr der Wille des Landes unterstrichen wird, dauerhaft ein fairer und verlässlicher Partner für die Gemeinden und Gemeindeverbände zu sein. Ich danke deshalb schon jetzt für Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)