In der Aussprache erteile ich dem Vertreter der CDU-Landtagsfraktion, Herrn Abg. Herrmann, das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das bisherige Konnexitätsprinzip, das auf Deutsch „Wer bestellt, bezahlt“ heißt, wird durch die beiden Gesetzentwürfe deutlich erweitert. Wir hatten in der Landesverfassung schon bisher ein Konnexitätsprinzip, das aber nur lautete: Wenn das Land eine öffentliche Aufgabe auf die Gemeinden überträgt, hat es einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu schaffen. Darüber hinaus hat die bisherige Regelung nichts vorgesehen.
Der Minister hat schon darauf hingewiesen, dass die vorliegenden beiden Gesetzentwürfe weitgehend der Forderung der kommunalen Seite – insbesondere auch der kommunalen Landesverbände – entsprechen. Ich bin im Namen der CDU-Fraktion dankbar dafür, dass man auch hier kompromissbereit war.
Die Punkte, die der Minister angesprochen hat und die durch das Konnexitätsprinzip künftig geregelt sind, finden unsere volle Zustimmung. Ich möchte bei dieser Gelegenheit der Vollständigkeit halber allerdings auch erwähnen, was künftig nicht unter das Konnexitätsprinzip fällt, damit da keine Missverständnisse auftreten.
Wenn im FAG, dem Finanzausgleichsgesetz, Änderungen vorgenommen werden, unterliegt das nicht dem Konnexitätsprinzip. Selbstverständlich ist auch die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben oder die Erhöhung von Standards durch Bundesrecht eine Materie, die nicht dem Konnexitätsprinzip unterliegt. Die Umsetzung einheitlicher technischer Standards, soweit sie für alle, also für Private und für den Staat, gelten – wie Brandschutz, DIN-Normen, Stand der Technik und anderes mehr –, ist ebenfalls nicht erfasst. Auch höhere Kosten, die durch den Anstieg von Fallzahlen beispielsweise im Bereich der Sozial- und der Jugendhilfe entstehen, sind nicht erfasst. Maßnahmen mit ausschließlicher Innenwirkung, wie z. B. die Einführung der Doppik, würden auch nicht dem Konnexitätsprinzip unterliegen.
Trotzdem ist mit den beiden Gesetzentwürfen ein großer Wurf gelungen. Denn künftig gilt im Verhältnis zwischen Land und Kommunen in sehr viel mehr Fällen als bisher der Grundsatz: „Wer bestellt, bezahlt“.
Der Minister hat vorhin die Fallkonstellationen genannt, die künftig geregelt werden. Ich möchte die aus meiner Sicht wichtigste herausgreifen: Wenn das Land besondere Anforderungen an die Erfüllung bestehender, nicht übertragener Aufgaben begründet, dann ist ein finanzieller Ausgleich zu schaffen. Das heißt konkret: Wenn wir im Landtag beispielsweise beschließen, dass der Kindergarten gebührenfrei zu sein hat, dann hat das Land den Kommunen dafür auch einen finanziellen Ausgleich zu leisten.
Wenn wir beschließen, dass eine Kindergartenleiterin nur noch dann eingestellt werden darf, wenn sie eine akademische Ausbildung hat, dann hat ebenfalls ein entsprechender finanzieller Ausgleich stattzufinden.
Wenn das Land vorgibt, dass der Multiplikator bei der Weihnachtsbeihilfe nach SGB XII erhöht werden muss, ist das eine zwingende Vorgabe, die wiederum einen finanziellen Ausgleich zur Folge hat.
Durch die vorgesehenen Bestimmungen sind, wie gesagt, eine ganze Reihe künftiger Fallkonstellationen erfasst. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass dann, wenn wir das beschließen, auch das entsprechende Geld an die Kommunen weitergeleitet werden muss. Das halte ich für richtig und sinnvoll.
Verbunden ist mit den Gesetzentwürfen auch eine verbesserte Einbindung der kommunalen Landesverbände bereits bei der Vorbereitung und Erarbeitung von Gesetzentwürfen und eine erneute Anhörung, wenn sich die Kostenfolgen verändern sollten. Auch das ist richtig und sinnvoll.
Die kommunalen Landesverbände werden künftig auch ein Beitrittsrecht bei Klagen von Gemeinden oder Landkreisen vor dem Staatsgerichtshof haben, wenn aus deren Sicht die Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung ist und Kostenfolgen auslöst.
Für richtig halte ich auch, dass wir nach drei Jahren eine Überprüfung bzw. Evaluierung, wie es heute immer heißt – ich sage nach wie vor „Überprüfung“, das versteht auch jeder –, der Regelungen zur Kostenfolgenabschätzung in der Gemeinsamen Finanzkommission vornehmen, in der Land und Kommunen vertreten sind.
Auch hier sollten wir dann vorurteilsfrei und ergebnisoffen die Erfahrungen der ersten drei Jahre angehen und gegebenenfalls Konsequenzen ziehen.
Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Wir haben schon bisher ein gutes partnerschaftliches Verhältnis zwischen dem Land und den Kommunen in Baden-Württemberg. Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen.
Wir waren kürzlich mit dem Finanzarbeitskreis unserer Fraktion in Niedersachsen. Dort beträgt der Verbundsatz – das sind die Gelder, die die Kommunen aus dem Steueraufkommen erhalten – 17 %. Bei uns sind es 23 %. Viele Einzelmaßnahmen, die in Niedersachsen an die Kommunen gegeben werden, werden jedes Jahr nach dem Staatshaushaltsplan beschlossen. Wir haben einen außerordentlich hohen Verbundsatz und damit mehr Sicherheit für die Kommunen. Das ist in vielen anderen Bundesländern nicht so. Hier ist Baden-Württemberg schon in der Vergangenheit auch im finanziellen Bereich sehr positiv vorausgegangen.
Ein zweites Argument: Bayern wird immer wieder angesprochen, wenn es um das Thema Konnexität geht. Auch hier muss man klar sagen: Die Kommunen in Bayern haben eine deutlich höhere Verschuldung als die in Baden-Württemberg. Bay ern hat als Land eine geringere Verschuldung als BadenWürttemberg. In Bayern hat sich das Land teilweise auch zulasten der Kommunen entschuldet. Wir machen das in BadenWürttemberg nicht. Auch darauf möchte ich deutlich hinweisen.
Letzte Bemerkung: Alle Ebenen, egal ob Land oder Kommunen oder Bund, haben Aufgaben, die zu lösen sind. Alle haben die Aufgaben bisher gut gelöst und werden diese auch künftig gut lösen. Dem Bürger – und auf ihn kommt es an – ist es letztendlich egal, ob das Land, die Gemeinde oder der Bund zuständig ist. Für den Bürger ist wichtig, dass ein Problem in einer fairen Partnerschaft zwischen den einzelnen Ebenen gelöst wird. Das wird bei uns auch künftig im Vordergrund stehen.
Wir stärken mit diesen beiden Gesetzentwürfen die kommunale Ebene. Zu Details werden wir in den Ausschüssen noch einiges hinterfragen und beraten, aber im Grundsatz stimmt unsere Fraktion diesen beiden Gesetzentwürfen vollinhaltlich zu.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Innerhalb von zwei Tagen haben wir wichtige Verfassungsänderungen miteinander diskutiert und einmütig – ich nehme an, das gilt auch für das, was wir heute zu beraten haben – erledigt. Das ist etwas, was diesen Tag wirklich zu einem wichtigen Tag des Landesparlaments macht, auch wenn die Teilnahme der Bedeutung der Vorgänge leider nicht gerecht wird. Das bedaure ich ausdrücklich, weil dies ein Prozess ist, der nicht etwa innerhalb von Monaten zu einem Ergebnis geführt hat, sondern der seit Jahren andauert.
Wer, wie ich, im 13. Jahr dem Landesparlament angehört, hat in allen Bürgermeistergesprächen der letzten zehn Jahre vor
rangig den Auftrag bekommen, für eine angemessene Regelung zu sorgen, die besagt: Wer bestellt, soll bezahlen.
Wir haben dann auch auf die unzulängliche Finanzausstattung des Landes hingewiesen – sozusagen auf die höheren Schwierigkeiten aufgrund der Finanzsituation –, haben damit aber kein Verständnis ausgelöst, weil ab der Ära Kohl mit dem gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz sogar von der obersten Bundesebene her auf einmal Aufgaben bei den Gemeinden angekommen sind, ohne dass die dafür benötigten Mittel tatsächlich zur Verfügung gestellt worden sind. Ab diesem Zeitpunkt hat der Gedanke des Konnexitätsprinzips, den wir stolz in unserer Landesverfassung niedergelegt wähnten, für alle Gemeinden eine aktuelle und ständige Bedeutung bekommen.
Es ist mir wichtig, darzulegen, dass wir dabei sind, Regelungen zu treffen, die in einer fairen und gerechten Aufteilung im Rahmen der Finanzbeziehungen auch den Kommunen das geben sollen, was sie beanspruchen, nämlich die Möglichkeit, selbstverwaltet und stark die Bedürfnisse der örtlichen Gemeinschaft regeln zu können.
Ich erwähne in diesem Zusammenhang, dass wir gerade in diesem Jahr das Jubiläum „200 Jahre kommunale Selbstverwaltung – Freiherr vom Stein’sche Reformen“ feiern. Es ist gut, dass wir bei dieser Gelegenheit auch einmal darauf hinweisen, dass in der Entwicklung der deutschen Verwaltung die Selbstverwaltung der Gemeinden eine absolut wichtige Grundlage des demokratischen Miteinanders ist.
Angenehm ist, dass wir heute angesichts der Finanzsituation auf allen Ebenen über die Frage, wer denn wem etwas schuldet, etwas lockerer diskutieren können, als es in den letzten Jahren der Fall war. Ich möchte Ihnen wirklich vor Augen führen, dass wir im vergangenen Jahr 2007 erstmals seit 1969 bei den öffentlichen Haushalten insgesamt wieder schwarze Zahlen schreiben konnten: einerseits dank sprudelnder Steuereinnahmen und andererseits dank nur leicht gestiegener Ausgaben.
Man muss sich aber auch darüber bewusst sein, dass dies das Ergebnis der erfolgreichen Arbeit der Koalitionsjahre 1998 bis 2005 ist,
die – selbstverständlich mit einer gewissen Verzögerung – im Jahr 2007 ihren Niederschlag gefunden hat. Obendrein ist es nicht nur ein Ergebnis der Regierungsarbeit, sondern auch der Arbeit tüchtiger Unternehmen und Beschäftigter.
Wenn wir dies vor Augen haben, ist festzuhalten, dass auf Bundesebene nach wie vor ein Finanzierungsdefizit vorhanden ist, während bei Ländern, Gemeinden und gesetzlicher Sozialversicherung Überschüsse erzielt werden konnten, und zwar im Umfang von 10,9 Milliarden €. Es ist auch wichtig,
vor diesem Hintergrund zu wissen, dass bei den öffentlichen Haushalten eine Einnahmesteigerung um 3,4 % eingetreten ist, während sich die Ausgaben lediglich um 0,4 % erhöhten. Was der neue Tarifabschluss jetzt wieder nach sich ziehen wird, ist in dieser Prozentzahl nicht enthalten. Das muss bei den Ausgaben aber selbstverständlich ebenfalls Berücksichtigung finden.
Trotzdem ist bedenklich, dass der Gesamtschuldenstand der erwähnten Einheiten Ende 2007 bei 1,499 Billionen € lag. Deswegen ist der augenblickliche Zeitpunkt zwar gut; die Aufgabe des Schuldenabbaus besteht aber auf allen Ebenen weiter.
Was jetzt geschehen ist, haben unsere Fraktion und unsere Partei seit Jahr und Tag eingefordert. Als die Vereinbarung am 1. Dezember 2006 zustande gekommen ist, haben sich die Gemeinden auf Kürzungen eingelassen und haben als Gegenleis tung das Versprechen bekommen, dass das Konnexitätsprinzip endlich so ausgestaltet wird, dass tatsächlich derjenige, der die Aufgaben stellt, auch für die Finanzausstattung zu sorgen hat.
Dabei ist letztlich ein Kompromiss auf einer hohen Übereinstimmungsebene herausgekommen. Einige Einzelheiten werden wir im Ausschuss durchaus noch besprechen müssen. Es wird zu prüfen sein, ob das, was angestrebt werden sollte, in angemessener Weise Berücksichtigung gefunden hat.
Nur: Durch Konsultationsprozesse, durch eine Kommission, die den Versuch macht, objektiv zu ermitteln, und durch die Beteiligung der Verbände an den Verfahren des Staatsgerichtshofs ist auf jeden Fall sichergestellt, dass hier nicht mehr unter Haushaltsgesichtspunkten irgendwann gesagt werden kann: „Das war’s denn auch! Das sind eure Pflichtaufgaben! Dafür gibt es kein Geld!“ Vielmehr muss miteinander um Lösungen gerungen werden, damit zur Aufgabenerfüllung auch die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen.
Wir wollen heute auf Einzelheiten dieser beiden Gesetzentwürfe, die tatsächlich uneingeschränkt dem entsprechen, was wir seit Jahr und Tag eingefordert haben, nicht eingehen. Wir wollen aber zum Ausdruck bringen, dass die vorgesehenen Regelungen ein wichtiger Schritt voran sind. Ich gehe davon aus, dass alle Gruppierungen dieses Hauses sich an diesem Kompromiss, der gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden mühevoll und über viele Monate hinweg erarbeitet worden ist, beteiligen werden und dass sie gewährleisten wollen, dass die Gemeinden – trotz völlig unterschiedlicher eigener Finanzkraft – Lebensbedingungen sicherstellen, die dem entsprechen, was in einer Demokratie die Bürger zu zufriedenen, mit ihrer Gemeinschaft übereinstimmenden Mitbürgern macht.
So weit für die Fraktion. Wir werden zustimmen und werden in der Detailberatung im Innenausschuss noch einige Aspekte miteinander besprechen müssen.