Protokoll der Sitzung vom 30.04.2008

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten.

Dieses Gesetz behindert die Umsetzung und schafft für die Menschen eher große Schwierigkeiten.

Ein anderer Punkt ist: Das Pflegeweiterentwicklungsgesetz sieht vor, Pflegestützpunkte einzurichten. Das ist eine gute Möglichkeit, die man z. B. an ein flexibles Einrichtungs- und Diensterecht, das diesen ganzen Bereich abdeckt, hätte andocken können. Das wäre ein wichtiger Meilenstein gewesen, um dieses Gesetz zu erweitern, flexibler zu machen, näher an die Menschen heranzubringen. Diese Chance haben Sie leider in keiner Weise ergriffen. Das finde ich sehr schade.

Wir werden im Ausschuss in die Diskussion einsteigen. Ich hoffe sehr auf unsere große Überzeugungskraft und auf den Veränderungswillen der Regierungsfraktionen. Was auf jeden Fall verändert werden muss: Es muss – das ist das Alleroberste

eine geschlechtergerechte Sprache geben. Es kann ja wohl nicht sein, dass nur von „Bewohnern“ die Rede ist und nicht von „Bewohnerinnen und Bewohnern“.

(Beifall des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Mindestens 70 % der Heimbewohner sind Frauen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Das ist ja wohl das Allermindeste, was da verändert werden muss. Alles Weitere sage ich in der zweiten Lesung.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute über das erste Heimgesetz eines Landes, nachdem wir durch die Föderalismusreform die Zuständigkeit dafür bekommen haben. Ich habe manchmal schon das Gefühl, dass wir Themen, die für zunehmend mehr Menschen in diesem Land – Stichwort Demografie – zentral wichtig sind, allein aufgrund der Tagesordnung, hinsichtlich der Länge der Beratung usw. doch etwas stiefmütterlich behandeln. Deswegen sollten wir bei aller Kürze und bei all dem, was die Ministerin als Quintessenz dieses Heimgesetzes vorgestellt hat, bei all unseren Debatten die Menschen, um die es geht, tatsächlich in den Mittelpunkt stellen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Frau Mielich, ich fange einmal mit den Menschen an. Die Menschen, die da oben auf der Zuhörertribüne sitzen und möglicherweise irgendwann einmal ein Problem haben und dann fragen: „Gibt es da eigentlich bei uns in Baden-Würt temberg ein Gesetz?“ und dann unter Ihrem – Frau Mielich, helfen Sie mir – modernen

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Einrichtungs- und Diensterecht!)

„Einrichtungs- und Dienstegesetz“ suchen, würden sagen: Das ist typische Bürokratensprache. Jeder weiß: Heimgesetz ist Heimgesetz.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Dazu sollte man hier kein Zerrbild darstellen. Wir wollen den Menschen, der in einem Heim notwendige Pflege und Betreuung in Anspruch nimmt, aber auch den Menschen, der diese Pflege leisten muss, in den Blick nehmen und beides nicht gegeneinander ausspielen, sondern zusammen betrachten. Dann, glaube ich, haben wir mit diesen zentralen Kernpunkten für dieses Heimgesetz einen Fortschritt erreicht. Ich gebe gern zu, dass wir uns an der einen oder anderen Stelle noch mehr hätten vorstellen können.

Das Allerwichtigste für mich ist, dass die Menschen hier im Land Baden-Württemberg die Gewissheit haben, wenn sie

notwendige Hilfe in Anspruch nehmen müssen, dass die Einrichtung, in deren Hände sie sich begeben, mit Sicherheit eine solche Qualität vorhält, die staatlich von uns garantiert ist, und dass sie nicht befürchten müssen, dass sie da, wo sie selbst Kontrolle und Selbstbestimmung nicht mehr in ausreichendem Maße ausüben können, alleingelassen würden.

Deswegen sind wir in der Tat der Meinung, dass wir die Mitwirkungsrechte in den Heimen deutlich verbessern müssen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Das ist erstmalig in diesem Heimgesetz eine klare Zielvorgabe – das ist noch in der Heimmitwirkungsverordnung respektive in der zusätzlichen Verordnung zu konkretisieren –, die wir hier ausdrücklich benannt haben: Heimbeiräte, Ersatzgremien, wenn Heimbeiräte nicht gebildet werden können, Angehörigen- und Betreuerbeiräte

(Abg. Werner Raab CDU: So ist es!)

und Heimfürsprecher dort, wo alle anderen Möglichkeiten nicht gegeben sind.

Das ist ein Thema, bei dem gerade ältere Menschen, die noch fit, aktiv und ehrenamtlich engagiert sind, sich schon jetzt massiv einbringen. Ich kenne viele, die im Interesse von Heimbewohnerinnen und -bewohnern deren Rechte durchaus wahrnehmen, und zwar noch besser wahrnehmen, als das jede staatliche Aufsicht je könnte.

(Beifall des Abg. Karl Rombach CDU)

Deswegen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Die Frage ist: Wie findet die Kontrolle statt? Damit sind wir bei der Prüfung solcher Einrichtungen. Wir haben dem zugestimmt, dass – das ist auch richtig – die Prüfungen künftig in der Regel unangemeldet erfolgen. Aber eine Kritik, die sich die Heimaufsicht immer hat gefallen lassen müssen, ist, dass es oft mehr darum ging, alle möglichen Papierchen zu überprüfen und zu prüfen, ob jede Unterschrift geleistet wurde oder ob der Feuerlöscher an der richtigen Halterung angebracht ist.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist ganz wichtig!)

Das sagt möglicherweise vergleichsweise wenig über die Qualität in dem Heim aus. Vielmehr sind die Fragen wichtig: Wie ist das Ergebnis? Wie sind die Menschen in dieser Einrichtung versorgt? Darauf wollen wir künftig zusammen mit der Heimaufsicht mehr Wert legen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Deswegen geben wir sogar zusätzliches Geld. Wenn eine Verwaltungsangestellte aus einem Landratsamt die Heimaufsichtsprüfung durchzuführen hat, dann macht es vielleicht Sinn, dass sie die Unterschriften prüfen kann. Aber vielleicht hat sie nicht die fachliche Qualifikation, um wirklich das Ergebnis der Pflege zu prüfen. Deswegen ist es ein Riesenfortschritt, dass wir im Gesetz normiert haben, bei den Heimbegehungen Pflegefachkräfte einzuschalten, und dass wir dafür auch Geld zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Sehr richtig!)

Wie immer, wenn man unterschiedliche Ziele, nämlich die Sicherung von Qualität und den Schutz der Verbraucher, in den Mittelpunkt stellt, ist zu fragen, ob man nicht möglicherweise mit bestimmten gesetzlichen Vorgaben verhindert, dass sich neue Formen der Betreuung entwickeln. Eines der Ziele dieses Gesetzes, nämlich dass wir auch für ältere Menschen den Grundsatz „Mittendrin statt außen vor“ gewährleisten wollen, dass wir gemeindeintegriert kleine Einrichtungen und Wohnformen entwickeln können, ist doch bisher daran gescheitert, dass schlicht und einfach viel zu hohe gesetzliche Standards vorgeschrieben wurden, die für das Wohnen zu Hause nicht gelten. Das hat bisher die Entwicklung behindert. Deswegen haben wir, glaube ich, mit Augenmaß ein Stück weit besser definiert, was künftig überhaupt noch unter den Begriff „Heim“ zu fallen hat. Dass es da noch Differenzierungsprobleme gibt, gebe ich gern zu.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Ende.

Auch über die Frage, ob insbesondere bei den Menschen mit Behinderungen die Zahl von sechs Plätzen das letzte Wort sein muss, müssen wir uns noch einmal unterhalten.

Ich glaube, wir dürfen hier von dieser Stelle aus das Signal geben: Es wird mit diesem neuen Heimgesetz mehr Flexibilität geben, damit neue Wohnformen erprobt werden können und die Menschen dennoch sicher sein können, dass das nicht zulasten der Qualität geht, sondern dass der Mensch in diesen Einrichtungen wieder mehr im Mittelpunkt der Gemeinschaft steht.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, würden Sie bitte zum Schluss kommen.

Zum Schluss will ich sagen:

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das sind Themen, die für viele Menschen in diesem Land wirklich wichtig sind. Ich hätte gern noch dargelegt, dass das Vertragsrecht im Wesentlichen sehr viel mehr von der Pflegeversicherung bestimmt wird als vom Heimgesetz und dass es da natürlich Konkurrenzen gibt.

Ich will nur zum Schluss sagen: Wir sollten an dieser Stelle einmal die parlamentarische Übung praktizieren, dass ein Gesetzentwurf, der von seinen Grundsätzen und Eckpunkten her sicherlich einen Fortschritt darstellt, das Parlament nach der zweiten Lesung nicht zwingend so verlassen muss, wie er in der ersten Lesung eingebracht worden ist.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP und Theresia Bauer GRÜNE)

Damit signalisiere ich, dass wir das Thema Anhörung ernst nehmen wollen und solche Detailregelungen wirklich in aller Ernsthaftigkeit noch einmal überprüfen wollen.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Glo- cke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich bedanke mich für das Verständnis.