Entscheidend ist also die Verlässlichkeit in der Landwirtschaftspolitik der EU, des Bundes und des Landes. Seit Jahren hetzt ein Programm der EU das andere. Diese Zwischenbilanz ist völlig berechtigt, aber sie darf nicht dazu führen, dass man Zusagen, die gegeben wurden, nämlich dass es bis zum Jahr 2013 keinen weiteren „Purzelbaum“ in der Agrarpolitik gibt, bricht. Diese Zusagen müssen eingehalten werden. Das heißt für mich, dass auch die Direktzahlungen aus der ersten Säule bis 2013 gesichert sein müssen.
Meine Damen und Herren, es geht uns vor allem darum, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Bauern innerhalb Europas insgesamt zu verbessern. Leider sattelte die Bundesregierung bei der Umsetzung europäischer Rechtsetzung wieder einmal drauf. Manchmal – auch das ist schädlich für den Wettbewerb – zieht sie auch bestimmte Dinge zeitlich vor und nimmt in Kauf, dass dies zum Nachteil der eigenen Landwirtschaft gerät.
Sie wollen Beispiele? Bei der Käfighaltung hatte man die Möglichkeit, bis 2011 EU-weit gemeinsam zu handeln. Ich könnte Ihnen eine ganze Menge Beispiele nennen, etwa auch zum Thema Viehtransport. Da hat man draufgesattelt und Dinge vorgezogen. Das kann nicht sein.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wollen Sie Hennen quälen? Das ist ja ein Plädoyer für Tierquälerei!)
Ich glaube, wir brauchen dieses Thema nicht zu erwähnen, sondern es geht jetzt um die Gemeinsame Agrarpolitik. Ich sage: Die Ziele sind richtig, aber die Umsetzung muss so sein, dass auch eine Harmonisierung eintritt.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das Problem ist, dass dann die Tiere woanders gequält werden! – Zu- ruf der Abg. Christine Rudolf SPD)
Meine Damen und Herren, ich möchte gern noch ein paar Worte zu den Klagen über die teuren Lebensmittel sagen. Kollege Paul Locherer, du hast ja gesagt, dass im Bereich der Märkte, des Kartells und der Discounter vieles nicht in Ordnung sei. Ich möchte noch mit einem anderen Märchen aufräumen, und zwar mit dem Märchen, dass derzeit die Lebensmittel so unheimlich teuer seien.
Drei Beispiele: Die Bundesbürger gaben 2006 für den Verkehr 179 Milliarden € aus, für Nahrungsmittel und Getränke gerade einmal 145 Milliarden € und für Freizeit und Unterhaltung 120 Milliarden €. Ein weiteres Beispiel zum Thema Lebensmittelkosten: Im Jahr 1970 musste der Bundesbürger für 1 kg Schweinekoteletts 96 Minuten arbeiten, heute ist es jedoch nur noch ein Viertel dieser Zeit, nämlich 23 Minuten. Für zehn Eier musste er 22 Minuten arbeiten, heute sind es nur noch vier Minuten. Zu der Behauptung, die Milch, dieses tolle Lebensmittel, sei so teuer geworden: Früher musste man für einen Liter Milch neun Minuten arbeiten, und heute sind es gerade noch drei Minuten. Unsere Lebensmittel sind Mittel zum Leben und sind etwas wert, meine Damen und Herren.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Abg. Karl Rombach CDU: Bravo! Sehr gut! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl!)
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Gibt es noch eine weitere Runde? – Gegenruf der Abg. Katrin Altpeter SPD: Nein!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir über das Thema „Zwischenbilanz der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union“ reden, so hat dieses Thema natürlich sehr massive Auswirkungen – je nachdem, was letztendlich geändert wird – auch für BadenWürttemberg. Ich bin deshalb der Unionsfraktion dankbar, dass sie in einer spannenden Zeit dieses Thema aufgegriffen hat.
Es geht in der Summe, wenn man das gesamte Finanzvolumen zugrunde legt, das wir in Baden-Württemberg für diesen Sektor einsetzen, um 600 Millionen €. Da spielt es natürlich schon eine Rolle, wie und in welcher Form diese Mittel eingesetzt werden.
Lassen Sie mich hierzu aber doch noch einmal die Historie bemühen. Wir schreiben jetzt das Jahr 2008. 1957 wurde die Agrarpolitik als einer von ganz wenigen Politiksektoren – damals ging es auf europäischer Ebene vor allem um Kohle und Stahl und um Atomenergie – Gemeinschaftspolitik.
Man hat diesen Sektor damals bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft als Dreingabe betrachtet, im Übrigen aber darauf geachtet, dass tatsächlich nur wenige Politikbereiche vergemeinschaftet werden. Das ist insofern, Herr Kollege Pix, wichtig, als damit auch erklärbar wird, warum Europa in diesem Sektor nicht nur eine hohe Regelungskompetenz, sondern auch eine hohe Finanzkompetenz aufweist und warum heute noch rund 40 % des Gesamthaushalts der Europäischen Union für diesen Sektor ausgegeben werden. Der Grund liegt darin, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir natürlich wollen, dass Bildungspolitik, Finanzpolitik oder Gesundheitspolitik
Denn wir verfahren nach dem Subsidiaritätsprinzip und wollen, dass diese Politikbereiche in den Händen der Mitgliedsstaaten verbleiben.
Deshalb nehmen die Agrarausgaben einen hohen Anteil ein; denn die Agrarpolitik war einer der wenigen Politikbereiche, die vor 50 Jahren Gemeinschaftspolitik geworden sind. Dies kann und darf allerdings nicht die eigentliche Zielsetzung sein. Ich glaube, das ist heute Vormittag wieder deutlich geworden.
Die Entscheidung damals war verständlich, denn es ging in dieser Situation um die Frage der Ernährungssicherung. Nun kann man fast sagen: 50 Jahre später stellt sich diese Frage von Neuem – vielleicht nicht in Europa, sicherlich aber weltweit. Hierzu muss man eine kurze Ursachenanalyse betreiben, und diese will ich nun in knapper Form darlegen, ohne dabei zu weit auszuschweifen.
Erstens: Das Grundproblem einer sich abzeichnenden mangelnden Versorgungslage in Teilen der Welt ist nicht ein agrarpolitisches Thema, sondern es ist ein Thema der dortigen Wirtschaftssysteme. Es hängt zusammen mit Diktaturen, und es zeigt sich in Hungersnöten und Krisen, die durch örtliche, lokale, regionale Systeme und Politikstrukturen ausgelöst worden sind. Das gilt es zunächst einmal festzuhalten.
Zweitens: Verknappungen auf den Weltmärkten finden statt, weil sich – Gott sei Dank – der Wohlstand der Menschen weltweit deutlich verbessert hat. Wir haben in den letzten Jahren ein Weltwirtschaftswachstum von 4,5 bis 5 % zu verzeichnen. Damit ist der Wohlstand der Menschen weltweit gestiegen, und damit verändert sich auch das Ernährungsverhalten gravierend. Für die Produktion von 1 kg Schweinefleisch braucht man nun einmal einen Input an Futtermitteln von insgesamt 3 kg. Es ist also klar: Es wird mehr Fleisch konsumiert – ob Sie das wollen oder nicht, Frau Kollegin Splett. Allerdings dürfen wir als Konsumenten von durchschnittlich 120 kg Schweinefleisch pro Jahr nicht vom hohen Ross aus auf die herabblicken, die nur 20 oder 30 kg konsumieren, und sagen: Nun macht einmal langsam; mit eurem Fleischkonsum gefährdet ihr die Lebensmittelversorgung.
Das Ernährungsverhalten verändert sich. Damit ist eines ganz klar: Mit einer Veränderung des Ernährungsverhaltens steigt die Nachfrage nach Futtermitteln und nach Getreide.
Dritter Punkt: Wir haben in wesentlichen Exportländern der Welt – dazu zählen bei Getreide die Ukraine und Russland, dazu zählen bei Milch und Fleisch Australien und Neuseeland – in den letzten fünf Jahren gravierende Trockenheitsperioden erlebt. Auch das hat zu Verknappungssituationen beigetragen.
Vierter Punkt: Eine untergeordnete Rolle – in Europa ist es praktisch bedeutungslos – spielt das Thema Bioenergie. Sie spielt regional eine Rolle – z. B. in Nordamerika in der Verspritung von Mais, in Südamerika durch Zuckerrohr, aber auch verstärkt Mais –, aber sie wird den Weltmarkt und die Preise nicht nachhaltig beeinflussen.
Wenn man diese Analyse sieht, wird schnell klar, dass es bei der Zwischenrevision zum Health Check auch darum geht, Antworten auf die Frage zu finden: Wie richten wir die Landwirtschaft in Zukunft aus, und welche politischen Rahmenbedingungen braucht sie?
Herr Kollege Murschel, Ihr Ansatz ist falsch, zu sagen: nur Vielfalt und nur Extensivierung. Denn, meine Damen und Herren, wir stehen auch vor dem Problem der weltweiten Sicherstellung der Ernährung. Da hat die Europäische Union als potenzieller Exporteur auch die Verpflichtung und die Aufgabe,
in diesem Bereich intensiver als in der Vergangenheit zu wirtschaften. Das ist das Gebot der Stunde.
Meine Damen und Herren, Frau Künast hatte eben nicht recht, als sie sagte: Klasse statt Masse. Aus dem „statt“ muss ein „und“ werden: Wir brauchen klasse Produkte, aber wir brauchen auch die Produkte massenhaft auf den Märkten. Das ist das Gebot der Stunde.
Das gilt gerade für die, die sich um die Armen in der Dritten Welt und deren Hunger und Mangelprobleme sorgen. Das sage ich ganz bewusst dazu.