Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

Wir wollen nicht nur kritisieren, sondern wir wollen auch Vorschläge machen. Dazu werde ich nachher Gelegenheit haben. Denn wenn die Opposition keine Vorschläge macht, dann macht sie niemand.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Er hat schon zehn Minuten gesprochen! Jetzt ist es vorbei! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Es sollten aber auch sinnvolle Vorschläge sein!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind froh, dass wir über die Innovationskraft der baden-württembergischen Wirtschaft und nicht über die Innovationskraft der baden-württembergischen Landesregierung sprechen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: Gut!)

Die Innovationskraft der Wirtschaft fällt deutlich besser aus. Bei der Landesregierung ist die Bilanz des Erreichten doch eher mau. Ein schönes Beispiel hierfür war heute Morgen bereits die Kabinettsumbildung, die wir hier miterleben durften.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Da war von Innovationsfähigkeit nichts zu spüren. Am innovativsten sind Sie noch, wenn es um absurde Kampagnen für Muttertagsblumen oder Sonstiges geht.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Jetzt zum Thema!)

Interessant ist, dass die FDP/DVP für Förderprogramme wirbt. Sie werben für Förderprogramme wie das „Zukunftsprogramm Mittelstand“. Der Herr Minister wird sicherlich gleich einige weitere Förderprogramme vorstellen, die er alle auf den Weg gebracht hat. Andererseits beschließen Sie auf Bundesparteitagen Steuersenkungen für alle. Sie fordern die Abschaffung der Erbschaftsteuer – immerhin 700 Millionen € nimmt das Land Baden-Württemberg hierdurch bislang pro Jahr ein.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Die Grünen wollen sie erhöhen! Das sind die Unterschiede! – Zu- ruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

Da frage ich mich, wo Sie denn in Zukunft mit solchen Forderungen die Finanzierung für Ihre Wirtschaftsförderung überhaupt hernehmen wollen.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Franz Un- tersteller GRÜNE)

Wir haben jetzt schon zu einigen Aspekten Ausführungen gehört.

(Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Es wurden vom Kollegen Rülke die Innovationsgutscheine genannt. Deren Start war ein bisschen holprig, aber grundsätzlich haben wir nichts gegen Innovationsgutscheine einzuwenden. Wir haben bei 400 000 Betrieben im Land ein Budget von 3 Millionen € jährlich; dieses Modellprojekt ist zudem auf zwei Jahre begrenzt. Sie sehen also, dass es nicht besonders üppig ausgestattet ist.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Homöopathische Do- sis!)

Ja, das ist nur eine homöopathische Dosis. – Jetzt sollte man meinen, dass es das Bestreben des Wirtschaftsministers sein sollte, das Projekt, wenn es gut läuft, über eine Modellphase von zwei Jahren hinaus zu verlängern und die Förderung zu verbreitern. Was aber erleben wir? Es gibt, wie wir jetzt Ihrer Presseerklärung entnehmen konnten, ein neues Programm, und dieses trägt den Titel „Innovationsassistent“.

(Minister Ernst Pfister: Was? Das gibt es schon lan- ge! – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Ihre Rede ist auch nicht innovativ!)

Da hat mich doch sehr gewundert, dass Herr Kollege Löffler – er ist leider gerade nicht im Saal – ein Programm lobt, das eigentlich eine Aufgabe der Arbeitsagentur darstellt. Durch dieses Programm werden nämlich Stellen bei Unternehmen mit Landesmitteln subventioniert. Da, denke ich, sollten Sie lieber auf die Innovationsgutscheine setzen und nicht die Arbeit der Bundesagentur übernehmen.

Kollege Prewo hat bereits einiges zum Innovationsrat gesagt. Wir warten bis heute auf Ergebnisse und auf Handlungsempfehlungen dieses Innovationsrats.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Er wird sie nachher ver- künden! Er ist dabei!)

Klar ist: Wenn die Wirtschaft bei ihren Innovationen das gleiche Schneckentempo wie die Landesregierung vorlegen würde, dann wäre Baden-Württemberg als Wirtschaftsstandort schon längst in die Bezirksliga abgestiegen, meine Damen und Herren.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Auch die Schne- cke ist eine Innovation!)

Wie dieser Innovationsrat besetzt ist, ist zudem bedenklich. Es gibt einen dreiköpfigen Vorstand. Einer der Vorstände ist der Ministerpräsident des Landes. Dieser Vorstand ist nur mit Männern besetzt. Es gibt in diesem Innovationsrat 51 Mitglieder. Davon sind exakt sieben Frauen.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Sehr innovativ!)

Ich kann nur sagen: Wenn sich Europa bis zum Jahr 2010 zu einem wettbewerbsfähigen und dynamischen Wirtschaftsstandort entwickeln will und wenn Baden-Württemberg dazu einen Beitrag leisten will, dann sollten Sie endlich merken, dass Sie auf das Potenzial von Frauen in Bezug auf Innovation auf keinen Fall verzichten können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie der Abg. Dr. Birgit Arnold FDP/DVP)

Bedauerlicherweise haben wir von Ihnen in zwei entscheidenden Punkten,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

die für die Innovationskraft der Wirtschaft ausschlaggebend sind, nichts gehört.

Das ist zum einen die Frage: Wie sollen wir eigentlich mit dem Klimawandel umgehen, der einschneidende Konsequenzen für Mensch, für Umwelt und für die Wirtschaft hat, der Studien zufolge bis zum Jahr 2050 Folgekosten in Höhe von schätzungsweise 800 Milliarden € verursachen wird, der zu klimatischen Veränderungen führen wird, die auch die baden-württembergische Wirtschaft, besonders die Landwirtschaft, extrem beeinträchtigen werden? Forschungsinstitute gehen von Kosten in Höhe von ca. 129 Millionen € allein für Baden-Württemberg aus. Wir haben kein Wort darüber gehört, wie Sie diese Herausforderung bewältigen wollen. Das wäre der entscheidende Punkt, um für eine innovative wirtschaftliche Entwicklung in Baden-Württemberg zu sorgen. Denn Ökonomie hat keine Zukunft, wenn sie nicht ökologisch wird.

Wir Grünen sagen deshalb: Baden-Württemberg hat die bes ten Chancen, wenn es darum geht, klimaschonend, ressourcenschonend und energieeffizient zu wirtschaften. Wir sind in Baden-Württemberg gut aufgestellt. Wir haben alle Potenziale, um das auszubauen. Auch das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut geht davon aus, dass dieser Sektor der grünen Technologien – ich zitiere – „eine elektrisierende Einladung an kreative Tüftler, neugierige Erfinder, kluge Investoren und mutige Unternehmer“ ist. All die Voraussetzungen sind in Baden-Württemberg gegeben.

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Deshalb geht es darum, diese Wachstumschancen auch wirklich auszuschöpfen.

Was Sie, Herr Minister Pfister, und auch Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, dafür tun könnten, wäre, sich z. B. des neuen Projekts „Product Carbon Footprint“ anzunehmen. Daran sind sechs Unternehmen beteiligt,

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Was ist das auf Deutsch?)

u. a. die dm-Drogeriemarktkette von Götz Werner. Bei diesem Projekt geht es darum, Herr Kollege Theurer, zu untersuchen, welche Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette entstehen, diese zu dokumentieren, zu verringern und langfristig auch eine CO2-Kennzeichnung von Produkten zu erreichen.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Bitte mit deut- schem Titel!)

Es wäre eine innovative Idee, dazu eine Pilotstudie über Einsparpotenziale zu machen. Wir wissen, dass 40 % der klimarelevanten Emissionen eines jeden Bundesbürgers durch Ernährung und Konsum verursacht werden. Hier erwarten wir Ihre Initiative.

Ein letzter Punkt: Es ist natürlich klar, dass Innovation ohne ein solides Bildungsfundament nicht möglich ist. Es ist auch klar, dass diese Landesregierung in der Bildungspolitik die Entwicklung seit Jahren verschläft. Sie müssen sich mittlerweile harsche Kritik von der Wirtschaft gefallen lassen, dass Sie nicht Sorge dafür tragen, dass das Bildungsfundament der Jugendlichen hier in Baden-Württemberg ausreichend ist. Nicht umsonst fordert der Baden-Württembergische Handwerkstag ein gerechtes Schulsystem mit individueller Förderung. Kürzlich hat auch die IHK Region Stuttgart harsche Kritik an der Landesregierung geübt und gesagt: „Geben Sie doch bitte mehr Geld für Bildung aus. Sie können auf der anderen Seite auch gern Subventionen für die Wirtschaft streichen.“ Das sollten Sie endlich ernst nehmen: Ohne ein gutes Bildungsfundament werden wir in Zukunft, was die Innovationsfähigkeit des Landes betrifft, nicht gut aufgestellt sein.

Danke.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Rainer Pre- wo SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Sitzmann und Herr Dr. Prewo, da haben wir ja schöne Bilder von unserem Land Baden-Württemberg gezeichnet bekommen.

Frau Sitzmann, zunächst einmal haben Sie über die Erbschaftsteuer gesprochen. Ich habe in meinem ersten Redebeitrag versucht, deutlich zu machen, dass wir durchaus selbstkritisch sehen, dass wir in der Innovationspolitik noch Probleme beim Mittelstand, bei den kleinen und mittleren Betrieben haben. Aber denen helfen Sie ganz bestimmt nicht mit irgendwelchen Fantasien zur Erbschaftsteuer. Denn wenn Sie einmal mit Mittelständlern reden und sehen, wie viele Tausend Betriebsübergaben in den nächsten Jahren anstehen, dann merken Sie: Das ist eines der ganz großen Probleme. Ich denke, wir sind schon auf dem richtigen Weg, wenn wir die Erbschaftsteuer infrage stellen, insbesondere bei den Modellen, über die gerade in Berlin diskutiert wird.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Wie finanzieren Sie das denn?)

Dann haben Sie, Frau Sitzmann, den Klimawandel angesprochen. Es freut mich, dass jetzt der Klimawandel angesprochen wird, weil der Klimawandel ein schönes Beispiel dafür ist, was passiert, wenn grüne Politik in die Verantwortung kommt. Denn nun erklärt Ihr ehemaliger Kollege Boris Palmer aus Tübingen – neuerdings könnte man sagen: „CO2-Bobbele“ – plötzlich: „Wir brauchen Kohlekraftwerke“, und tätigt sogar Investitionen in diese Kohlekraftwerke. Denn die Kernenergie ist ja tabu; ihr hat man sozusagen im grünen Glaubensbe

kenntnis abgeschworen. In der Realität kommt man dann wieder zur Kohlekraft zurück und muss leise weinend zugestehen, dass alles Geschwätz vom Klimawandel nur so lange taugt, wie man in der Opposition ist und darüber reden kann, aber nicht zu handeln braucht.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Was das Bild des Landes Baden-Württemberg anlangt, das Sie gezeichnet haben, Herr Kollege Prewo, habe ich mich schon gefragt: Sind wir jetzt im 21. Jahrhundert in Baden-Württemberg, oder sind wir irgendwo mitten im Dreißigjährigen Krieg und hören einen Grabgesang von Andreas Gryphius?