Es macht uns auch sehr betroffen, Herr Bayer. Aber die Betroffenheit ist das eine, die Realität das andere. Man muss sich vor Augen führen, dass Baden-Württemberg das mit am dichtesten besiedelte Bundesland ist, auch aufgrund dessen, dass in den letzten Jahren immer mehr Menschen zugewandert sind und wir ein Transitland sind, seit der Osten geöffnet ist. Das alles trägt dazu bei, dass unser Straßennetz überlastet ist. Wie dringend das Problem ist, wurde auch heute in der Fragestunde klar, in der das Thema Straßen dominiert hat. Allerorten wurden Forderungen erhoben, doch noch mehr in den Straßenbau zu investieren. – Das nur zu unserer Glaubhaftigkeit.
Neben den direkten Tierverlusten sind die Verkehrsachsen verantwortlich für eine immer weiter fortschreitende Verinselung der Tierpopulationen. Das möchte ich hier nicht infrage stellen. Die Problematik ist seit Langem bekannt, und wir steuern bereits auf vielfältige Weise dagegen. Das hat auch die Stellungnahme zum vorliegenden Antrag, Frau Dr. Splett, gezeigt. So haben wir hier in Baden-Württemberg bereits 20 Grünbrücken bzw. Landschaftsbrücken erstellt. Sieben weitere solcher Querungshilfen sind geplant oder bereits im Bau befindlich.
Dazu kommen noch zahlreiche Grünunterführungen, auch unter den Autobahnen. Jeder von Ihnen kennt sie, denn als Kind hat man sie gern genutzt, weil sie ein bisschen unheimlich waren. Diese Brücken sind nirgends genau gelistet, sodass man Ihnen solche Informationen gar nicht geben kann.
Sehr geehrte Damen und Herren, Baden-Württemberg hat bereits seit 2003 ein wissenschaftliches Vernetzungskonzept für bestimmte Wildtierarten erarbeitet und war seither Vorreiter in Deutschland. Das verdanken wir vor allem unserer Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg, auf die wir sehr stolz sind und an die ich auch unseren Dank übermitteln möchte.
Als Schwerpunkte lassen sich aus dem Wildtierkorridorprojekt folgende Korridorachsen ableiten: Es gibt eine internationale Nord-Süd-Achse. Sie umfasst den Schweizer Jura, geht über den Schwarzwald, über den Odenwald in den deutschen Mittelgebirgsraum. Und es gibt eine West-Ost-Achse, nämlich über die Vogesen, wiederum über den Schwarzwald, über die Schwäbische Alb bis hin nach Bayern. Das haben diese Untersuchungen ergeben.
Sehr geehrte Damen und Herren, darüber hinaus gibt es weitere Vernetzungsprojekte. Es existiert beispielsweise eine Initiativskizze des Bundesamts für Naturschutz und des Deutschen Jagdschutzverbands im mitteleuropäischen Maßstab, die sich überwiegend auf Arbeiten von Wissenschaftlern an der Forstlichen Versuchsanstalt gründet.
Sie, Frau Dr. Splett, sagen, dass man sich auf jeden Fall im Hinblick auf die Wildkatzen, auf den Luchs, Konzepte überlegen sollte. Das BUND-Projekt „Rettungsnetz Wildkatze“ entwickelt einen Wildkatzenplan. Es entbehrt jedoch nicht einer gewissen Ironie, wenn man weiß – wie Herr Dr. Bullinger gerade gesagt hat –, dass es möglicherweise gar keine Vorkommen mehr gibt, und dennoch einen Plan macht. Wir sind aber gerüstet. Wir gehen sogar so weit, dass wir, was die Wildkatze angeht, schon ein Akzeptanzmanagement vor Ort in Arbeit haben. Denn es gibt die Städter, die davon träumen, dass der Luchs wieder in Baden-Württemberg ansässig wird, und es gibt auf der anderen Seite die Menschen, die möglicherweise in direkter Nachbarschaft zu diesem Luchs leben und das gar nicht so toll finden, weil sie nämlich Angst haben, dass sie gefährdet werden und dass ihre Tiere gerissen werden.
Wir haben allen Grund – das hat uns auch die Vertragsstaatenkonferenz vor drei Wochen gezeigt –, die Arten, Flora und Fauna, zu schützen. Deswegen hat unser Minister auch vor einigen Wochen einen Aktionsplan „Biologische Vielfalt“ mit einem 111-Arten-Korb vorgestellt, der die biologische Vielfalt in der Zukunft sichern soll.
Zum Wildwegeplan des NABU möchte ich sagen, dass es ein aktuelles Modellprojekt im Heckengäu gibt, das die Umsetzung eines Teilkorridorstücks erprobt. Sie haben vorhin aus der heutigen Pressemitteilung des NABU zitiert; mir liegt derselbe Text vor. Darin lobt uns Dr. Baumann vom NABU, dass das Land alles tut, um unüberwindbare Hindernisse für den Luchs und möglicherweise auch für den Feldhasen und für andere Tiere zu bauen.
Es gibt eine wichtige und sehr intensive Zusammenarbeit zwischen den Naturschutzverbänden und den Umweltschutzverbänden. Ich glaube, das ist auch wichtig und richtig so. Das eben genannte Projekt im Heckengäu hat sogar den Förderpreis der Region Stuttgart in der Kategorie Naturschutz gewonnen; es wird in Zusammenarbeit mit der Forstlichen Versuchsanstalt durchgeführt. Die Umweltverbände sind für uns also selbstverständliche Partner in der Zusammenarbeit.
Sehr geehrte Damen und Herren, auch beim Projekt Generalwildwegeplan wird ein Projektrat mit Mitgliedern aus Verbänden und Behörden beteiligt. Wir waren seither eher wissenschaftlich unterwegs, und nun wollen wir mit diesem Generalwildwegeplan einen praktischen Ansatz verfolgen. Damit sind wir führend in Deutschland, und ich denke, wir sind hier also durchaus nicht im Nebulösen, sondern arbeiten sehr konkret.
Frau Staatssekretärin, gibt es zu diesen Plänen auch schon Vorstellungen, was das Ganze haushaltsmäßig etwa ausmachen wird? Dies würde ich gern auch noch erfahren.
Genauso wenig, wie wir hier sagen können, wie groß mittelfristig das Budget für Bundes-, Landes- und sonstige Straßen ist, so wenig gibt es bislang zu diesem Thema gesicherte Zahlen. Sie haben es vorhin selbst angesprochen: Wir müssen hier auf jeden Fall Maß und Mitte walten lassen;
es geht nicht darum, spektakuläre Zeichen zu setzen, sondern darum, das tatsächlich Notwendige zu tun. Denn es ist für uns alle klar: Wir brauchen gerade für die ländlichen Räume in ers ter Linie einen leistungsfähigen Individualverkehr,
Sehr geehrte Damen und Herren, Konzepte allein bringen noch nichts. Sie müssen auch umgesetzt werden; das habe ich gerade angedeutet. Wir wollen konkret werden, Frau Dr. Splett: Bis Ende 2009 werden wir diesen Generalwildwegeplan des Landes haben. Sehr wichtig ist uns dann eine Priori
sierung; es soll eine effiziente und durchgreifende Entschneidung erreicht werden. Die Grundaussagen und die Ergebnisse werden dabei in die parallel laufende Fortschreibung des Generalverkehrsplans des Landes eingebracht. Sie sehen: Hier wird ganzheitlich gedacht. Damit sind die notwendigen Maßnahmen dort verankert, und die Notwendigkeiten aufgrund des Generalwildwegeplans sind mit denen des Generalverkehrsplans abgestimmt.
Höchste Priorität, sehr geehrte Damen und Herren, werden vor allem die Maßnahmen an den Bundesfernstraßen, den Autobahnen und Bundesstraßen, haben. Wir wollen hier der Zerschneidung entgegenwirken; denn an diesen Straßen treten die größten Barrierewirkungen auf. Zugleich gibt es auf diesen Straßen natürlich auch immer wieder Wildunfälle. Hierzu hat Kollege Locherer ja schon das Nötige gesagt, und er hat uns als Verkehrsteilnehmer ebenfalls an unsere Verantwortung gemahnt.
Sehr geehrte Damen und Herren, aus dem Projekt der Forstlichen Versuchsanstalt zu Wildunfällen in Baden-Württemberg aus dem Jahr 2006 liegen uns zudem 1 560 Wildunfallschwerpunkte lagegenau vor, und ich glaube, damit können wir dann auch eine Priorisierung vornehmen.
Sehr geehrte Frau Dr. Splett, es macht keinen Sinn, für jede Tierart ein Konzept zu machen, wir müssen uns vielmehr auf Leitarten konzentrieren. Wenn Sie Korridore wollen, dann müssen Sie auch die erforderliche Infrastruktur dazu schaffen, nämlich die Wildzäune, die verhindern, dass die Tiere regelrecht getrieben werden. Wenn Sie allerdings mit diesem Anliegen in den Innenausschuss gehen wollen, weiß ich nicht, ob Sie dort angesichts der Konkurrenz zum Straßenbau und der Knappheit des Budgets gute Chancen haben werden.
Lassen Sie mich abschließend feststellen: Verkehrswege haben immer eine gewisse Zerschneidungswirkung für Wildtierlebensräume. Unser Land wird als moderner Wirtschaftsstandort und als Transitland auch weiterhin der Mobilität große Aufmerksamkeit beimessen müssen, und wir werden auch weiterhin die Infrastruktur für Straße, Schiene und dergleichen ausbauen müssen. Ich bin überzeugt, dass wir mit geeigneten Konzepten und baulichen Maßnahmen die Ziele Mobilität und Wildtierschutz zusammenbringen müssen. Das möchte ich so deutlich sagen.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir müssen nun über diesen Antrag befinden. Abschnitt I ist als Berichtsteil erledigt, über Abschnitt II muss abgestimmt werden.
Es ist Überweisung des Antrags zur weiteren Beratung an den Innenausschuss beantragt. – Sie stimmen dem zu. Es ist so beschlossen.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum – Förderkulisse im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum (MLR) – Drucksache 14/2155
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Anlass für unseren Antrag war die deutlich festzustellende unübersichtliche Fülle von Programmen, für die im Bereich des MLR Fördermittel ausgegeben wurden. Was passiert dabei? Es laufen aus verschiedenen Programmen EU-Mittel und Bundesmittel im MLR zusammen und werden dort zu verschiedenen anderen Programmen weitergereicht. Es wird relativ unübersichtlich; ich komme noch darauf zurück.
Im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum existiert eine kaum zu überschauende Vielzahl von Förderprogrammen. Die Förderlandschaft sollte künftig transparenter, effektiver und effizienter gestaltet werden.