Protokoll der Sitzung vom 23.07.2008

Wir investieren noch einmal zusätzlich 528 Millionen € für mehr Lehrer, für kleinere Klassen und für deutlich bessere Unterrichtsqualität. Wir geben den Schulen zusätzliche Ressourcen, die sie vor Ort in zunehmender Eigenständigkeit flexibel und in eigener Verantwortung einsetzen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Und wir stärken – das ist mir auch ein besonderes Anliegen – und entwickeln die Hauptschule, die schon heute das intensivste individuelle Förderprogramm für ihre Schüler bietet. Kein anderes Bundesland, meine Damen und Herren, vor allem keines, in dem die SPD regiert, bringt ein so umfangreiches Bildungspaket an den Start.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Kaum ein Land investiert so bewusst und so massiv in seine Schulen, und kaum ein anderes Land schafft bei rückläufigen Schülerzahlen zusätzliche Lehrerstellen. Und das alles finanzieren wir seriös und nachhaltig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Unsere Qualitätsoffensive Bildung kommt exakt zum richtigen Zeitpunkt. Wir nutzen die Chance – unbestritten –, die uns die Steuermehreinnahmen bieten, und wir machen aus Geld Zukunft. Wenn Sie so wollen, meine Damen und Herren: Wir fahren in der Bildungspolitik in Baden-Württemberg im Gelben Trikot, und zwar ohne das Doping einer zusätzlichen Verschuldung.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Unser Konzept steht in der Kontinuität stetiger und wirkungsvoller bildungspolitischer Verbesserungen. Wir haben schon in der vergangenen Legislaturperiode zusätzlich 5 500 Lehrerstellen geschaffen, und wir sorgen dafür, dass sich Schule in Baden-Württemberg permanent weiterentwickelt und sich ständig in kreativer Bewegung befindet. Das tun wir mit Übersicht und mit Augenmaß, mit Sorgfalt und mit Sachverstand.

Meine Damen und Herren, es geht uns zuallererst um die Schüler, um bestmögliche Lernbedingungen und vor allem um einen erfolgreichen Bildungsweg. Baden-Württemberg hat eine hoch innovative und erfolgreiche Bildungspolitik. Wir haben die modernsten Bildungspläne in Deutschland eingeführt. Wir sind führend in der frühkindlichen Bildung. Wir haben mit dem Projekt „Schulreifes Kind“ und mit dem Orientierungsplan im Kindergarten sowie mit den Bildungshäusern für Drei- bis Zehnjährige wegweisende pädagogische Neuerungen auf den Weg gebracht. Wir bringen Pädagogische Assistenten an die Schulen. Wir sorgen mit dem Jugendbegleiterprogramm für eine mustergültige Vernetzung unserer Schulen mit Wirtschaft und Vereinen, und wir haben den Bildungs etat gegen den Trend beständig erhöht, allein in den letzten Jahren von 5,3 auf 7,9 Milliarden €, meine Damen und Her ren.

Das sind Fakten. Ich habe einfach eine herzliche Bitte. Herr Kretschmann, seien Sie mir nicht böse: Sie haben wirklich schon bessere Reden im Landtag von Baden-Württemberg gehalten, um das einmal zu sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Weil Sie vorhin den Fußball bemüht haben, kann ich nur sagen: Das, was Sie gerade an Konzept geboten haben, reicht noch nicht einmal für einen Sieg gegen die Bambinis in Ihrem Wohnort Sigmaringen, lieber Herr Kretschmann.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Im Gegensatz zu Mappus hält der immer gute Reden!)

Wenden wir uns dem zu, was Sie vorschlagen. Gehen Sie davon aus, dass wir sehr genau betrachten, was Sie vorschlagen.

Meine Damen und Herren: Was haben SPD und Grüne anzubieten? Ich beziehe mich auf eine Pressemitteilung der SPD

(Abg. Walter Heiler SPD: Das ist immer gut!)

vom 12. Januar 2005. Ich lese Ihnen einmal die entscheidende Passage zum Schulbereich vor.

Schulbereich: Ab dem Schuljahr 2006/2007 gehen die Schülerzahlen langfristig zurück. Nach den aktuellen Prognosen verringert sich die Zahl der Schüler an allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg von 2006 bis 2014 um 166 600.

Jetzt kommt’s:

Die Lehrer-Schüler-Relation aus dem Jahr 2003 von 16,2 zugrunde gelegt, ergibt sich daraus … ein Lehrerüberhang von 10 284 Stellen.

Deshalb fordert die SPD-Landtagsfraktion,

… davon ein Drittel, rund 3 428 Stellen, einzusparen.

Meine Damen und Herren, das war die Forderung der SPD!

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Zu- rufe von der CDU: Hört, hört! – Abg. Ute Vogt SPD: Von welchem Jahr?)

In den letzten Tagen lese ich aber ständig, dass wir zu wenig Lehrer einstellen, dass wir zu wenig Ressourcen einbringen.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Unglaublich! – Zu- ruf von der CDU: Die wissen gar nicht, was sie schwätzen! – Unruhe)

Gehen wir zum nächsten Punkt. Der Ministerpräsident hat es vorgetragen: Wir wollen und müssen auch etwas für die Lehrer selbst tun, Stichwort Motivation. Was macht die SPD? Sie hat zu Beginn der letzten Sommerpause gefordert, die Eingangsbesoldung für Lehrer abzusenken, meine Damen und Herren!

(Oh-Rufe von der CDU)

Wenn Sie, Herr Zeller, es wünschen und fordern, lese ich Ihnen gern einmal die E-Mail vor, die ja auch ein eindrucksvolles Dokument für die große Einigkeit in der SPD-Fraktion war, die Sie an Frau Vogt geschickt haben. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie schon Forderungen an uns richten, dann sollten Sie zumindest nicht das Gegenteil dessen, was Sie von uns fordern, in Ihre eigenen Papiere hineinschreiben und damit die Öffentlichkeit täuschen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

Jetzt zu Ihnen, Herr Kretschmann. Ich glaube, Sie waren nicht ganz auf dem Platz, jedenfalls nicht auf dem, auf dem wir gespielt haben. Denn wenn Sie schon Forderungen erheben, dann will ich auch Ihnen einmal sagen, was Sie in der Vergangenheit gefordert haben – übrigens nicht im Jahr 2005, sondern im Jahr 2006. Ich halte Ihnen zugute, dass Sie sich zumindest Gedanken über die Finanzierung dessen, was Sie fordern, gemacht haben und das auch publizieren.

Sie haben damals gesagt, für mehr Plätze an den Hochschulen in Baden-Württemberg sollten wir einen Fonds gründen. Sie haben damals vorgeschlagen, mit diesem Fonds von jährlich 20 Millionen € könne man 3 000 neue Stellen schaffen. Übrigens schaffen wir bis zum Jahr 2012 an den baden-würt tembergischen Hochschulen 16 000 zusätzliche Studienanfängerplätze. Das sei aber nur nebenbei erwähnt.

(Zurufe)

Aber sei’s drum: Sie haben sich immerhin Gedanken über die Finanzierung gemacht. Ich lese Ihnen einmal vor, was in den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 1. Juni 2006 nachzulesen ist – ich zitiere –:

Ausgeglichen werde der Fonds bis zum Jahr 2016 durch Einsparungen bei den Schulen; denn aufgrund rückläufiger Schülerzahlen könnten von 2008 an kontinuierlich Lehrerstellen gestrichen werden.

(Zurufe von der CDU: Hört, hört!)

Das haben die Grünen gefordert. Vor fünf Minuten standen Sie an diesem Rednerpult und haben gesagt – O-Ton –: Man braucht mehr Ressourcen für die Schulen, wenn man bessere Bildungspolitik machen will. Ich kann nur sagen, Herr Kretsch mann: Wir schaffen mehr Ressourcen, und zwar deutlich mehr, als Sie damals vorgeschlagen haben, und nicht zulasten der Schulen, sondern für die Schulen in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das ist ja völlig falsch! Das ist völlig un- fair, was Sie sagen! Das ist ja nur die Hälfte der Bot- schaft!)

Damit sind wir auch beim Problem, Herr Kretschmann. Nehmen Sie uns ab – ich glaube, dass Sie das am Konzept des Kultusministeriums auch sehr gut sehen können –: Wir sind sehr wohl bereit, mit allen, die Vorschläge machen, in einen konstruktiven Dialog einzutreten. Wenn Sie dieses Konzept betrachten, werden Sie sicherlich auch feststellen, dass sich darin auch Elemente befinden, zu denen im Laufe der Zeit vielleicht auch wir unsere Meinung geändert haben. Ich habe kein Problem, dazu zu stehen. Ich sage aber auch: Ich will einen konstruktiven Dialog. Ich war im letzten Jahr an insgesamt elf Schulen dieses Landes – Grund-, Haupt-, Realschulen und Gymnasien.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist aber nicht gera- de viel! In einem ganzen Jahr an elf! – Weitere Zu- rufe von der SPD)

Ich habe mit den Rektoren gesprochen, ich habe mit den Elternbeiräten gesprochen, ich habe auch mit den Schülern bzw.

deren gewählter Vertretung gesprochen. Mir geht es darum, dass die konstruktive Kritik, die gerade auch von Rektoren geübt wird, aufgenommen wird, indem man miteinander redet, aber nicht unbedingt dadurch, dass man öffentlichkeitswirksam die Profilierung der eigenen Person in den Vordergrund stellt. Das ist der große Unterschied, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Oh-Rufe von der SPD)

Sie haben in den letzten fünf Jahren immer Forderungen erhoben – einige habe ich zitiert –, die sich regelmäßig gegenseitig widersprechen. Sie haben kein Konzept, Sie haben schon gleich zweimal keine Stringenz, und Ihre Vorschläge sind vor allem nicht praxistauglich. Ich kann nur sagen: Das große Glück für Sie besteht darin, dass Sie sich darauf verlassen können, dass Ihre ständig wechselnden Einfälle schnell dem gnädigen Vergessen der Öffentlichkeit anheimfallen, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: So ist es!)

Um es abschließend noch einmal zu sagen: Es geht uns vor allem um gute Lernbedingungen; es geht uns um das Wohl der Schüler. Wir wollen nicht über Schulstrukturen diskutieren. Wir debattieren über die Qualität.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das hängt aber mit den Schulstrukturen zusammen!)

Meine Damen und Herren, ich glaube schon, dass es die Menschen in diesem Land, dass es die Schüler, vor allem aber die Eltern interessiert, welche Bildungschancen am Ende der Schulzeit bestehen und wie es im Vergleich zu anderen Bundesländern aussieht. Immer dann, wenn Sie nicht mehr weiter wissen, kommt wie der pawlowsche Reflex die schöne und nette Diskussion zur Schulstruktur. Kaum läutet irgendwo eine Schulglocke, schon fordern Sie Strukturreformen. Aber, meine Damen und Herren, das hat mit einer ernsthaften und sachlichen Debatte nichts mehr zu tun.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das wollen sie ja auch gar nicht!)

Es ist so, wie der Ministerpräsident gesagt hat: Sie wollen den Leuten damit zum x-ten Mal Ihren alten, steinalten, verkommenen Ladenhüter Gesamtschule andrehen. Heute heißt das Ganze Gemeinschaftsschule; sie ist aber weiterhin nichts anderes als eine romantische Illusion. Sie werden damit keinen einzigen Standort retten. Im Gegenteil: Das, was Sie von uns fordern – vierzügige Einheitsschulzentren –, ist der Tod der weit verbreiteten Schule im ländlichen Raum, meine Damen und Herren.