Protokoll der Sitzung vom 24.07.2008

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Dann gibt es Gelegenheit, unsere Meinungen zum Flächenverbrauch auch auszutauschen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen sowie des Abg. Ulrich Lusche CDU)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Umweltausschuss zu überweisen. – Sie stimmen der Überweisung zu.

Tagesordnungspunkt 6 ist damit erledigt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 7:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Neuordnung des Abfallrechts für BadenWürttemberg – Drucksache 14/2998

Das Präsidium hat für die Aussprache über den Gesetzentwurf nach der Begründung durch die Regierung eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Das Wort zur Begründung des Gesetzentwurfs hat die Frau Umweltministerin.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt geht es um etwas deutlich Greifbareres als zuvor beim Thema „Strategische Umweltprüfung“. Es geht nämlich um das Thema Abfall oder, wie er umgangssprachlich auch genannt wird, Müll und um die Frage: Wie gehen wir damit um, und wie organisieren wir das Ganze?

Bis in die erste Hälfte der Neunzigerjahre hinein sind erbitterte Richtungskämpfe über die Zukunft der Abfallwirtschaft geführt worden. Damals war auch die Frage: Wie gehen wir eigentlich mit unseren Müllbergen um? Heute können wir nach meinem Eindruck im Rückblick ganz bewusst vom Erfolgsmodell Abfallwirtschaft sprechen, wie es auch unlängst in der „Stuttgarter Zeitung“ hieß.

Vor diesem Hintergrund kann es gegenwärtig nicht darum gehen, am großen abfallrechtspolitischen Rad zu drehen. Vielmehr muss nun dafür gesorgt werden, dass das Erfolgsmodell Abfallwirtschaft in der Praxis vor Ort noch weiter optimiert wird. Genau dazu soll und dazu kann die vorliegende Novelle beitragen. Schließlich hat das Landesabfallgesetz just dort seinen Anwendungsbereich, wo das Abfallrecht praktisch gewissermaßen bodenständig wird, nämlich bei der Organisation der Abfallentsorgung, beim Vollzug durch die Behörden, beim Satzungsrecht der Kommunen.

Deswegen bin ich persönlich davon überzeugt, dass der vorliegende Gesetzentwurf geeignet ist, die abfallrechtliche Praxis zu optimieren. Denn das neue Landesabfallgesetz ist im Hinblick auf Gesetzesphilosophie und Vollzugsinstrumentarium modernisiert worden. Es setzt bei konfliktbeladenen Themen auf größtmögliche Akzeptanz und greift überdies konkrete Bedürfnisse in der Praxis auf. Ich will das beispielhaft kurz veranschaulichen.

Den Anspruch der Gesetzesmodernisierung erfüllt die vorgeschlagene Novelle zum einen dadurch, dass der Gesichtspunkt des Ressourcenschutzes erstmals im Landesabfallgesetz Erwähnung findet, und zwar an ganz prominenter Stelle gleich im ersten Paragrafen.

Im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes präzisiert der Entwurf die gesetzliche Zweckbestimmung der abfall armen Kreislaufwirtschaft dahin gehend, dass sie vornehm

lich vom Ziel der Ressourcenschonung her zu begreifen und zu interpretieren ist. Damit erhält das Thema Abfallwirtschaft eine ungemein zukunftsträchtige Perspektive, nämlich eine klimaschützende Perspektive.

Zum anderen wird das Landesabfallgesetz aber auch in operativer Hinsicht modernisiert. So harmonisiert die Gesetzesnovelle die Vollzugsinstrumente des Landesabfallgesetzes mit denen des Bundesabfallrechts. Denn abfallrechtliche Verfahren sind effektiver und weniger fehleranfällig, wenn man vor einem behördlichen Tätigwerden nicht erst aufwendig prüfen muss, welche Mittel einem zum Vollzug des geltenden Rechts zur Verfügung stehen.

Akzeptanz habe ich als zweiten Punkt eingefordert. Was die Akzeptanz angeht, gibt es nach wie vor sehr unterschiedliche Auffassungen im Hinblick auf die Andienungspflicht für gefährliche Beseitigungsabfälle. Öffentlich bekannt sind gefährliche Beseitigungsabfälle unter dem Gesichtspunkt Sonderabfall. Ein Industrieland wie Baden-Württemberg muss ein großes Interesse daran haben, dass die Beseitigung von Sonderabfällen kontrolliert abläuft. Ich sehe gegenwärtig nicht, wie dies ohne Andienungspflicht gewährleistet werden könn te.

Allerdings bin ich auch der Auffassung, dass die Sonderabfallentsorgung aus Akzeptanzgründen in größtmöglichem Kon sens mit der betroffenen Wirtschaft organisiert werden muss. Aus diesem Grund wird das Umweltministerium im Jahr 2011 nochmals ein entsprechendes Konsultationsverfahren zur Andienungspflicht durchführen. Pro und Kontra dieses ordnungsrechtlichen Instruments werden dann erneut auf den – wohlgemerkt – runden Tisch kommen, und das weitere Schicksal der Andienungspflicht wird ergebnisoffen diskutiert werden. Das Jahr 2011 ergibt sich dadurch, dass dann das Auslaufen des sogenannten Hamburg-Vertrags ansteht, eines Vertrags, den das Land einmal geschlossen hat, damit es keine eigene Sonderabfallverbrennungsanlage in Baden-Württemberg bauen muss.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Deswegen bringt es seine Sonderabfälle in Hamburg entsprechend unter.

Damit komme ich abschließend zur Praxisrelevanz des Gesetzentwurfs. Dieser sieht u. a. vor, dass zur Abholung bereitgestellte Abfälle künftig weder durchsucht noch weggenommen werden dürfen. Hinter diesem Durchsuchungs- und Wegnahmeverbot verbirgt sich ein reelles und obendrein recht plas tisches Praxisproblem. Ohne entsprechendes Verbot besteht nämlich erstens die Gefahr, dass beispielsweise Wertstoffsammlungen nicht mehr wirtschaftlich durchgeführt werden können. Zweitens verhindert das Durchsuchungs- und Wegnahmeverbot, dass die Straßen durch verstreute Abfälle verschmutzt werden. Wir alle haben Bilder im Kopf, wie Straßen nach Sperrmüllaktionen aussehen können. Mit der neuen Verbotsregelung trägt der Gesetzentwurf somit einem offensichtlichen Praxisbedürfnis Rechnung.

Mein Fazit: Mit der Novelle des Landesabfallgesetzes wird das abfallrechtliche Rad nicht neu erfunden, jedoch hält der Gesetzentwurf Anschluss an die modernen abfallpolitischen Entwicklungen. Er wirkt akzeptanzfördernd und reagiert im

Übrigen auf praktische Bedürfnisse. Das führt dazu, dass die, die es umsetzen müssen, es so umsetzen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger nicht überlegen müssen, was das für eine Rechtsgrundlage ist, sondern wissen, dass der Müll vor der Tür abgeholt wird oder, wenn er entsprechend zum Recyclinghof gebracht wird, weitergegeben wird. Aber die, die es machen, brauchen einen Rechtsrahmen. Ich glaube, dass das, was wir hier vorlegen, ein durchaus respektables Ergebnis ist.

In diesem Sinn herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Müller das Wort.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ein guter Mann!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Besuchergruppe habe ich nicht, aber ich spreche trotzdem.

(Heiterkeit – Zuruf von der CDU – Abg. Dieter Eh- ret FDP/DVP: Das zeichnet Sie aus! – Zuruf von der FDP/DVP: Das ist auch zulässig!)

Ja, das kann man machen.

Wenn alle Umweltprobleme, meine Damen und Herren, so weitgehend gelöst wären wie die Abfallprobleme in Deutschland im Allgemeinen und in Baden-Württemberg im Besonderen, dann wäre die Umweltpolitik insgesamt sehr weit gediehen. Wir haben in den letzten 20, 30 Jahren wirklich Erfolge erzielt: die Abfallreduzierung, die stoffliche und thermische Wiederverwertung, die hochwertige und sichere Beseitigung, die Transparenz der Abfallströme. Ausreichende Behandlungs- und Beseitigungskapazitäten liegen mittlerweile im Prinzip vor. Selbst die Kostenentwicklung ist mittlerweile so, dass die Kosten tendenziell eher etwas sinken, als dass sie weiter steigen. Das bedeutet mehr Entsorgungsqualität bei bleibenden oder sogar sinkenden Kosten. Das ist eine prima Geschichte. Man kann sagen, dass die vorsorgende und pragmatische Umweltpolitik der Vergangenheit jetzt ihre Früchte trägt.

Natürlich gibt es immer wieder eine Reihe von Veränderungen, wenn Sie allein an die Veränderung der Rohstoffpreise denken. Man kann mit Abfällen heute viel Geld verdienen – das war einmal anders –, und daher verändern sich natürlich die Bedürfnisse und die Interessen. Deswegen gibt es immer wieder Interventionen, und deswegen muss es gelegentlich auch zu gesetzgeberischen Novellen kommen. Aber das alles bewegt sich in einem praktisch und rechtlich sehr geordneten Rahmen.

Deswegen sind – die Ministerin hat darauf hingewiesen – die politischen, früher ideologischen und emotionalen Debatten – Stichwort Müllverbrennung – ein Thema der Vergangenheit. Das spielt heute keine Rolle mehr. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn eine Novelle des Landesabfallgesetzes im Prinzip keine großen politischen Streitfragen zum Gegenstand hat. Es handelt sich um Feinjustierungen. Es handelt sich um wenige inhaltliche Ergänzungen und um die üblichen Gesetzgebungszwecke einer modernen Gesetzgebung:

Man soll ein überschaubares Gesetz schaffen, man soll entschlacken, man soll systematisieren, man soll Materien zusammenfassen, sprachlich modernisieren. Das alles sind keine Punkte, die man in einer Plenarsitzung im Einzelnen darstellen und belegen müsste.

Inhaltlich gibt es eigentlich nur drei Neuigkeiten zu vermelden. Erstens ist das Durchsuchungsverbot von an den Straßenrand abgelegten Abfällen unseres Erachtens sehr sinnvoll. Das Durchsuchungs- und Mitnahmeverbot ist wirklich vernünftig. Zweitens wird der Klimaschutz mittlerweile auch zum Thema innerhalb des Abfallgesetzes. Und drittens – das hängt ein Stück weit damit zusammen – sollen die Gemeinden in Zukunft auch Grün- und Bioabfälle thermisch verwerten können.

Der Gesetzentwurf hat in einer umfangreichen Verbändeanhörung weithin Zustimmung gefunden. Das zeigt, dass er im Kern unumstritten ist. Deswegen nehme ich einmal an, dass er auch in diesem Haus letztlich im Prinzip unumstritten sein wird.

Es gab eine einzige Ausnahme, indem drei Verbände einen Wunsch geäußert haben, dem der Entwurf der Landesregierung nicht Rechnung getragen hat: Die Naturschutzverbände wollten erreichen, dass sie bei Zulassungsverfahren auch dann beteiligt werden, wenn es sich nicht um naturschutzrechtlich relevante Tatbestände handelt. Dass die Regierung dem nicht Rechnung getragen hat, halte ich für sachlogisch. Denn ein Naturschutzverband sollte sich zu Naturschutzfragen äußern, und wenn es keine Naturschutzfragen gibt, dann ist er halt nicht zu beteiligen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Insgesamt, meine Damen und Herren: Wir haben es mit einer Gesetzgebungsnovelle mit kleinen Korrekturen zu tun, weil der große Kurs stimmt und weil sich glücklicherweise die Abfallpolitik mittlerweile in einem ruhigen Fahrwasser befindet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Grünstein für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Die Gesetzesnovelle, über die wir heute in erster Lesung zu beraten haben, ist vorrangig eine überfällige Angleichung an die seit seiner Entstehung immer wieder Veränderungen unterworfene Rechtslandschaft im Abfallrecht. Ich erinnere nur an die Änderungen infolge des Bundesbodenschutzgesetzes, die bereits zur Streichung des Altlastenteils im bisherigen Landesabfallgesetz geführt hatten.

Gerade in den letzten 20 Jahren unterlag die gesamte Abfallthematik einer enormen Veränderung. So sind innerhalb von zehn Jahren die klassischen Gewerbe- und Hausmüllaufkommen um ein Drittel gesunken. Obwohl sich das Elektronik- und Kunststoffmüllaufkommen dagegen erhöht hat, gab es zumindest den Effekt, dass sich das Gesamtaufkommen nicht wesentlich gesteigert hat.

Die Ablagerung von unbehandeltem Abfall auf klassischen Deponien ist heute komplett der Ablagerung nach einer Vorbehandlung gewichen. Die Vorbehandlung kann thermisch in Müllverbrennungsanlagen oder biologisch-mechanisch erfolgen. Kollege Müller hat darauf gerade hingewiesen. Maßgebend war dazu aber auch die verordnete Deponieschließung im Spätsommer 2005.

Auch bei den Müllverbrennungsanlagen haben sich große Veränderungen ergeben. Durch ein stark gesunkenes Müllaufkommen gibt es heute keine Engpässe bei der Verbrennung von Abfällen mehr, sondern deutschlandweit sogar mitunter hier und da Überkapazitäten. So konnte sogar Müll von Neapels Straßen in Deutschland verbrannt werden.

Bei diesem Stichwort erinnere ich mich an unsere Umweltausschussreise in die USA. Denn in der Regel fahren wir in andere Länder, um von ihnen zu lernen und eventuell neue Technologien kennenzulernen. In diesem Fall war es eigentlich genau umgekehrt: Der Umweltausschuss ist sozusagen als Botschafter der deutschen Technologien in Sachen Umweltschutz aufgetreten. Uns wurde dort sehr drastisch vor Augen geführt, auf welch hohem Niveau wir hier in Deutschland seit vielen Jahren das Abfallrecht diskutieren.

Auch unter Energie- und Klimaschutzgesichtspunkten ergeben sich neue Blickwinkel. So kann eine biologisch-mechanische Behandlung, bei der große Mengen CO2 in einem Kompostierungsprozess in die Atmosphäre abgegeben werden, womöglich ökologisch weniger sinnvoll sein als die direkte ener getische Verwertung. Dass Abfall heute als Rohstoff zur Ener giegewinnung sowohl über Deponiegas als auch durch die direkte Verbrennung erkannt wird, ist ein Gebot der Stunde. Die hochkalorige Sortierfraktion aus dem DSD-Müll wird schon lange als BRAM, also als Brennstoff aus Müll, mit einem Brennwert wie Braunkohle zur Energieerzeugung verwendet.

Große Veränderungen haben sich auch durch die Einführung der rigorosen Pfandpflicht über das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz des Bundes ergeben. Die früher irrwitzigen Mengen an Getränkedosen und Einwegflaschen, die sich nicht nur in der Landschaft gezeigt haben, sind aus dieser fast völlig verschwunden. Sie sind auch kaum noch im ganz normalen Abfallaufkommen zu finden.