Protokoll der Sitzung vom 24.07.2008

Das war nicht unsachlich.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Doch!)

Nein, das war nicht unsachlich.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Kommen Sie zum Schluss, Herr Kollege!)

Herr Schebesta, es kann nicht sein, dass die Ergebnisse einer solch lang angelegten Studie, die Daten aus den Jahren 1980 bis 2003 auswertet, reine Zufälle sind. Natürlich ist die Michaelis-Studie eine Grundlage, Frau Chef. Das ist die Grundlage. Sie wurde mit einbezogen. Dass die Ängste der Bürger da sind und sie diese auch artikulieren, müsste Ihnen ja klar sein, gerade in der Nähe zu einem Kernkraftwerk.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das brauchen Sie ihr nicht zu erzählen! – Zurufe der Abg. Monika Chef FDP/DVP und Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Frau Chef hat aber getan, als ob die Michaelis-Studien mit der ganzen Studie überhaupt nichts zu tun hätten. Das ist nicht der Fall. Sie können das nachlesen. Das alles wurde mit einbezogen. Aber dass das Ergebnis zufällig sein könnte, können wir nicht akzeptieren.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Es gibt auch zu- fällige Häufungen von Krebserkrankungen!)

Deswegen: Es ist eine schwierige Situation. Sie taugt nicht, um sich aufzuregen.

Uns ist bekannt, dass die Strahlenexpositionen zu gering sind, um den Effekt unmittelbar zu erklären und gleich mit dem Finger darauf zu zeigen und zu sagen: „Das ist es.“ Das ist richtig. Aber der Zusammenhang ist eindeutig.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Nein, das ist kein eindeutiger Zusammenhang! Das stimmt nicht!)

Die Juristen unter uns würden sagen: Die Indizienkette reicht ziemlich aus, um das zu erklären.

(Abg. Manfred Hollenbach CDU: Das ist ein Fall für Mediziner!)

Wir sollten auch die Ängste der Bürger ernst nehmen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Stehmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Lasotta?

Ja, natürlich.

Herr Kollege, wenn Sie sagen, der Zusammenhang wäre eindeutig, können Sie begründen, wie Sie darauf kommen? Sie kommen ja auch nicht auf die Idee, zu sagen: Wenn die Zahl der Storchennester auf den Häusern in Baden-Württemberg abnimmt, sinkt die Kinderzahl.

(Heiterkeit – Abg. Reinhold Gall SPD: Ich glaube, das stimmt!)

Beide Aussagen stimmen: Sowohl die Zahl der Storchennester auf den Dächern als auch die Kinderzahl nehmen in BadenWürttemberg ab, aber die Kausalität ist nicht bewiesen. Wenn Sie versuchen, hier in Analogie zu juristischen Schlussfolgerungen einen Zusammenhang zu konstruieren, dann halte ich das für ziemlich daneben. Das müssten Sie uns begründen. Können Sie das denn?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Herr Dr. Lasotta, bei uns in der Fraktion gibt es niemanden mehr, der an eine Verbindung zwischen den Störchen und dem Kinderkriegen glaubt.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU – Unru- he)

Wir wissen aber eines: Die Studie sagt eindeutig – das wurde auch nicht bestritten, weder von der Frau Ministerin noch von Ihrer Fraktion –, dass die Leukämiefälle in der Umgebung kerntechnischer Anlagen zahlreicher sind. Das können auch Sie nicht bestreiten. Da muss eine Kausalkette vorhanden sein.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sie haben gesagt, es gebe einen Kausalzusammenhang! Das stimmt eben nicht! Das können Sie nicht beweisen! Das muss nicht sein!)

Wenn es an 16 Standorten gleich ist, dann muss eine Kausalkette da sein. Sonst müssten Sie mir erklären, wo das sonst herkommen soll.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Über das Gutachten hinaus!)

Wir erkennen ja auch an, dass es ein dichtes Netz von Messgeräten gibt. Wir kritisieren auch nicht das Kernreaktorüberwachungssystem, die Aktivitäten bezüglich der Dosisleis tungen und die automatischen Onlinemessungen, die Abluft- und Abwasseruntersuchungen. Wir wissen, dass das alles gemacht wird. Trotzdem konnten wir die erhöhte Zahl von Kin

derkrebs bisher nicht erklären. Wir wollen doch nur, dass das untersucht wird. Das wollen Sie doch hoffentlich auch.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Zumindest war die CDU-Fraktion mit dabei, als gesagt wurde, dass man das auch wolle. Und wenn die Frau Ministerin eindeutig erklärt, dass sie im Sinn unseres Antrags eigene Kapazitäten mit einsetzt, dass man Forschungseinrichtungen und Universitätswissen anzapft, dann sind wir ja zufrieden. Das ist ja unser Antrag. Mehr wollten wir ja gar nicht.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ich weiß nicht, ob der Mann die Frau Ministerin richtig verstanden hat!)

Ich möchte noch eines sagen, gerade nachdem Frau Chef gesagt hat, sie komme aus einem Kernkraftwerksstandort. Frau Chef, ich bin in Philippsburg aufgewachsen. Mein Elternhaus liegt 500 m vom Kernkraftwerk entfernt. Ich habe 26 Jahre dort gewohnt. Ich habe erlebt, wie das Kraftwerk gebaut wurde.

(Zuruf des Abg. Gundolf Fleischer CDU)

Ich habe das miterlebt. Ich war sogar als Feuerwehrmann im Einsatz im Kernkraftwerk. Ich kenne die Anlage, und ich kenne auch die Leute, die damit umgehen müssen. Wenn ich nicht einen Arbeitsplatz in Stuttgart bekommen hätte, würde ich noch immer dort wohnen. Ich habe drei Kinder. Ich will mir nicht vorstellen, dass einer von diesen Fällen, die im Untersuchungsbericht erwähnt wurden, in unserer Familie gewesen wäre.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Aber dann können Sie doch nicht sagen, dass das die Kernkraftwerke ausmachen!)

Herr Lasotta, ich muss auch den Menschen dort, die ich gut kenne, in die Augen schauen können, wenn ich Philippsburg wieder besuche. Ich bin öfter dort, denn mein Vater und meine Schwester wohnen noch dort.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Das können sie auch weiterhin!)

Deshalb müssen wir alles tun, um das aufzuklären. Mehr wollen wir mit unserem Antrag nicht. Wenn Sie die Zusage geben, dass Sie das tun, dann machen wir das. Wenn Sie Schwierigkeiten haben, das über die Fraktion hinweg zu beschließen, dann sind wir zufrieden mit der Aussage der Frau Ministerin. Wenn Sie das nicht wollen, dann müssen wir halt abstimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ich hatte die Rede der Frau Mi- nisterin anders in Erinnerung!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schebesta.

Herr Stehmer, nur zwei Punkte. Der erste: Wenn sich in der Umgebung von Kernenergieanlagen Fallzahlen häufen, dann ist das noch kein Beweis für einen Kausalzusammenhang.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sehr richtig!)

Da können Sie auch nicht sagen: „Das kann kein Zufall sein.“

(Beifall des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Es ist nicht wissenschaftlich, eine solche Aussage zu treffen. Die Wissenschaftler selbst sagen: Ob die Häufung der Fallzahlen auf die Strahlenemission zurückgeht, ob dafür ganz andere Gründe maßgeblich sind oder ob es Zufall ist, lässt sich durch diese Studie und durch die Datengrundlage, die man bisher hat, nicht belegen. Insofern ist es nicht in Ordnung, wenn man hier sagt: „Wenn es zu einer Häufung der Fallzahlen gekommen ist, muss das an den Kernenergieanlagen liegen.“ Es ist kein Kausalzusammenhang nachgewiesen.

(Beifall des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber auch nicht auszuschlie- ßen!)

Aber auch nicht auszuschließen. Aussage der Wissenschaftler ist: „Die Strahlendisposition der Menschen kann dafür nach heutigem Kenntnisstand nicht der Grund sein.“ Diese Aussage steht genauso. Deshalb muss das Ganze vertieft untersucht werden, und deshalb tut man das auch.

Der zweite Punkt ist die Frage, auf welchem Weg das geschehen soll. Es gibt den Auftrag an das Bundesamt für Strahlenschutz und die Strahlenschutzkommission, eine entsprechende Untersuchung durchzuführen. Den Mitgliedern des Umweltausschusses wurde gesagt, dass es die Untersuchung bis Ende dieses Jahres geben werde. Wir haben uns im Juni im Umweltausschuss darauf verständigt, dass man dazu auffordern soll, Fessenheim und Leibstadt mit einzubeziehen.

(Abg. Wolfgang Stehmer SPD: So weit ist es okay!)

Da waren wir schon. Darüber hinaus, Herr Stehmer, macht es keinen Sinn, zu sagen, das Umweltministerium solle noch Personalkapazitäten zur Verfügung stellen, um zu besseren Ergebnissen zu gelangen. Das Bundesamt für Strahlenschutz und die Strahlenschutzkommission sind diejenigen Institutionen, die die Prüfung vornehmen. Sie sind auch genau dafür eingerichtet worden, dass sie solche Prüfungen vornehmen. Zu besseren Ergebnissen kann das Umweltministerium eben auch nicht kommen. Deshalb bitte ich Sie im Sinn der Debatte, im Sinn des Problems, im Sinn unserer Verständigung auch im Umweltausschuss nicht darauf zu beharren, dass über den Antrag abgestimmt wird. Denn das wäre ein Rückschritt gegenüber dem, worauf wir uns schon verständigt haben, und deshalb könnten wir nicht zustimmen.