Protokoll der Sitzung vom 24.07.2008

Natürlich beschäftigt uns die Frage nach dem Warum. Deshalb sind auch Untersuchungen richtig und notwendig, die vertiefend darauf eingehen, worin die Gründe für diese Häufung liegen. Es gibt aber nach allem, was ausgesagt worden

ist – von den Autoren, von denen, die es bewerten, und auch vom Bundesumweltministerium und vom Bundesamt für Strahlenschutz –, keinen Beleg dafür, dass es einen ursächlichen Zusammenhang gäbe und worin dieser bestehen könn te.

Es wird ausdrücklich auch festgehalten, dass es sich um ganz andere Ursachen handeln kann. Darauf darf man sich nicht verlassen, und deshalb sind Untersuchungen dazu notwendig. Denn jeder Fall von Kinderkrebs, jeder Leukämiefall – auch dann, wenn es sich beim Patienten nicht um ein Kind handelt – ist ein Schicksal, und wir müssen dafür Sorge tragen, herauszufinden, was wir dazu beitragen können, dass es hierzu keine vom Menschen ausgehende Veranlassung gibt, die wir verhindern könnten. Hierfür müssen wir Verantwortung tragen.

Wir sind es deshalb denjenigen, die von diesen Fällen betroffen sind und die dem Risiko ausgesetzt sind, das mit diesen Krankheiten verbunden ist, schuldig, dass diese Untersuchungen gemacht werden und auf diesem Gebiet weiter geforscht wird.

Eigentlich, Herr Stehmer, waren wir auch schon ein bisschen weiter, als es Ihre Aussage am Schluss – „Stimmen Sie doch unserem Antrag zu!“ – vermuten ließe. Denn wir haben ja bereits im Juni im Umweltausschuss über dieses Thema beraten und sind dabei zu der gemeinsamen Beschlussempfehlung gekommen, die Landesregierung in ihren Bemühungen zu unterstützen, auch die Kernkraftwerke in Leibstadt und Fessenheim, die nahe der deutschen Grenze liegen und daher auch die deutsche Bevölkerung betreffen könnten, in die Studie einzubeziehen.

Dieser gemeinsame Beschluss und die damit verbundene Aufforderung an die Landesregierung, sich dafür einzusetzen, die entsprechenden Untersuchungsergebnisse in die Studie einfließen zu lassen, belegen, dass wir uns in der Auffassung einig sind, dass es diese Untersuchungen geben muss. Auch mit der Zielrichtung, dort noch etwas mehr erreichen zu wollen, als in der ursprünglichen Beschlussformulierung enthalten war, waren wir eigentlich gemeinsam schon etwas weiter. Vielleicht können wir uns darüber verständigen, dass wir im Umweltausschuss bereits in diese Richtung gegangen sind.

Die CDU-Landtagsfraktion hat ebenfalls einen Antrag zu diesem Thema eingebracht. Ich möchte noch darauf eingehen. Denn selbstverständlich ist es angesichts der aufgeworfenen Fragen notwendig, darauf hinzuweisen, dass es im Umfeld von Kernenergieanlagen natürlich Messungen über die Emissionen gibt und dass man mit diesem Problem nicht sorglos umgeht, sondern sehr genau hinschaut. Das ist sehr gut dargestellt. Bei solchen Messungen wird untersucht, ob Abweichungen zu den Normalwerten vorliegen. Bei den Normalwerten, von denen bei Kernenergieanlagen ausgegangen wird, handelt es sich um weniger als 1 % der natürlichen Strahlenbelastung.

Diese Kontrollen beinhalten Messungen von Abluft und Abwasser; sie umfassen kontinuierlich einen Radius von bis zu 10 km um die Kernenergieanlagen herum, und sie gehen in einem gesonderten Messprogramm z. B. auch der Frage einer möglichen Belastung von Lebensmitteln im Umfeld von Kernenergieanlagen nach. Ich glaube, dies belegt – und die Stel

lungnahme macht das auch noch einmal deutlich –, dass man sorgfältig mit diesem Thema umgeht. Das muss man auch; es geht schließlich um die Sicherheit im Umfeld von Kernenergieanlagen. Dieser Forderung tragen wir Rechnung. Deshalb sind wir uns ja auch alle einig, dass man die Untersuchungen vertiefen muss und weiter forschen muss, wo die Ursachen für diese Fallzahlen der epidemiologischen Studie liegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Chef für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der fortgeschrittenen Uhrzeit werde ich Ihnen mein Manuskript in seiner Gesamtheit ersparen. Ich danke allen Beteiligten, dass sie die Diskussion, die heute zu diesem wirklich sehr sensiblen Thema stattfindet, sehr sachlich führen. Ich danke der Frau Ministerin für die sehr ausführlichen Stellungnahmen. Ich denke, in diesen ausführlichen Stellungnahmen ist alles Wichtige enthalten.

Eines möchte ich Ihnen aber trotzdem nicht ersparen. Als beteiligte Bürgermeisterin einer Kernkraftwerksstandortgemeinde verfolge ich dieses Thema seit 14 Jahren. Sie können mir glauben, dass mein Gemeinderat und auch der Betreiber genauso wie ich das Thema sehr ernst nehmen und auch sämtliche Untersuchungen verfolgt haben.

Was mich aber immer wieder stört – das war auch bei der Veröffentlichung dieser Krebsstudie der Fall –, ist, dass sie immer, wenn es politisch passt, aus der Tasche gezogen wird, um Dinge zu erreichen, die einfach ideologisch gewollt sind und sachlich vielfach der Grundlage entbehren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Da muss ich Ihnen leider widersprechen, Herr Untersteller. Vor zehn Jahren war genau die Michaelis-Studie schon Thema in Gemmrigheim bezüglich GKN I.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Haben Sie die drei Reden vorher gehört?)

Ich habe damals die Michaelis-Studie genau so von Ihren Kollegen interpretiert bekommen. Auch diesmal hat die Veröffentlichung dieser Krebsstudie wieder zu einem Antrag des Betreibers – nämlich auf Verlängerung der Laufzeit – gepasst.

Ich kann Ihnen sagen: Ich wohne in diesem 5-km-Radius um das Kernkraftwerk. Ich nehme das Ganze sicherlich nicht auf die leichte Schulter. Aber wenn man z. B. eine Landkarte mit veröffentlicht hätte, die vom Kinderkrebsregister herausgegeben wurde, würden Sie ganz genau sehen, dass die Kernkraftwerke gerade nicht in den roten Bereichen sind, die in der Kinderkrebsstudie dargestellt worden sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich denke, damit ist genug gesagt. Ich danke nochmals dem Umweltministerium. Ich denke, den Antrag der Fraktion der

SPD werden wir ablehnen, weil das bereits in Auftrag gegeben worden ist. Die Diskussion wird sicherlich im Herbst dieses Jahres wieder stattfinden, wenn die Ergebnisse der Strahlenschutzkommission veröffentlicht werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Ministerin Gönner.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich dem Dank meiner Vorredner für die ausgesprochen gute und ruhig geführte Debatte anschließen. Ich glaube, es ist auch wichtig, dass man bei einem ansonsten sehr strittigen Thema genau weiß, wann wir uns gemeinsam mit Ergebnissen auseinanderzusetzen haben, bei denen man vielleicht in der Analyse oder in der Frage, wie man damit umgeht, durchaus unterschiedlicher Auffassung sein kann. Dafür, dass es uns hier gelingt, das in der Form zu tun, wie wir es heute gemacht haben, möchte ich meinen ausdrücklichen Dank sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit Jahrzehnten streiten sich die Fachleute über die Existenz eines Zusammenhangs zwischen dem Auftreten von Krebserkrankungen und der räumlichen Nähe zu einem Kernkraftwerk. Schon aus diesem Grund verfolgen wir natürlich die Kinderkrebsstudie mit allergrößter Aufmerksamkeit. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass man mit den Daten und Aussagen der Studie sorgfältig und verantwortungsbewusst umgehen muss. Aussagen über die eigentlichen Erkrankungsursachen kann die Studie aus prinzipiellen Gründen nicht treffen. Das wurde auch in Teilen schon dargestellt.

Selbst Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat als Auftraggeber bei der Vorlage der KiKK-Studie darauf hingewiesen, dass – ich zitiere – „die statistische Untersuchung und die bekannten Ursachenzusammenhänge zwischen Krebsrisiko und Strahlung nicht im Einklang miteinander stehen“.

Die Verfasser der Studie kommen zu dem Schluss, dass die Strahlenbelastung der Bevölkerung durch den Betrieb der Kernkraftwerke in Deutschland um mindestens das Tausendfache höher sein müsste, um den in der Studie beobachteten Anstieg des Krebsrisikos erklären zu können.

Seit Beginn der friedlichen Nutzung der Kernenergie in Baden-Württemberg hat die Landesregierung ein besonderes Augenmerk auf die Überwachung der kerntechnischen Anlagen und die Abgabe radioaktiver Stoffe gelegt. Wir haben umfangreiche Messprogramme zur Emissions- und Immissionsüberwachung aufgelegt. Mit dem Kernreaktor-Fernüberwachungssystem haben wir ein zuverlässiges, kontinuierlich arbeitendes Überwachungssystem geschaffen, mit dem wir seit nunmehr über 20 Jahren betreiberunabhängig rund um die Uhr die baden-württembergischen und die grenznahen ausländischen Kernkraftwerke kontrollieren. Das System wird fortwährend weiterentwickelt und setzt in der Umgebungsüberwachung deutschlandweit technologische Maßstäbe.

Die Messergebnisse des Umweltministeriums Baden-Würt tembergs zeigen deutlich, dass die Strahlenbelastung der Be

völkerung durch den Betrieb der Kernkraftwerke gering ist. Sie ist deutlich kleiner als die Schwankung der natürlichen Strahlenbelastungen in unserer Umgebung. Die Studie gibt keine Auskunft darüber, wie sich die Erkrankungszahlen konkret auf die einzelnen Standorte verteilen.

Wir haben uns unmittelbar nach Bekanntwerden der Studie intensiv um weiter gehende Informationen bemüht, leider ohne konkrete Zahlen erhalten zu haben. Weder die Studienautoren des Deutschen Kinderkrebsregisters in Mainz noch die Auftraggeber der Studie sahen sich in der Lage, uns konkrete Zahlen mitzuteilen. Immerhin erhielten wir vom Deutschen Kinderkrebsregister eine Aussage zu den in der Studie nicht betrachteten deutschen Umgebungen der grenznahen ausländischen Kernkraftwerksstandorte. Erfreulich ist, dass das Kinderkrebsregister keine auffällig erhöhten Erkrankungszahlen in der deutschen Umgebung der Standorte Fessenheim bzw. Leibstadt und Beznau aufweist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, epidemiologische Studien können nur Anhaltspunkte für Erkrankungshäufigkeiten liefern. Sie können nicht den Nachweis führen, welche Ursachen letzten Endes tatsächlich für das Auftreten bestimmter Krankheiten verantwortlich sind.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Beim Passivrau- chen können sie das auch!)

Das ist in Teilen ausgesprochen unerfreulich, weil damit natürlich die Debatte und insbesondere die Auseinandersetzung schwerfällt. Dennoch, Herr Untersteller, schließe ich mich den Aussagen der Studienautoren an, wonach nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand der beobachtete Anstieg der Erkrankungen nicht durch die Strahlenbelastungen aus einem Atomkraftwerk erklärt werden könne.

Sie haben vorhin Zitate gebracht. Gestatten Sie mir, dass ich auch ein Zitat bringe. Der Vorsitzende der Strahlenschutzkommission, Wolfgang-Ulrich Müller, hat nach Vorlage dieser Studie erklärt:

Es wäre weltweit das erste Mal, dass Krebsfolgen in ei nem solch extremen Niedrigdosis-Bereich nachgewiesen würden.

Wenn Sie die einen zitieren, müssen Sie auch aufzeigen, dass es auch Strahlungsexperten gibt, die deutlich machen, dass dies durchaus auch – wie von den Autoren der Studie dargestellt – von anderen mitgetragen wird.

Wir als Landesregierung begrüßen es sehr, dass sich derzeit die deutsche Strahlenschutzkommission über die Kommission hinaus, die die Studie begleitet hat, umfassend mit der Kinderkrebsstudie, den angewandten Methoden und den dabei gewonnenen Ergebnissen auseinandersetzt. Ich kann Ihnen versichern, dass wir das Thema im Interesse des Wohls unserer Bevölkerung in Baden-Württemberg und insbesondere der Kinder sehr ernst nehmen und auch weiterhin verfolgen werden. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, dass wir es so tun, wie wir es heute in dieser Diskussion getan haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Stehmer.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP und Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Menschenskinder!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich bedanke mich für die sachliche Auseinandersetzung. Ich verstehe allerdings nicht, dass die FDP/DVP dieses Thema ignoriert.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Also, das sollten Sie uns jetzt nicht unterstellen!)

Doch, eine solche Aussage war da. Ich gehe nachher noch einmal kurz darauf ein.

Vorsorgen ist besser als heilen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das war jetzt un- sachlich!)

Das war nicht unsachlich.