Protokoll der Sitzung vom 02.10.2008

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nennen Sie doch einmal ein konkretes Beispiel!)

Darüber muss man in den nächsten Wochen noch ganz offen und kritisch diskutieren.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nennen Sie doch einmal ein Beispiel!)

Natürlich ist der Kampf gegen den Terrorismus wichtig, Herr Kollege Röhm. Das wissen wir genauso wie Sie auch.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ein Beispiel, bit- te! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich nenne dann ein Beispiel, wenn es mir passt, und nicht dann, wenn es Ihnen passt. Das will ich auch einmal klarstellen. Und im Moment rede ich.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE zu Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Hören Sie doch einmal zu!)

Der Kampf gegen den Terrorismus ist wichtig, aber er muss effizient und verhältnismäßig geführt werden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Umfassend muss er geführt werden!)

Verstehen Sie das? Diese Balance haben Sie längst verlassen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie haben eines nicht kapiert: Es geht nicht um einen abstrakten Schutz von Bürgerrechten, sondern es geht um Freiheitsrechte, um freiheitliche Werte, die unsere Gesellschaft auszeichnen und ein Wert an sich sind.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist richtig!)

Wenn der Kampf gegen den Terrorismus dazu führt, dass wir diese Freiheitsrechte immer weiter einschränken, dann hätten die Terroristen noch einen späten Erfolg erzielt. Oder täusche ich mich da? So weit darf es nicht kommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Am Ende des Kampfes müssen die Bewahrung und der Schutz der freiheitlichen Werte und der Gesellschaftsordnung stehen. Deshalb muss der Schutz der Bürgerrechte eine ganz große Rolle spielen.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Das erklären Sie einmal den unschuldigen Opfern! – Gegenruf der Abg. Ute Vogt SPD)

Deswegen sagen wir auch: Im Zweifel heißt das immer Vorfahrt für die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Denn – das werfe ich Ihnen auch vor – Sie suggerieren mit Ihrem Instrumentarium – das könnte man ja noch beliebig aufblättern; Herr Kollege Blenke, mir würden noch 50, 60 andere Maßnahmen einfallen –, Sie garantierten den Bürgerinnen und Bürgern einen umfassenden Schutz vor terroristischer Bedrohung. Wir sagen: Wir müssen das tun, was vernünftig und verhältnismäßig ist. Aber wir erzählen den Bürgerinnen und Bürgern nicht, in einer freiheitlichen Gesellschaft sei ein hundertprozentiger Schutz möglich. Das ist nicht möglich. Dafür sind wir eine offene Gesellschaft – mit all ihren Vorzügen. Dazu stehen wir. Aber sie ist letztlich irgendwo auch immer verletzlich. Das ist klar.

Für die Beurteilung von Maßnahmen – deswegen wollte ich das einmal grundsätzlich sagen – ist, glaube ich, ein Fundament, von dem aus man sich bewegt, außerordentlich wichtig.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das sollten Sie an- deren nicht absprechen!)

Da sehe ich, dass Sie die Balance leider verloren haben.

Herr Noll, das ist doch längst auch ein Thema im Bürgertum, das Ihnen immer so wichtig ist. Warum sind denn politische Umfragen dieser Tage so, wie sie sind? Ein kleiner Mosaikstein davon ist auch, dass das Bürgertum in Baden-Württemberg sieht: Das Lebensgefühl, das ich so, wie ich bisher gelebt habe, repräsentiere, wird durch zu viel Einmischung des Staats zunehmend infrage gestellt. Das treibt die Leute um, wie wir in Gesprächen merken.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Das ist ein Mosaikstein für die Antwort auf die Frage, meine Damen und Herren, warum die Zustimmung, die Sie finden, sinkt. Darüber sollten Sie einmal ernsthaft nachdenken.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Zu dem vorliegenden Gesetzentwurf: 19 neue, zum Teil sehr weit reichende Ermächtigungen für Polizei,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist gut so!)

Ermittlungsbehörden und Verfassungsschutz – große, kleine, aber auch, Herr Innenminister, echt kleinliche, zum Teil gehässige.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Was wird sich für den Bürger Sckerl ändern?)

Ich verstehe auch nicht, Herr Kollege Gall, warum Sie diese erweiterte Auskunftspflicht so toll finden. Der Richterbund sagt: Diese Maßnahme ist, so klein, wie sie daherkommt, verfassungsrechtlich außerordentlich bedenklich. Auch ist es sehr viel einfacher und sehr viel umfassender möglich, einen vorübergehenden Freiheitsentzug zu bewirken.

(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Da ist jeder einzelne Bürger, jede einzelne Bürgerin einmal dran – nicht nur der Gelegenheitsdieb, der Terrorist schon

zehnmal nicht. Aber das geht in den Alltagsbereich der Menschen hinein. So einfach sind diese Fragen natürlich überhaupt nicht.

Herr Innenminister, Sie tun ja so, als ob Polizei und Ermittlungsbehörden seit dem 11. September 2001 der terroris tischen Gefahr völlig hilflos ausgesetzt wären. Das sind wir doch gar nicht. Es gibt doch bemerkenswerte Erfolge auch in Baden-Württemberg – bis in die letzten Tage.

(Beifall des Abg. Karl Rombach CDU – Abg. Tho- mas Blenke CDU: Ja, und warum? – Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU: Gott sei Dank!)

Wenn die Polizei nicht längst sehr gut aufgestellt wäre, wäre das nicht möglich gewesen.

(Zurufe der Abg. Dr. Klaus Schüle CDU und Rein- hold Gall SPD)

Offensichtlich sind wir den Herausforderungen doch ganz gut gewachsen. Sie stellen das in Abrede, und Sie tun das, weil Sie eben eine andere Sicherheitsphilosophie haben. Sie misstrauen dieser offenen Gesellschaft.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Karl-Wilhelm Röhm: Nein, Sie misstrauen der Polizei! Das ist das Entscheidende! Darum geht es! – Gegenruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Sie misstrauen mittlerweile offensichtlich auch den Bürgerinnen und Bürgern. Deshalb kommt man zu Gesetzentwürfen, die derart weit reichende Eingriffe und Ermächtigungen enthalten. Kollege Gall hat es ja gesagt: Da bewegt sich einiges zumindest am Rande der Verfassungsmäßigkeit.

Herr Innenminister, Sie mussten ja den ersten Entwurf zurückziehen. Das wissen Sie. Das könnten Sie hier auch einmal sagen. Sie reden immer so schön von grundlegenden, umfangreichen, sorgfältigen Beratungen. Den ersten Entwurf mussten Sie, z. B. was den Bereich der automatischen Lesesysteme für Kfz-Kennzeichen betrifft, zurückziehen, weil er der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts überhaupt nicht standgehalten hätte.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende. Ihre Redezeit ist bereits weit überschritten.

Ich komme zum Ende meiner Rede.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Aber ich darf bemerken, Frau Präsidentin, dass der Kollege von der CDU auch länger als fünf Minuten geredet hat.

Nein, hat er nicht.

Das hatten wir leider so festgestellt. Aber egal: Ich komme trotzdem zum Ende.

Die automatischen Lesesysteme sind ein Beispiel dafür, dass auch Ihr neuer Entwurf zumindest überprüfungswürdig und

nach unserer Auffassung bedenklich im Licht der Rechtsprechung des letzten Urteils des Verfassungsgerichts hierzu geblieben ist. Darüber können wir uns ja streiten.

Weil der Gesetzentwurf eine ganze Reihe solcher Punkte enthält, bitte ich darum – damit komme ich zum Schluss, Frau Präsidentin –, nachdem Sie fast zwei Jahre gebraucht haben, dass wir dieses elementare Gesetz jetzt nicht im Schweinsgalopp durchs Parlament treiben, sprich kurze Beratung im Innenausschuss und dann wieder Zweite Beratung im Plenum. Vielmehr sollten wir uns die Zeit nehmen und eine Anhörung mit Fachleuten aus unterschiedlichen Richtungen im Innenausschuss organisieren, um damit auch dem parlamentarischen Auftrag,