Meine Damen und Herren, wir haben, als dieses Abschmelzmodell bekannt geworden ist, einen Jubel bei den Unternehmensverbänden und den Wirtschaftsverbänden gehört. Die haben das alle begrüßt. Nur ist inzwischen so ein Gerangel aufgetreten. Wir haben im Grund eine Fahnenstange auf den Lobbymarkt gestellt, und daran dreht jetzt jeder. Natürlich wäre die Abschaffung – die man eigentlich gern hätte – noch schöner als eine Regelung, wonach ein wenn auch kleiner Teil gezahlt werden muss.
Ist Ihnen bekannt, dass nach einer Studie mit dem Titel „Pro und Contra Erbschaftsteuer – Argumente und Erfahrungen im internationalen Vergleich“, die das Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Münster
durchgeführt hat, Länder, die keine Erbschaftsteuer mehr haben, die die Erbschaftsteuer also abgeschafft haben, ein größeres Wirtschaftswachstum, höhere Investitionen, niedrigere Arbeitslosenquoten und höhere Steuereinnahmen haben?
Herr Kollege Wetzel, nur ganz kurz: Mir ist die Studie bekannt. Vielleicht kenne ich sie sogar besser als Sie. Da steht nämlich drin, dass diese Unterschiede nicht ursächlich auf die Erbschaftsteuer zurückgehen.
Wir haben beispielsweise in vielen angelsächsischen Ländern ein höheres Wirtschaftswachstum als bei uns, und diese Länder haben hohe Erbschaftsteuern. Das gibt es auch.
Frau Kollegin Berroth, ich will Ihnen eines sagen: Rechnen Sie bitte nach. Wenn jemand nicht 1 Million €, wie der Minis ter gesagt hat, sondern 20 Millionen € Betriebsvermögen geerbt hat – das ist schon ein ordentlicher Betrieb – und die Freibetragsregelung in Anspruch nimmt, derzufolge am Ende nur 15 % zu versteuern sind, und gleichzeitig Versorgungsfreibeträge hat, dann kommt am Ende ein Steuersatz von – jetzt raten Sie einmal – 1,3 % auf diese 20 Millionen € heraus.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Oh! – Abg. Reinhold Gall SPD: Was für ein Drama! – Zuruf der Abg. Hei- derose Berroth FDP/DVP)
So sieht es aus – damit wir einmal klarstellen, wofür Sie eigentlich kämpfen. Wenn Sie also wollen, dass die FDP ihren Ruf als „Börsenjunkie“ ablegt und
Beim Modell des Kollegen Schlachter wären es übrigens 5 %. Das mag dann auf einen Bierdeckel gehen, aber es ist in diesem Fall das Vierfache, was man an Steuern zahlen muss. Da haben Sie vorhin geklatscht.
Noch einmal: Herr Kollege Wetzel, Sie wissen vielleicht auch, dass Betriebsvermögen, weil nicht mehr so viele Kinder da sind, nur noch in knapp 50 % der Fälle innerhalb der Familie weitergegeben und dass die Betriebe als Familienbetriebe weitergeführt werden. Die anderen werden verkauft, Management steigt ein usw.
Was sagen Sie denn in Bezug auf einen Übernehmer, der einen Handwerksbetrieb, eine Arztpraxis übernimmt, den Verkehrswert oder den von seinem Vorgänger verlangten Preis bezahlt und ein Darlehen aufnimmt, damit er diesen Betrieb weiterführen kann? Was sagen Sie im Fall eines kleinen mittelständischen Unternehmens, das durch das Management aufgekauft wird? Die kriegen kein Abschmelzmodell, keine Freibeträge.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Die haben es ja nicht geerbt! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)
(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Der kann aber doch die Investitionen abschreiben, dann zahlt er am Anfang null Steuern! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)
Wollen Sie denn die Unternehmen marktwirtschaftlich dazu zwingen, aus Gründen der Steuervermeidung eine unternehmerische Entscheidung, die vielleicht im Einzelfall aus guten Gründen nicht auf die Betriebsübernahme innerhalb der Familie abzielt, zu verhindern?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mir gefällt es heute. Ich mag es gern heiter. Es waren ein paar tolle Sprüche dabei, wobei es bis zum 11. 11. noch einige Wochen hin sind.
Verschiedene Redner haben unwahrscheinlich interessante Erklärungsversuche unternommen, um darzulegen, was in dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes drinsteht, und es sind interessante Versuche unternommen worden, diese Erklärungen noch zu verbessern.
Das Modell von Schlachter von den Grünen ist eigentlich einfach: 5 % auf alles, 250 000 € Freibetrag, Stundungsmöglichkeiten wie bisher.
Das ist nicht mittelstandsfeindlich. Weil ich mit einem solchen Zuruf gerechnet habe, zitiere ich Ihnen aus einer Stellungnahme des Deutschen Industrie- und Handelskammertags – das sind die Spitzen des deutschen Mittelstands –:
Ihr Vorschlag einer Erbschaftsteuer mit breiter Bemessungsgrundlage und niedrigem Tarif weist in die richtige Richtung. Er ist einfach und pragmatisch. Er wird den Belangen der Unternehmen gerecht, ohne gänzlich auf die Erbschaftsteuer zu verzichten. Die sachlichen Fallstricke des Regierungskonzepts würden ebenso beseitigt wie die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen umfangreiche Steuerfreistellungen,
Mehr brauche ich nicht zu sagen. Das andere gehört in den Reißwolf. Über unsere bzw. meine neuen Ideen sollten wir nachdenken.
(Beifall der Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE und Dr. Ulrich Noll FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut! – Unruhe – Glocke des Präsi- denten)