Nur: Von diesen großspurigen Worten ist nach der Hälfte der Amtszeit gar nichts mehr übrig geblieben. Die gestrige Rede unseres Ministerpräsidenten, bei der dieses Thema nicht einmal mehr erwähnt wurde, hat das nochmals mehr als deutlich unterstrichen.
Bedauerlicherweise haben die Regierungsfraktionen – entgegen den üblichen parlamentarischen Gepflogenheiten hier im Haus – sogar eine Mitberatung der Thematik im Umweltausschuss abgelehnt.
Der Umweltausschuss hat sich im Übrigen in den vergangenen Monaten sehr intensiv mit dem Thema „Reduzierung des Flächenverbrauchs“ beschäftigt. Dort wurde mit großer Mehrheit bedauert, dass der Flächenverbrauch immer weiter angestiegen ist. Anstatt bei 8,8 ha pro Tag, wie zu Beginn dieser Legislaturperiode, stehen wir jetzt bei 10,3 ha pro Tag. Wir bewegen uns von der Nettonull weg und nicht auf sie hin. Der Grund dafür liegt auf der Hand, der Grund dafür ist ganz offensichtlich: Es gibt nicht den politischen Willen, hier wirklich mit klaren Richtlinien, mit klaren Vorgaben entsprechend einzugreifen. Es gibt Projekte, die sicherlich lokal irgendwie Sinn machen, die aber eben nicht die durchschlagende Wir
kung haben, die sie haben müssten. Genau deswegen geht das Ganze immer weiter in die falsche Richtung.
Mit unserem heutigen Änderungsantrag beantragen wir eigentlich nicht weniger und auch nicht mehr, als das, was der Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung gesagt hat, in Gesetzesform zu gießen. Bei den 5 ha pro Tag bis zum Jahr 2015 müssen wir ehrlicherweise sogar zugeben: Wir sind noch nicht einmal halb so gut wie die Regierung – zumindest nicht, was die Aussagen in der Regierungserklärung angeht. Aber nachdem ich mir diese warmen Worte von Ihnen, Herr Mack, heute angehört habe, muss ich einmal fragen: Meinen Sie es mit dem Thema Flächenverbrauch denn überhaupt noch ernst, wie viele von Ihnen – auch viele Umweltpolitiker von Ihnen – immer und immer wieder sagen? Ich glaube, es schadet auch der Vertrauenswürdigkeit von Politik, wenn hier nicht nur bei den Finanzen, sondern auch beim Flächenverbrauch groß eine „Nettonull“ verkündet wird und dann in der politischen Realität in dieser Hinsicht nichts, aber auch gar nichts gemacht wird.
Nach dem Gesetzentwurf der Landesregierung soll § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Landesplanungsgesetzes in der bisherigen Form – „Dabei sind Gestaltungsmöglichkeiten der Raumnutzung langfristig offenzuhalten“ – wie folgt ergänzt werden:
und dabei insbesondere die Inanspruchnahme bislang unbebauter Flächen für Siedlung und Verkehr unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und ökologischer Belange spürbar zurückzuführen.
Das ist so schwammig formuliert, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass diese gesetzliche Regelung praktisch keine Bedeutung hat.
Dies zeigt einmal mehr, wie weltfremd Ihre Einschätzung der Realität ist, und führt uns zu unserem zweiten Änderungsantrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich der Genehmigung von Flächennutzungsplänen durch die höheren Verwaltungsbehörden. Da diese Änderung sogar vom Umweltminis terium selbst angeregt wurde und auch Teil des interfraktionellen Antrags von CDU, SPD und Grünen war, werden wir natürlich besonders darauf achten, wie Sie von der CDU hier abstimmen. Wir haben es mit großem Interesse vernommen, dass heute Nacht noch ein Antrag zum Abfallgesetz eingebracht wurde, nach dem man die Genehmigungsbehörde auch auf die Ebene des Regierungspräsidiums heben möchte. Wir werden dem heute Nachmittag selbstverständlich zustimmen. Aber wir wünschen uns auch – wir haben ja gelesen, dass Sie, Herr Pfister, dies seit November vergangenen Jahres prüfen –, zu erfahren, was diese Prüfung denn erbracht hat und ob Sie genau auch diesem Änderungsantrag, der Einfügung eines neuen Artikels 5 in dieses Gesetz, zustimmen werden.
Zum Schluss möchte ich noch zu einem Punkt kommen, den auch Herr Mack angesprochen hat, nämlich zum Thema Windkraft und der Rückständigkeit Baden-Württembergs bei diesem Thema, die ja nun schon fast legendär ist, und dies nicht nur gegenüber Küstenländern wie Niedersachsen oder Schles
wig-Holstein – was ja verständlich ist –, sondern auch gegenüber Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Thüringen, die für Windenergie nun wahrlich nicht besser geeignet sind als Baden-Württemberg. Denn wie sonst lässt sich erklären, dass trotz gleicher Landesfläche in Nordrhein-Westfalen achtmal so viele Windkraftanlagen stehen wie bei uns in Baden-Würt temberg?
Das Haupthindernis ist dabei der Passus im derzeitigen Landesplanungsgesetz, der alle Gebiete, bei denen der Regionalverband nicht explizit etwas anderes festlegt, automatisch zu Ausschlussgebieten macht. Diesen Satz, der die Windkraft in Baden-Württemberg in derart dramatischer Weise behindert, wollen wir daher heute aus dem Landesplanungsgesetz streichen.
Auch den Antrag der Grünen, nach dem das Repowering bestehender Windkraftanlagen auch dann ermöglicht werden soll, wenn sie nicht in einem Vorranggebiet liegen, werden wir selbstverständlich unterstützen. Denn wenn ein Windrad schon dasteht und Strom produziert, verstehe ich nicht, warum es nicht einfach noch mehr Strom produzieren soll. Das kapiert nun wirklich niemand. In diesem Sinne unterstützen wir auch diesen Änderungsantrag der Grünen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Gesetz zur Änderung des Landesplanungsgesetzes, dessen Entwurf uns heute vorliegt und den wir in zweiter Lesung behandeln, setzt im Wesentlichen eine EURichtlinie um. Damit jedoch werden dringend notwendige Korrekturen, wie wir sie brauchen, nicht vorgenommen. Damit wird die Chance vertan, den Flächenverbrauch tatsächlich einzudämmen und auch in Bezug auf Windkraft eine Kurskorrektur vorzunehmen. Deshalb hat das, worüber wir heute abstimmen, mit Nachhaltigkeit überhaupt nichts zu tun.
Außerdem müssen wir feststellen, dass es im Laufe der Debatte gezielte Desinformationen gegeben hat; Etikettenschwindel kommt dazu. Weil dies besonders bei Ihnen, Herr Kollege Dr. Rülke, der Fall war, muss ich Sie zitieren. Sie haben nämlich mehrfach behauptet, dass mit diesem Landesplanungsgesetz der Einzelhandel in kleineren Gemeinden auf großen Flächen über 800 m² ermöglicht würde.
Damit haben Sie viele verwirrt. Sie haben all denen, die auf dem Land als Einzelhändler, als kleine Familienunternehmer tätig sind, sozusagen den Stuhl unter dem … – na, ich sage es jetzt nicht – weggezogen.
Das, finde ich, ist eine wirklich schlechte Strategie von Ihnen, weil nämlich klar ist, dass im vorliegenden Gesetzentwurf dazu gar nichts drinsteht. Es ist nach wie vor so, dass bei uns Gesetzestexte gelten und nicht Begründungen. Auch Ihre Ausführung, dass der hochwertige Einzelhandel mehr als 800 m² Verkaufsfläche brauche, ist einfach absurd, Herr Kollege.
Aber es gibt auch Etikettenschwindel, wenn es um die Frage des Flächenverbrauchs geht. Denn es schwirrt immer wieder die Behauptung im Raum, dass mit diesem Gesetz der Flächenverbrauch eingedämmt würde. Das ist jedoch nachweislich nicht der Fall, weil Sie mit diesem Gesetz keine Instrumente einführen. In den zum Gesetzentwurf im Rahmen der Anhörung eingebrachten Stellungnahmen wird explizit gesagt – ich zitiere –:
geht dabei in der Sache über die bereits verbindlichen Vorgaben des Landesentwicklungsplans nicht hinaus …
Im Gegensatz dazu haben wir Ihnen Änderungsanträge vorgelegt, um den Flächenverbrauch wirksam einzudämmen, und wir haben uns an das gehalten, was der Nachhaltigkeitsbeirat der Landesregierung vorgeschlagen hat und rechtlich hat prüfen lassen. In diesem Nachhaltigkeitsbeirat – der Landesregierung wohlgemerkt – sitzen Leute wie Franz Josef Radermacher, Ortwin Renn, Peter Fritz, Lutz Wicke. Die Vorschläge all dieser Menschen scheinen Ihnen jedoch nicht wichtig genug zu sein, um sie tatsächlich umzusetzen. Noch haben Sie die Möglichkeit, das zu tun, nämlich heute. Unsere Vorschläge, die wir zum Thema Flächenverbrauch einbringen, haben genau das zum Inhalt, was Ihr eigener Nachhaltigkeitsbeirat erarbeitet hat.
Lassen Sie mich noch zu einem zweiten Punkt kommen, nämlich zum Thema Windkraft. Das erklärte Ziel der Landesregierung und der Regierungsfraktionen ist es nach wie vor, den Anteil der erneuerbaren Energien zu erhöhen. Was Sie mit diesem Gesetz betreiben, ist aber nicht nur die Verhinderung neuer Anlagen, sondern Sie kämpfen auch gegen alte Windmühlen, die schon heute stehen. Das ist in Anbetracht Ihres eigenen Ziels völlig absurd.
Herr Kollege Mack hat gerade versucht, uns zu erklären, was Sie eigentlich mit Ihrer Änderung im Landesplanungsgesetz 2003 verabschiedet haben.
Wir haben das schon lange kapiert, weil damit nämlich 98 % der Landesfläche Ausschlussgebiete für die Errichtung von Windkraftanlagen geworden sind. Die Vorranggebiete sind aber nicht windhöffig, und es lohnt sich nicht, dort Windkraftanlagen zu errichten.
Wenn Sie jetzt auch noch dagegen sind, dass an bereits bestehenden Standorten alte Anlagen durch neue, leistungsfähigere ersetzt werden,
dann ist das wirklich fundamentalistisch und verantwortungslos, werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP/ DVP.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Genau! Funda- mentalistisch!)
Ich möchte nicht noch einmal darauf eingehen, dass die FDP auf ihrem Landesparteitag genau das Gegenteil beschlossen hat.
Nein, dazu bleibt mir jetzt nicht die Zeit. Es ist auch nicht so wichtig. Ich nehme lieber ein konkretes Beispiel, nämlich die Hornisgrinde. Auf der Hornisgrinde stehen derzeit drei Windkraftanlagen, die 350 Kilowatt erzeugen. Würde man sie durch neue, leistungsfähigere Anlagen ersetzen, stiege deren Leistung auf 7 500 Kilowatt, womit man 4 000 Haushalte versorgen könnte. Warum Sie dagegen etwas haben, versteht kein Mensch.
Noch haben Sie aber die Chance, unserem Änderungsantrag zuzustimmen, damit z. B. auf der Hornisgrinde alte Anlagen durch neue ersetzt werden können.