Herr Kollege Dr. Mentrup, stimmen Sie mir zu, dass die Beispiele, die Sie jetzt aus der Durchführungsverordnung erwähnt haben, alles Beispiele sind, die sich auf die Sprachstandsdiagnose bezogen haben, …
… und dass darin deshalb überhaupt keine Aussage dazu enthalten ist, welche Kosten den Kommunen für die Sprachförderung entstehen – für die wir ausreichend Finanzmittel zur Verfügung stellen?
Sie machen doch die Sprachförderung und nicht die Sprachstandsdiagnose zu Ihrem entscheidenden Punkt.
Ich mache die Sprachförderung deswegen zum entscheidenden Punkt, weil es keinen Sinn macht, eine Sprachstandsdiagnose durchzuführen, ohne anschließend auch für die Sprachförderung ganz klar die Verantwortung zu übernehmen und diese flächendeckend für jedes Kind sicherzustellen.
Die von mir angesprochenen Punkte bezogen sich, wie Sie richtig wahrgenommen haben, auf die Sprachstandsdiagnose, unterstreichen aber, dass es berechtigt ist, der Durchführung all dieser Dinge und auch der entsprechenden Gegenfinanzierung mit hohem Misstrauen zu begegnen.
Herr Schebesta, dass man einen solchen Weg mit dem Gemeinde- und dem Städtetag gemeinsam geht, wenn man schon so viel logistische Organisation delegiert, das will ich grundsätzlich gar nicht kritisieren.
Aber dann einen Gesetzentwurf vorzulegen, dem sowohl der Gemeindetag als auch der Städtetag widersprechen – sie wären bei einer kleinen Festlegung in der Begründung des Gesetzestextes bereit gewesen, sich der Sache anzunehmen –, das ist entweder völliges Missmanagement oder Berechnung.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute abschließend über einen Gesetzentwurf, der zwei wichtige Punkte regelt: zum einen die Schulpflicht für Asylbewerber- und Flüchtlingskinder und zum anderen die neukonzeptionierte Einschulungsuntersuchung.
Wie schon bei der ersten Lesung ausgeführt, stimmen wir mit der Zielsetzung des Gesetzentwurfs in beiden Punkten grundsätzlich überein,
Mit unseren Einwänden stehen wir ja nicht allein, und ich habe es wirklich sehr selten erlebt, dass es so viele kritische Anmerkungen vonseiten der Institutionen und der kommunalen Landesverbände gegeben hat, von denen nichts, aber rein gar nichts übernommen worden ist.
Deshalb haben wir heute einen Änderungsantrag eingebracht, der die Streichung der sechsmonatigen Wartezeit für den Beginn der Schulpflicht von Flüchtlings- und Asylbewerberkindern beinhaltet. Wir halten die bestehende Rechtslage, die den Anspruch der Kinder auf Teilnahme am Unterricht formuliert, für nicht ausreichend. Wenn es diese Rechtssicherheit gäbe, von der Sie alle gesprochen haben, dann müsste man das jetzt auch nicht im Gesetz regeln.
Es hat sich in der Praxis gezeigt, dass es nicht klar genug formuliert ist und es immer wieder zu Unsicherheiten in der Handhabung geführt hat. Wenn die Rechtssicherheit ausreichen würde, dann müsste dieser Punkt auch nicht gesetzlich verankert werden. Deshalb ist es für uns überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb die Schulpflicht erst drei Monate oder jetzt sechs Monate nach dem Zuzug gelten soll und nicht schon am ersten Tag, an dem ein Kind zugezogen ist. Wir halten das unter Integrationsgesichtspunkten für komplett verfehlt. Wir wollen, dass alle Asylbewerber- und Flüchtlingskinder so früh wie möglich einen Zugang zur Bildung bekommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, verschiedene Verbände haben in ihren Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass es schwierig sein könnte, Kinder, die Fluchterfahrungen besitzen oder traumatisiert sind, in den normalen Schulalltag zu integrieren. Selbstverständlich können diese Kinder nicht nach Stichtagsregelungen behandelt werden, und mit diesen Kindern muss auch sehr sensibel und flexibel umgegangen werden. Für diese Kinder ist es selbstverständlich möglich, über Gutachten oder ärztliche Atteste eine Befreiung von der Schulpflicht zu bekommen.
Ich fordere Sie auf, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Es gibt keinen Grund, bei der gesetzlichen Regelung zur Schulpflicht für Asylbewerber- und Flüchtlingskinder eine erweiterte Wartezeit von sechs Monaten vorzusehen. Schon drei Monate waren schwer vermittelbar. Lassen Sie uns die Zeit nach dem Zuzug optimal nutzen. Das ist der beste Weg für eine frühzeitige Integration in die Gesellschaft und der beste Weg für eine nachhaltige Bildung auch für Asylbewerber- und Flüchtlingskinder.
Der weitere zentrale Punkt im Gesetzentwurf ist die Neukonzeptionierung und Vorverlegung der Einschulungsuntersuchung. Positiv ist, dass die Feststellung der kindlichen Sprachkompetenz nun gesetzlich verankert wird. Negativ dabei ist, dass im Gesetzentwurf keine Regelungen über die sich an die Sprachstandsdiagnose anschließenden Sprachfördermaßnahmen enthalten sind. Da bin ich ganz anderer Meinung als Kollege Schebesta. Sie haben gesagt: „Wir brauchen das nicht.“ Wir brauchen das dringend. Wenn die Sprachstandsdiagnose gesetzlich geregelt ist, dann muss auch die Sprachförderung gesetzlich geregelt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was nützt denn, bitte schön, eine Sprachstandsdiagnose, wenn keine systematische Sprachförderung bezahlt wird?
(Abg. Volker Schebesta CDU: Das hat aber mit der gesetzlichen Regelung nichts zu tun! – Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: Das ist doch jedem klar!)
Sprachtests ohne Sprachförderung, Kollege Noll, sind Stückwerk. Wenn das klar ist, dann gibt es keinen Grund, das nicht hineinzuschreiben.
Es kann doch nicht sein, Kollege Schebesta, dass die Landesregierung zwar die vergleichsweise billigen Tests bezahlt, die Kommunen dann aber die teure Sprachförderung bezahlen sollen!
(Abg. Volker Schebesta CDU: Das ist doch nicht wahr! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sprachför- derung ist doch Aufgabe des Kindergartens und der Erzieherinnen!)
Wenn es nicht wahr ist, was spricht denn dann dagegen, das ins Gesetz hineinzuschreiben? Es gibt doch keinen Grund, etwas, das klar ist, nicht gesetzlich festzulegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Beratung im Schulausschuss am 15. Oktober haben die Vertreter der kommunalen Landesverbände genau diese strittigen Punkte noch einmal aufgeführt. Wenn im Gesetzentwurf die Sprachstandsdiagnose zur Feststellung von Sprachdefiziten verankert wird, dann muss doch, bitte schön, auch Klarheit darüber geschaffen werden, wer für die daraus resultierenden Fördermaßnahmen aufkommt.
Städtetag und Gemeindetag haben deshalb angeregt, in den Gesetzentwurf den Hinweis einzufügen, dass sich das Land als Träger der sich an die Sprachstandsdiagnose anschließenden Sprachförderung betrachtet. Hierfür hätte eine Klarstellung in der Gesetzesbegründung ausgereicht. Wir finden es wirklich sehr bedauerlich, dass diesem konstruktiven Vorschlag nicht gefolgt wurde. Es bewahrheitet sich wieder einmal der alte Spruch, dass in Baden-Württemberg jeder Gesetzentwurf im Landtag genau so verabschiedet wird, wie er eingebracht wurde – unabhängig von den Beratungen und den Stellungnahmen der Organisationen und Verbände.