Protokoll der Sitzung vom 05.11.2008

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen, meine sehr geehrten Kollegen! Im Namen der Landesregierung nehme ich zu dem Antrag der Fraktion der SPD wie folgt Stellung:

Zunächst möchte ich für die Landesregierung noch einmal betonen, dass der Mittelstand als die Stütze der Wirtschaft unseres Bundeslandes unsere volle Unterstützung genießt und dass wir im Rahmen des rechtlich Zulässigen und Möglichen alles tun, um dies auch entsprechend umzusetzen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Ja- wohl!)

Dies gilt insbesondere auch für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Die Praxis bei uns sieht so aus, dass die Aufteilung der Bauaufträge meist in einzelne Gewerke erfolgt, also in einzelne Handwerksbereiche. Es werden laut der VOB sogenannte Fachlose gebildet. Die Vergabe an Generalunternehmer ist die große Ausnahme. Dies wird in diesem Land auch so bleiben.

(Abg. Fritz Buschle SPD: Ach!)

Bei Fachlosen gehen die Aufträge nahezu ausschließlich an Handwerksbetriebe. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das gerade vorhin bestritten worden ist, dann mögen Sie sich bitte an die nackten Zahlen halten. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die meisten staatlichen Bauaufträge werden nach Fachlosen vergeben. 99,8 %

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hört, hört!)

der ca. 150 000 erteilten Bauaufträge der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung Baden-Württemberg in den Jahren 2003 bis 2007 sind nach Fachlosen direkt an ausführende Firmen gegangen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Beeindru- ckend!)

Wenn Sie nunmehr fragen, wie es vom Bauvolumen her aussieht, kann ich es Ihnen genauso sagen: Insgesamt sind Aufträge in Höhe von 2,3 Milliarden € in diesem Zeitraum im Wege von Fachlosen vergeben worden. Das sind 87,4 % der entsprechenden Summe.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Da sieht es aber schon anders aus!)

Es sind nicht nur kleinere Projekte, sondern auch 245 sogenannte Große Baumaßnahmen, die mit einem Volumen von jeweils mindestens 1,25 Millionen € im Haushaltsplan einzeln ausgewiesen sind.

Nun zur Ausnahme Generalunternehmer. Wie sieht hier die konkrete Situation aus? Die Fakten sind, dass die Rahmenbedingungen des Projekts darin bestanden, dass ein ganz enormer Zeitdruck vorgegeben war. Die Situation ist die, dass Stuttgart 21 in diesem Bereich erst gebaut werden kann, wenn zuvor die Straßenbahn entsprechend verlegt ist. Dies setzt wiederum voraus, dass zuvor das geplante Ministerium zumindest im Rohbau fertiggestellt ist. In der zeitlichen Berechnung bedeutet dies, dass wir bis spätestens Mitte des Jahres 2011 hier fertig sein müssen, damit die beiden anderen Baumaßnahmen dann entsprechend angeschlossen werden können.

Es ist wohl völlig unbestritten, dass die Ausschreibung über einen Generalunternehmer erhebliche zeitliche Vorteile beinhaltet. Bei Generalunternehmern wird nun einmal eine funktionale Leistungsbeschreibung gemacht, während bei einer Gewerkeausschreibung nach Fachlosen bis ins letzte Detail geplant werden muss.

Das Zeitproblem verschärft sich hier noch durch eine Besonderheit. In dem neuen Ministeriumsgebäude sind nämlich Lagezentren für die Landesregierung und den Katastrophenschutz vorgesehen. Dies macht es erforderlich, zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen der auf der Baustelle einzusetzenden Arbeitskräfte der Firmen beim Landesamt für Verfassungsschutz durchzuführen. Das ist sehr, sehr zeitaufwendig, und jeder Vergabevorgang mit dem Risiko zeitlicher Verzögerung – wenn z. B. die gewünschte Firma die Sicherheitsanforderungen nicht erfüllt – bedeutet eine Verschiebung des Baubeginns bzw. des Fertigstellungstermins.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben große zeitliche Vorteile eines Generalunternehmers bei der Sicherheitsüberprüfung. Auch das muss gesehen werden. Denn für die Arbeiten, die er selbst ausführt, ist seine Mannschaft ohnehin schon sicherheitsüberprüft.

(Abg. Fritz Buschle SPD meldet sich zu einer Zwi- schenfrage. – Glocke der Präsidentin)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte jetzt im Zusammenhang vortragen.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Bei der Auswahl der Firmen für Generalunternehmer sind keine Vergabevorschriften zu beachten. Außerdem kann der Generalunternehmer, wenn er den Auftrag hat, sofort auch an bereits überprüfte Firmen übergeben. Eine zusätzliche Sonder überprüfung entfällt also.

Auch beim Einsatz von Subunternehmern bestehen Zeitvorteile. Wenn nämlich eine erfolglose Überprüfung oder z. B. eine Insolvenz dazu führt, dass auf einen anderen Subunternehmer zurückgegriffen werden muss, kann ohne großen Zeitverlust und zügigst ein Nachfolgeunternehmen beauftragt wer

den, ohne dass hier das öffentliche Vergaberecht, das nun einmal etwas umständlicher ist, angewendet werden muss.

Alles in allem also, meine sehr verehrten Damen und Herren: erhebliche Zeitvorteile zugunsten des Generalunternehmers.

Ich möchte deutlich darauf hinweisen, dass diese Maßnahme in einem unglaublichen Tempo angegangen worden ist. Es sind 15 Monate für die Planung angefallen, den Architektenwettbewerb, der durchgeführt worden ist, mit einberechnet. In diesen 15 Monaten sind wir sehr weit vorangekommen, wir sind bereits sehr, sehr weit.

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Ihnen die objektiven Zahlen nicht genügen, dann mögen Sie eine Bewertung zur Kenntnis nehmen, die gestern der vom BadenWürttembergischen Handwerkstag beauftragte Präsident der Handwerkskammer Heilbronn-Franken, Herr Bopp, in einem Gespräch in unserem Haus vorgenommen hat. Er hat sich dies nämlich alles vortragen lassen und kam dann sinngemäß zu dem Ergebnis, dass das Vorgehen insbesondere im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit akzeptabel sei.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Na, na, na! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

In der heutigen Debatte ist außerdem gesagt worden, dass die Vergabe an Generalunternehmer dem Vergaberecht widerspreche. Das ist falsch. Denn hier ist im Einklang mit dem Vergaberecht für öffentliche Aufträge vorgegangen worden. So kann man aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen die Vergabe an einen Generalunternehmer ermöglichen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber nicht aus zeitli chen!)

Aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ja, aber nicht aus zeit- lichen!)

auch nach § 22 des Mittelstandsförderungsgesetzes des Lan des. Nach Ziffer 5.3 der Mittelstandsrichtlinie des Landes für öffentliche Aufträge ist die Zusammenfassung mehrerer oder sämtlicher Fachlose bei einem Bauvorhaben möglich. Das ist dann der Zwischenweg, der auch aufgezeigt ist.

Jetzt kommt noch etwas dazu. Wir sagen dem Generalunternehmer natürlich, wie er nachher vorzugehen hat. Für unsere Mittelstandsfreundlichkeit nur drei Beispiele: Wenn wir den Generalunternehmer beauftragen, dann haben wir in den besonderen Vertragsbedingungen klare Bedingungen stehen, zu denen eine Weitervergabe von Leistungen an Subunternehmer möglich ist. Wir halten den Generalunternehmer an, bei Unteraufträgen kleine und mittlere Unternehmen in dem Umfang heranzuziehen, wie es mit der vertragsmäßigen Ausführung der Leistung zu vereinbaren ist. Wir sagen das ausdrücklich. Schließlich schreiben wir vor, dass auch bei Unteraufträgen handwerkliche Leistungen nur von Unternehmen erbracht werden dürfen, die in die Handwerksrolle eingetragen sind.

Die Chancen für mittelständische Firmen aus der Region, an diesem Bau mitzuwirken, sind ausgesprochen gut. Erfahrungsgemäß beschäftigen Generalunternehmer viele Firmen, ja die meisten Firmen, aus der Region, und wir haben hier Erfah

rungswerte, die bei 80 % liegen. Die restlichen 20 % kommen aus den benachbarten Ländern. Wir wissen, dass die Gefahr, die wir einmal gesehen hatten, nämlich dass hier sehr viel auch in das Ausland vergeben werden könnte, nicht eingetreten ist, weil die Zahl solcher Vergaben bei uns in BadenWürttemberg bisher eine vernachlässigbare Größe ist.

Ich möchte auch daran erinnern und klar sagen, dass Subunternehmer durch das baden-württembergische Mittelstandsförderungsgesetz besser geschützt sind als in anderen Ländern. Der Generalunternehmer darf seinen Subunternehmern keine schlechteren Vertragsbedingungen auferlegen, als er selbst hat. Einen besseren Dumpingschutz gibt es kaum.

Außerdem haben wir in Baden-Württemberg Ergänzungen zur VOB A, also zum Vergabeverfahren, die seit 1997 festschreiben, Bauaufträge des Landes nur unter folgenden Bedingun gen zu vergeben: Das Bauunternehmen muss mindestens 70 % der Leistungen, auf die sein Betrieb eingerichtet ist, mit Stammpersonal ausführen. Das Stammpersonal muss bei der Angebotsabgabe nachgewiesen werden, und wir achten gerade nach dem, was auf der Messe – durch die Messe und nicht durch die Staatliche Hochbauverwaltung – passiert ist, außerordentlich stark darauf, dass dies in unserem Bereich so eingehalten wird und nicht das stattfindet, was wir leider anderenorts schon hatten.

Das Bauunternehmen darf nur solche Subunternehmer einsetzen, die ihre Leistungen wiederum mindestens zu 70 % mit Stammpersonal ausführen werden, und die Subunternehmer schließlich – das ist der dritte Punkt – dürfen ihre Leistungen nicht an Subsubunternehmer weitergeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen aus alledem von den Zahlen und auch von den rechtlichen Vorgaben her: Wir in Baden-Württemberg und speziell diese Landesregierung haben in der Vergangenheit eine ausdrücklich mittelstandsfreundliche Baupolitik praktiziert. Die Landesregierung wird es auch bei dem in Rede stehenden neuen Ministeriumskomplex so tun.

Ich sage Ihnen schließlich noch eines: Wir sind auch jetzt wieder dabei, diese Vorgänge entsprechend zu optimieren. Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass aus besonderen Gründen auch bei größten Maßnahmen die Gewerkevergabe vertretbar ist, werden wir auch dort selbstverständlich auf diesem Weg entsprechend vorgehen. Wir sind dauernd daran, zu überlegen, wie wir unsere Handwerksfreundlichkeit in Baden-Würt temberg noch steigern können, und dabei lassen wir uns von niemandem übertreffen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel- mut Walter Rüeck CDU: Bravo! – Abg. Norbert Zel- ler SPD: Ha, ha, ha!)

Das Wort erhält Herr Abg. Haas.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Karl Zimmermann: Die Fragestunde ist erst morgen!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Bemühen des Herrn Staatssekretärs ist anerkennenswert. Bloß, die Welt sieht anders aus.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Ich kann Ihnen hier vortragen, dass zwölf Handwerkskammern im Land Baden-Württemberg mitgeteilt haben,

(Zurufe von der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Es gibt bloß acht!)

dass der SPD-Antrag zu Recht besteht. Der Fraktionsvorsitzende ist gebeten worden, ja zu versuchen, den Antrag mehrheitlich durchzubringen.

Sie, Herr Staatssekretär, sagen, Sie haben mit jemandem gesprochen. Auch wenn das der Fall ist: Was Sie mit dem besprochen haben, entzieht sich letztendlich meiner oder unserer Kenntnis.

(Zuruf von der CDU: Ja! Wie so vieles!)

Aber Tatsache ist, dass die Kreishandwerkerschaft Ostalb hier schreibt: „Das Handwerk im Ostalbkreis unterstützt Sie in Ihrem Antrag, das Ausschreibungsverfahren zu stoppen