Protokoll der Sitzung vom 06.11.2008

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Knapp, ich bewundere fast das Zutrauen, das Sie in Ihren Fraktionsvorsitzenden haben:

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Haben Sie das nicht, Herr Rülke?)

Der macht eine Pressemitteilung, diese wird in der „Bild“Zeitung wiedergegeben, und schon sinken die Gaspreise. Ein solcher SPD-Wunderknabe wird in Hessen gebraucht. Schicken Sie ihn dorthin. Der kann vielleicht dort die Verhältnisse bei Ihren Genossen klären.

Aber natürlich hat der Kollege Nemeth recht, wenn er sagt: „Man kann diese Diskussion ja nur ironisch führen.“ Denn Faktum ist, dass sich jetzt das Verhältnis zwischen Öl- und Gaspreis mit halbjähriger Verzögerung auswirkt, und Faktum ist auch, dass die Kartellverfahren des Wirtschaftsministers ein Schwert sind, das aber natürlich nicht so scharf ist, wie wir uns das wünschen würden.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Deshalb brauchen wir noch das Schwert Schmiedel!)

Dafür müssten die Kartellgesetzgebung und vor allem der Wettbewerb auf nationaler und auch auf europäischer Ebene besser funktionieren. Der Wettbewerb funktioniert aber eben nicht so, wie er funktionieren sollte.

In diesem Zusammenhang ist auch Ihr Beispiel, Herr Pix, etwas schief. Denn wenn wir uns anschauen, wie der Energiemarkt in Baden-Württemberg früher organisiert war – mit Badenwerk und Energieversorgung Schwaben –, dann werden wir zu dem Ergebnis kommen, dass es heute mehr Wettbewerb gibt als früher. Aber es gibt eben dennoch zu wenig Wettbewerb. Die Menschen müssen die Möglichkeit haben, zwischen verschiedenen Anbietern auszuwählen. Dann wird auch diese Spreizung zwischen 1 100 und 1 800 €, wie Herr Kollege Knapp sie vorhin beschrieben hat, schmaler.

Aber es kann nicht der Weg sein, zu sagen: „Das muss alles der Wirtschaftsminister, das muss die Landeskartellbehörde richten.“ Ebenso wenig kann es der Weg sein, zu sagen: „Wir verbieten beispielsweise den Stadtwerken jetzt ihre Preisgestaltung.“ Der Bürger muss die Möglichkeit haben, zwischen Anbietern auszuwählen. Wir brauchen einen Markt, wir brauchen Wettbewerb. Wenn wir das nicht schaffen, können wir uns hier im Landtag von Baden-Württemberg noch viele Jahre über Gaspreise und die Gestaltung weiterer Energiepreise die Köpfe heißreden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Die Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 1 ist damit beendet.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes – Drucksache 14/3165

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 14/3373

Berichterstatter: Abg. Hans Georg Junginger

Das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Blenke das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir heute die Fortschreibung des Polizeigesetzes – ein wichtiges sicherheitspolitisches Projekt in dieser Wahlperiode – beschließen, dann wird unser Land BadenWürttemberg noch einmal ein Stück sicherer werden.

Das Polizeigesetz wurde zum letzten Mal vor 16 Jahren umfassend neu gefasst. Seither hat sich die Sicherheitslage in der Welt geändert – leider nicht nur zum Guten. Auf der globalen Ebene sehen wir den islamistischen Terrorismus – ich brauche darauf nicht näher einzugehen – und all die anderen uns bekannten Bedrohungen.

Es gibt aber auch Wandlungen im polizeilichen Alltag. Jeder Polizist spürt jeden Tag, wie sich die Gesellschaft wandelt: mangelnder Respekt, Widerstände, Pöbeleien, sinkende Bereitschaft, polizeilichen Anordnungen zu folgen, Beleidigun gen. All dies ist heute leider polizeilicher Alltag.

Darauf muss die Politik reagieren. Sie muss die Polizei in die Lage versetzen, ihre Aufgabe, die Bevölkerung bestmöglich zu schützen, effektiv wahrzunehmen. Hier zeigt sich auch die Einstellung der Politik zur Polizei. Niemand will einen Polizeistaat, in dem alles ungezügelt möglich ist. Aber niemand will auch einen Nachtwächterstaat, in dem die Sicherheitsorgane zu Tode gegängelt werden. Die richtige Antwort ist vielmehr: Wir brauchen Vertrauen in die Polizei und in den Rechts staat, wir brauchen wirkungsvolle rechtliche Instrumentarien, gepaart mit rechtsstaatlicher Kontrolle.

Die CDU hat Vertrauen, dass in Baden-Württemberg jeder einzelne Beamte mit seinen Befugnissen sorgfältig umgeht. Jeder einzelne Beamte und jede einzelne Beamtin weiß um die Sensibilität des Polizeiberufs, um den Wert der Grundrechte, in die der Beamte oft eingreifen muss. Der Beamte weiß, dass, wenn er diesem Vertrauen des Dienstherrn und der Bevölkerung nicht gerecht wird, der Rechtsstaat auch ihn konsequent zur Rechenschaft zieht.

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeigesetzes ist gründlich erarbeitet, und er ist auch gründlich beraten. In ihm ist die Rechtsprechung, und zwar auch die aktuelle Rechtsprechung, eingearbeitet. Das ist übrigens ein Grund, warum die Erarbeitung des Gesetzentwurfs länger dauerte als ursprünglich geplant. Die Öffentlichkeit und auch die Fachwelt wurden mit einbezogen. Deswegen, lieber Kollege Gall von der SPD: Wenn Sie bei der ersten Lesung in einem Satz gesagt haben, es habe aber lange gedauert, und im nächsten Satz der Regierung gesetzgeberischen Aktionismus vorwarfen, dann frage ich mich: Was jetzt eigentlich?

(Abg. Reinhold Gall SPD: Weil es so lange gedauert hat! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das schließt einander nicht aus!)

Wenn das gründliche Erarbeiten eines Gesetzentwurfs Aktionismus sein soll, was war dann eigentlich damals bei RotGrün, als ein „Otto-Katalog“ nach dem anderen kam?

(Abg. Reinhold Gall SPD: Otto? Ist das ein Versand- haus?)

Wir hielten diese für richtig, dass das klar ist. – Zu Otto fragen Sie Frau Vogt; sie kann Ihnen das näher erläutern.

Wir halten und hielten das für richtig, dass das klar ist. Aber uns dann Aktionismus vorzuwerfen, ist etwas neben der Sache.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Bemerkenswert ist auch, was bei der ersten Lesung Herr Kollege Sckerl für die Grünen sagte. Ich darf, Herr Präsident, zitieren. Herr Kollege Sckerl sagte an uns, CDU und FDP/DVP, gerichtet:

Sie misstrauen dieser offenen Gesellschaft. Sie misstrauen mittlerweile offensichtlich auch den Bürgerinnen und Bürgern. Deshalb kommt man zu Gesetzentwürfen, die derart weitreichende Eingriffe und Ermächtigungen enthalten.

Da ist es wieder, meine Damen und Herren: dieses latente Misstrauen in den Rechtsstaat, dieses Suggerieren, wir würden einen Kontroll- und Schnüffelschleier über die ganze Gesellschaft legen. Damit, Kollege Sckerl, stellen Sie Tatsachen auf den Kopf und schüren unberechtigte Ängste in der Bevölkerung.

Schauen wir uns doch bitte einmal an, wen die Maßnahmen, die wir jetzt im Polizeigesetz regeln, treffen. Von verschiedenen Seiten dieses Hauses und in der Folge auch medial wird manchmal der Eindruck erweckt, es ginge um eine massenhafte Gängelung, um Bespitzelung und Überwachung. Das stimmt eben nicht. Deswegen müssen wir uns das einfach einmal genauer ansehen.

Meine Damen und Herren, zunächst einmal möchte ich anerkennen: SPD und sogar die Grünen stimmen in der Sache etlichen Teilen des Gesetzentwurfs zu. Nur dem Gesamtentwurf wollen sie nicht zustimmen, weil sie einige Punkte als strittig ansehen.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Ja! – Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Ein paar wenige dieser Punkte wollen wir uns einmal näher anschauen.

Da ist zunächst einmal die Regelung zur Videoüberwachung. Meine Damen und Herren, natürlich ist das nach der Rechtsprechung ein Grundrechtseingriff und erfasst nach der Natur der Sache auch Unbeteiligte. Aber die offene Videoüberwachung schreckt Straftäter ab, und die Bürger fühlen sich sicherer. Zudem: Terroristen suchen sich „weiche Ziele“, um eine möglichst große Anzahl von Opfern zu erreichen, einen möglichst großen Personenschaden anzurichten und Leib und Leben zu bedrohen und zu schädigen. Deswegen ist, wenn eine Videoüberwachung hier Abhilfe schaffen kann, dieser Grundrechtseingriff auch ein Schutz des Lebens und deswegen zu begrüßen.

Das zweite Beispiel – darauf werden Sie nachher sicher auch eingehen – ist die Möglichkeit, die Daten von Tatverdächtigen zwei Jahre lang zu speichern. Auch dies, Kollege Gall, ist unstreitig ein Grundrechtseingriff. In der entsprechenden Regelung des Polizeigesetzes heißt es – ich zitiere –, dies dürfe geschehen,

... wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht besteht, dass die betroffene Person eine Straftat begangen hat.

Wen trifft dies? Dies trifft einerseits extremistische Straftäter, bei denen die bisher erforderliche Wiederholungsprognose nur schwer getroffen werden kann und die damit leider nicht dingfest gemacht werden können. Und es trifft auch kleinere Kriminalität, beispielsweise Ladendiebstähle. Durch diese Speicherung können hier beispielsweise Jugendliche erkannt werden, bevor sie in eine kriminelle Karriere abgleiten. Durch die se Maßnahme erreichen wir also, dass „schwere Jungs“ im Netz hängen bleiben und dass jugendliche „kleine Fische“ vor dem Abgleiten in die Kriminalität bewahrt bleiben. Dies ist ein Grundrechtseingriff, der deswegen auch positiv ist und der junge Menschen vor dem Abgleiten in die Kriminalität bewahren kann.

Das dritte Beispiel, das ich nennen will, sind die automatischen Kennzeichenlesesysteme. Was geschieht dort? Da werden Kennzeichen vorbeifahrender Fahrzeuge automatisch mit der Fahndungsdatei abgeglichen. Ist das Fahrzeug nicht ausgeschrieben – wie in den allermeisten Fällen –, dann passiert gar nichts. Dann passiert rein gar nichts. Es wird nichts gespeichert, es passiert nichts. Wenn das Fahrzeug aber zur Fahndung oder zur Identifizierung ausgeschrieben ist, dann können polizeiliche Maßnahmen erfolgen. Dann erfolgt die entsprechende Meldung.

Wen trifft das? Das trifft Verbrecher, die zur Fahndung ausgeschrieben sind. Das ist gut. Diese wollen wir ja auch kriegen. Es „trifft“ vielleicht auch die Eigentümer gestohlener Fahrzeuge, die dadurch ihr Auto wiederbekommen, und die werden sich über diesen Grundrechtseingriff im Zweifelsfall freuen. Deswegen ist auch dieser Grundrechtseingriff eine wichtige, positive Maßnahme.

Herr Gall, Sie haben in einem Ihrer Änderungsanträge einen sehr netten Vorschlag gemacht: Man möge doch mit Schildern hinter einer solchen Kontrollstelle darauf hinweisen, dass da eben eine war.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber nur dann, wenn eine anlassbezogene Grundlage besteht! Das hat mit Ih- rem Gesetzentwurf nichts zu tun!)

Da passiert demjenigen ja gar nichts. Das Einzige, was es bewirken kann, ist, dass derjenige, den es betrifft, vielleicht noch rechtzeitig abbiegen kann, um abzuhauen. Das ist also unpraktikabel.

Die Maßnahmen, die wir im Polizeigesetz regeln wollen, stellen niemanden unter Generalverdacht. Sie helfen, Sicherheit und Ordnung zu erhalten. Die Maßnahmen sind kein Angriff auf die offene Gesellschaft, Herr Kollege Sckerl, sondern sie schützen diejenigen in der offenen Gesellschaft, die sich an Regeln halten, vor denen, die das nicht tun. Und genau dies wollen wir erreichen.

Meine Damen und Herren, die Methoden der Verbrecher entwickeln sich fort. Der Staat darf seine Polizei nicht im Regen stehen lassen und mit den Mitteln des letzten Jahrhunderts in den Kampf gegen hochgerüstete Verbrecher schicken. Technischer Fortschritt bedingt rechtliche Anpassungen. Das müssten eigentlich auch Skeptiker und Bedenkenträger akzeptieren.

1858, meine Damen und Herren, wurde die Daktyloskopie entwickelt. Das ist die Technik, Menschen anhand ihrer Fin

gerzeichnung zu identifizieren, also dem Fingerabdruck. 1858, also vor 150 Jahren! Hätte es schon damals die Bedenkenträger des 21. Jahrhunderts gegeben, dann dürfte man vielleicht bis zum heutigen Tage noch keine Fingerabdrücke abnehmen. Wir brauchen zeitgemäße Fortentwicklungen auch der rechtlichen Rahmenbedingungen.

Das Polizeigesetz in der Form, wie wir es heute verabschieden, ist die angemessene Antwort des Rechtsstaats auf neue Bedrohungen, auf gesellschaftliche Wandlungen. Das ist im Interesse der rechtstreuen Bürger und hat eine breite Zustimmung verdient.