Das Polizeigesetz in der Form, wie wir es heute verabschieden, ist die angemessene Antwort des Rechtsstaats auf neue Bedrohungen, auf gesellschaftliche Wandlungen. Das ist im Interesse der rechtstreuen Bürger und hat eine breite Zustimmung verdient.
Ich möchte mich bei unserem Koalitionspartner sehr herzlich bedanken. Dieses Gesetz ist ein vernünftiger Kompromiss, der die innere Sicherheit in Baden-Württemberg weiter voranbringen wird. Deswegen wird die CDU dem Gesetzentwurf der Landesregierung zustimmen.
Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Blenke, Sie haben recht. Leider kann unsere Bewertung des Gesetzentwurfs auch bei der heutigen zweiten Lesung nicht besser als in der ersten ausfallen, und zwar deshalb nicht, weil Sie auch bei den Beratungen im Innenausschuss nicht bereit waren, auf Änderungswünsche der Opposition einzugehen und sie zu diskutieren, geschweige denn sie zu berücksichtigen. Deshalb bleibt dieses Gesetz nach unserer Auffassung ein schlechter Kompromiss zwischen den beiden Regierungsfraktionen, wenngleich – das will ich schon sagen – sich der Innenminister in weiten Bereichen mit seinen ursprünglichen Absichten nicht hat durchsetzen können.
Wir sind uns aber sicher, dass das Thema Onlinedurchsuchung, das Thema Videoatlas – das waren solche Absichten – und die vollumfängliche präventive Telefonüberwachung auch zukünftig immer wieder ins Spiel gebracht werden, wenn Sie hierfür einen Anlass sehen.
Wichtig ist uns – das will ich deutlich sagen –, dass im Gesetz – Herr Kollege Blenke, dankenswerterweise sehen Sie das auch – für wesentliche Bereiche Handlungsmöglichkeiten aufgenommen sind und bestehende erweitert werden, von denen wir und insbesondere auch die Polizei der Auffassung sind, dass sie geeignet sind, die Aufgaben der Verbrechensvermeidung und -bekämpfung noch besser und noch umfänglicher wahrzunehmen.
Das heißt für die SPD-Fraktion: Die Erweiterung der Auskunftspflicht zur Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit und Freiheit, der Einsatz von GPS-Geräten und sogenannten IMSI-Catchern zur Unterbrechung des Telekommunikationsverkehrs, zur Überwachung von Fahrzeugen und zur Ortung von Fahrzeugen, die Verbesserung der Beschlagnahmemöglichkeiten, um den Schutz vor Straftaten zu verbessern oder auch die Beschlagnahme von Vermögenswerten zu er
leichtern, die Verfahrensvereinfachung bei der Ingewahrsamnahme, die Ausweitung der Kompetenzen des Zollgrenzdienstes, das alles wird von uns mitgetragen.
Ebenso unterstützen wir – das ist ganz besonders wichtig – die Schaffung einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für einen polizeilichen Platzverweis verbunden mit einem Aufenthaltsverbot sowie die Möglichkeit eines Wohnungsverweises, eines Annäherungs- und Rückkehrverbots in Fällen häuslicher Gewalt.
Diese Handlungsmöglichkeiten sind der Polizei wichtig, und wir werden die Polizei bei ihrer Arbeit maßgeblich unterstützen und ihrer Arbeit die erforderliche gesetzliche Grundlage bieten. Deshalb werden wir diesen von mir eben genannten Maßnahmen im Gesetzentwurf zustimmen, obwohl auch sie in Teilbereichen nicht unumstritten sind. Das wissen wir. Aber in Abwägung zwischen den Interessen der Sicherheitsbehörden, welches auch die unsrigen sind, und den Interessen derer, die das hohe Gut der Freiheit und der Interessen des Einzelnen ebenfalls sehen, halten wir diese Maßnahmen noch für ausgewogen.
Nicht mehr für ausgewogen halten wir allerdings die nahezu unbegrenzte Möglichkeit der Videoüberwachung, von der Sie sich einen Zugewinn an Sicherheit erhoffen, und die viel zu weitreichenden Möglichkeiten der Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen. Diese Maßnahmen sind für uns ein zu star ker Eingriff in die bürgerliche Freiheitssphäre und werden deshalb von uns nicht mitgetragen.
(Beifall bei der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Wen trifft es denn? Es trifft doch nur Fahrzeuge in der Fahndungsdatei!)
Herr Kollege Blenke, wir haben gerade in diesen beiden von mir zuletzt genannten Bereichen wiederholt ein Gesprächsangebot unterbreitet. Das heißt, wir haben zu diesen beiden Bereichen sogar Zustimmung signalisiert, wenn wir uns auf einen anlassbezogenen – das ist genau der Unterschied, auf den es uns ankommt – Einsatz dieser technischen Mittel hätten einigen können, nämlich dann, wenn eine akute Gefahr oder ein konkreter Verdacht besteht, aber eben nur dann und nicht in der von Ihnen im Gesetz vorgesehenen Form.
Hätte zumindest die FDP/DVP hier ein bisschen Rückgrat gezeigt, dann wäre dies nach unserer Auffassung Grundlage gewesen, um hier im Plenum einen breiten Konsens herbeiführen zu können. Deshalb stellen wir den von Ihnen schon genannten Änderungsantrag, der die Löschung dieser Aufzeichnungen vorsieht.
Der Gesetzentwurf sieht zudem vor – Stichwort Videoüberwachung –, dass Kommunen solche Örtlichkeiten mittels Kameras überwachen dürfen, können, sollen, deren Kriminalitätsbelastung deutlich über der Belastung anderer Bereiche – und das ist jetzt wichtig – des Gemeindegebiets liegen. Dies hätte zur Folge, dass auch in Gemeinden mit absolut geringer oder sogar überhaupt keiner Kriminalitätsbelastung Video überwachungen durchgeführt werden könnten, wenn es eben
eine kleine Abweichung gegenüber diesem Ausgangswert gibt. Auch dies tragen wir nicht mit. Das heißt nämlich: Der Ausnahmecharakter dieses Instruments läuft Gefahr, ausgehöhlt zu werden. Zudem führt diese Regelung dazu, dass wir quer durch das Land unterschiedliche Anwendungshöhen haben werden.
Vieles in Ihrem Gesetz, meine Damen und Herren, stützt sich nach wie vor auf abstrakte Gefährdungslagen und ermöglicht, ja verursacht zwangsläufig die Speicherung enormer Datenmengen, was kaum geeignet sein dürfte – zumindest nach unserer Auffassung –, Straftaten zu verhindern, und stellt Personen – das ist bei der Datenspeicherung so –, die einmal – aus welchem Grund auch immer; das sage ich dazu – geprüft werden, zwei Jahre unter Generalverdacht.
(Abg. Thomas Blenke CDU: Nicht „aus welchem Grund auch immer“, sondern wenn es tatsächliche Anhaltspunkte gibt! Das ist ein erheblicher Unter- schied!)
Wir haben deshalb auch hierzu einen Änderungsantrag eingebracht, in dem wir beantragen, bei der in Artikel 1 Nr. 19 des Gesetzentwurfs vorgesehenen Änderung von § 38 des Polizeigesetzes den Buchstaben b zu streichen. Dann könnten wir auch dieser Regelung zustimmen.
Ich sage Ihnen: Mit Ihrer ausufernden Datenspeicherung machen Sie letztendlich nichts anderes, als den Heuhaufen der Datenmenge immer mehr zu vergrößern. Sie vergessen dabei, dass die Nadel des Verbrechens hierbei immer schwerer zu finden sein wird.
All dies zeigt, dass das Gesetz trotz Veränderungen, die in der Tat im Anhörungsverfahren stattgefunden haben, immer noch von einem Geist der starken präventiven Eingriffsrechte geprägt ist. Das Gesetz überdehnt – dabei bleiben wir – unseres Erachtens an entscheidenden Stellen die Gesetzgebungskompetenz des Landes – über den Bereich der Gefahrenabwehr hinaus – und setzt die Anlassschwelle für den Einsatz von technischen Mitteln viel zu niedrig an.
Ebenfalls ablehnen werden wir die von Ihnen beabsichtigte Aufhebung der institutionellen Trennung von Polizei und Geheimdienst.
Meine Damen und Herren, gerade diese Trennung ist eine zentrale rechtsstaatliche Errungenschaft, die es zu erhalten gilt.
Anscheinend, Herr Blenke, ist Ihnen das gar nicht bekannt. Auch wenn Sie dies nicht offen ansprechen,
so führt doch der im Gesetz vorgesehene projektbezogene Datenaustausch zwischen diesen beiden Einrichtungen letztend
lich zu einer baden-württembergischen Antiterrordatei, das heißt zu einer Antiterrordatei auf Landesebene. Dies ist unseres Erachtens verfassungsrechtlich zumindest bedenklich.
Im Übrigen sollte man sich in der Politik vielleicht einmal zu eigen machen, nicht alle Eingriffe, die das Verfassungsrecht vielleicht gerade noch ermöglicht, auch tatsächlich zu nutzen. Man muss nicht immer an die Obergrenze gehen oder muss nicht immer versuchen, diese Grenzen zu verschieben, wie Sie dies u. a. bei der unterschiedlichen Handhabung des Schut zes zeugnisverweigerungsberechtigter Personen – Berufsgeheimnisträger – tun.
Kein anderes Bundesland – außer Thüringen, zugegebenermaßen – hat eine solch differenzierte und nach unserer Auffassung ungerechtfertigte Sichtweise in seinem Polizeigesetz stehen. Wie wir meinen, ist dies auch durch die inzwischen ergangene Rechtsprechung nicht gedeckt. Deshalb haben wir auch zu diesem Bereich einen Änderungsantrag eingebracht, der heute mit zur Abstimmung steht.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Die vermeintliche Stärke, die Sie mit Ihrem Gesetzentwurf demonstrieren wollen, werden Sie nicht erreichen. Denn eine Stärkung der inneren Sicherheit erreicht man nicht durch weitere Einschränkungen der Bürger- und Freiheitsrechte und durch die Nutzung aller technischen Möglichkeiten. Vielmehr – das will ich auch sagen – bleibt die Wirksamkeit technischer Möglichkeiten seit der Einführung der Rasterfahndung doch zumindest fraglich. Denn auch dort waren die Erfolge mehr als bescheiden, um es einmal vorsichtig auszudrücken.
Eine Stärkung der inneren Sicherheit erreicht man vielmehr, indem man tatsächlich Vertrauen in und für die Sicherheitskräfte schafft und ihnen nicht die Motivation durch unzureichende Personalausstattung, schlechte Bezahlung und mangelnde Berufsperspektiven nimmt.
Meine Damen und Herren, wir sagen Ja – ich sagte es eingangs – zu den Instrumenten, die die Polizei tatsächlich benötigt, wir sagen Ja zum Einsatz technischer Möglichkeiten, die unsere Polizei auch rechtsstaatlich einwandfrei und wirkungsvoll einsetzen kann. Aber wir sagen Nein zu Ihrem technischen Firlefanz,
und wir sagen Nein zu den Bereichen, in denen Sie erneut versuchen, die Balance zwischen den berechtigten Sicherheitsinteressen der Bürgerschaft und der Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte zu „verschieben“. Der vorliegende Gesetzentwurf wird genau dies bewerkstelligen und findet deshalb nicht in Gänze bei der Gesamtabstimmung unsere Zustimmung.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute immerhin einen Fortschritt zu verzeichnen. Der Fortschritt lautet: Die Neufassung dieses Gesetzes kommt aus dem Verfahren nicht so heraus, wie sie hineingegangen ist. Das muss man einmal festhalten, Herr Innenminister; dazu können Sie auch einmal etwas sagen. Das vermisse ich bis zum heutigen Tag von Ihnen.
Die ursprünglich vorgesehene Regelung zum Einsatz des automatischen Kennzeichenlesesystems war glatt verfassungswidrig. Deshalb mussten Sie an diesem Punkt und an einigen anderen Punkten ja auch zurückrudern. Deswegen hat die Neufassung auch so lange gedauert. Die lange Dauer ging nicht auf Ihre Sorgfaltspflicht, sondern auf die sehr späte Einsicht zurück, dass man mit dem ursprünglichen Gesetzentwurf nicht in die abschließenden Beratungen gehen kann.
Andere Pläne mussten Sie aufgeben – die Onlinedurchsuchung wurde erwähnt. Sie wären ja auch gern an die Gesprächsinhalte von Telekommunikation herangegangen; das wissen wir. Auch das müssen Sie sein lassen.