Da bietet sich doch auch eine Kindergartenbeitragsfreiheit als ein gutes finanzpolitisches Mittel an, um Familien zu entlas ten. Denn wir wissen aus sämtlichen Untersuchungen bei Familien, dass es direkt in den Konsum mündet, wenn dort zusätzliches Geld vorhanden ist.
Daher, meine Damen und Herren, lassen Sie uns nicht im Kindergarten Argumente dagegen finden, sondern lassen Sie uns gemeinsam die Kindertagessstätten in allen drei Bereichen voranbringen. Lassen Sie uns in der Bildungspolitik nicht Argumente dagegen finden. Diese werden Sie sowieso nicht finden. Lassen Sie uns jetzt die Konjunkturpolitik und die Entlastung der Familien und der Menschen, die das brauchen, damit die Binnennachfrage steigt, als weiteres Argument nehmen, um zu sagen: Jawohl, wir trauen uns. Wir machen die Kindertagesstätten besser, wir machen die Betreuung quantitativ besser. Wir machen die Kindertagesstätten auch noch beitragsfrei, weil es uns mit dieser Frage ernst ist.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja schon angesprochen worden: Wir sind uns in vielen Punkten einig. Wir sind uns einig in der Wichtigkeit der frühkindlichen Bildung und der Stärkung der frühkindlichen Einrichtungen, und wir sind uns auch darüber einig, dass wir noch immense finanzielle Kraftanstrengungen vor uns haben, um all diese Aufgaben zu meistern. Ich erwähne den Ausbau der U-3-Betreuung, und ich erwähne die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Kindertageseinrichtungen.
Nicht einig sind wir uns in der Prioritätensetzung dieser Aufgaben. Wir als Grüne setzen die Prioritäten zuerst bei der Qualitätsverbesserung und beim Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren und danach beim beitragsfreien Kindergarten. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf der SPD heute nicht zustimmen.
Ein Hauptargument des Kollegen Mentrup, das er auch jetzt wieder vorgetragen hat, ist, dass es drei große Aufgaben, drei große Ziele gibt und dass diese drei Ziele – Ausbau, Qualität, Beitragsfreiheit – zusammengehören, wenn man den Bildungsauftrag ernst nimmt. Natürlich gehören diese drei Ziele zusammen. Aber das heißt doch nicht, dass man sie auch auf einmal umsetzen muss. Selbst in unserem Nachbarland Rheinland-Pfalz, auf das Sie vorhin verwiesen haben,
wurde erst ausgebaut und die Qualität gesteigert, und dann wurde die Beitragsfreiheit eingeführt. Da wird also nichts gegeneinander ausgespielt. Vielmehr wird eines nach dem anderen, Schritt für Schritt, gemacht. Das wollen wir hier auch.
Erst müssen die Pflichtaufgaben abgearbeitet werden, und dann können wir der Einführung der Beitragsfreiheit des Kindergartenbesuchs zustimmen. Wir sind uns übrigens auch mit allen Trägern – mit den Kirchen, mit den kommunalen Landesverbänden – einig: Beitragsfreiheit ist im Augenblick überhaupt kein Thema. Die wirklich brisanten Themen sind zum einen die Erhöhung der Landeszuschüsse für die Betreuung der Kinder unter drei Jahren und vor allem die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Arbeit in den Kindertageseinrichtungen: kleinere Gruppen, bessere Personalschlüssel, Finanzierung der Sprachförderung. Über diese Themen werden wir morgen bei der Ersten Beratung des Gesetzes zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes diskutieren, meine Damen und Herren. Da wird sich auch zeigen, Kollegin Krue ger, inwieweit die Regierungskoalition tatsächlich wahren Qualitätsverbesserungen zustimmt oder inwieweit alle entsprechenden Äußerungen reine Lippenbekenntnisse sind. Denn da hören die Gemeinsamkeiten dann ganz schnell auf.
Wie wollen Sie 250 Millionen € an Elternbeiträgen ersetzen? Der Städtetag hat für das letzte Kindergartenjahr 90 Millionen € errechnet.
In der Begründung Ihres Gesetzentwurfs verweisen Sie auf Steuermehreinnahmen. Ich finde, dass man doch nicht im Ernst auf Steuermehreinnahmen verweisen kann, nachdem wir doch alle wissen, wie die finanzielle Situation des Landes im Augenblick ist.
(Abg. Dieter Hillebrand CDU: So ist es, genau! – Zu- rufe der Abg. Monika Chef und Dr. Hans-Peter Wet- zel FDP/DVP)
Auch teile ich die inhaltliche Begründung des Gesetzentwurfs nicht. Darin heißt es, durch die Beitragsfreiheit der Kindergärten würde sich die Besuchsquote erhöhen; vor allem Kinder mit Migrationshintergrund sowie Kinder aus bildungsfernen Haushalten gingen seltener in den Kindergarten. Dafür gibt es keine Untersuchungen und keine sachlichen Beweise.
97 % aller Kinder besuchen im letzten Kindergartenjahr eine Betreuungseinrichtung. Dass 3 % keine Einrichtung besuchen, hat individuelle und nicht finanzielle Gründe.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig! Religiöse Grün- de z. B.!)
Frau Kollegin Lösch, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es durchaus Erfahrungen gibt, nämlich in dem Bundesland, in dem der beitragsfreie Kindergarten schon etwas länger eingeführt ist? Das ist Rheinland-Pfalz. Dort sind die Besuchsquoten im Kindergarten auf 99 % gestiegen. Es gibt durchaus Erfahrungen.
Ich nehme zur Kenntnis, dass in Rheinland-Pfalz eine solche Umfrage gemacht wurde. Aber wir sind in Baden-Württemberg, und ich weiß, dass es in Baden-Württemberg keine Erhebungen gibt. Ich weiß, dass es Erhebungen in verschiedenen Landkreisen gibt, die genau meine Aussage wiedergeben, dass es nicht mit finanziellen Gründen zusammenhängt, sondern auf sehr individuelle Gründe zurückzuführen ist, weshalb 3 % der Kinder den Kindergarten nicht besuchen.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Nein! – Abg. Dr. Ste- fan Scheffold CDU: Da kann sich auch wirklich je- der freuen!)
Das Hauptproblem ist doch ein ganz anderes. Das Hauptproblem sind nicht die 3 % der Kinder, die nicht in den Kindergarten gehen, sondern besteht darin, dass die 97 %, die eine Betreuungseinrichtung besuchen, nicht optimal gefördert werden. Das wird jetzt z. B. auch bei der Sprachfähigkeit ganz deutlich.
Die richtige Schlussfolgerung daraus ist doch, dass man die Förderung verbessern muss, und nicht, dass man die Beitragsfreiheit einführen muss.
Wir müssen die 90 Millionen €, die, wie der Städtetag errechnet hat, das letzte Kindergartenjahr kosten würde, doch logischerweise in die Verbesserung der Rahmenbedingungen, in die Verbesserung der Qualität stecken.
Ich komme noch einmal auf die unterschiedlichen Beiträge zu sprechen. Wir haben im Land sehr unterschiedliche Regelungen, was die Kindergartengebühren anbelangt. Da gebe ich Ihnen recht. Aber das ist der Tatsache geschuldet, dass wir ein subsidiäres System haben. Wir haben unterschiedliche Träger, und wir haben eine kommunale Selbstverwaltung. Wir haben eine kommunale Zuständigkeit für die Festsetzung der Kindergartengebühren. Dadurch hat der Gemeinderat es auch in der Hand, zu beschließen, dass man sozial gestaffelte Elternbeiträge einführt. Eine entsprechende Empfehlung könnten auch die kommunalen Landesverbände den Kommunen gegenüber abgeben. Aber soweit ich weiß, sind sozial gestaffelte Kindergartengebühren nichts Seltenes, sondern in vielen Kommunen auch schon Usus.
Abschließend, wie schon bei der Ersten Beratung gesagt: Kindergartenbeitragsfreiheit ist ein Ziel, für das wir uns als Grüne auch mittelfristig ausgesprochen haben. Aber wir schließen uns da dem Wunsch der Eltern an, die sagen, eine gute Qualität, eine qualitativ gute pädagogische Betreuung der Kinder sei ihnen im ersten Schritt wichtiger als Kostenfreiheit.