Protokoll der Sitzung vom 03.12.2008

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Mielich das Wort.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Herr Präsident!)

verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder bedauerlich, wenn man mitbekommt, wie ein Gesetz in erster Lesung eingebracht wird und dann, meist nach einer nicht öffentlichen Sitzung – in diesem Fall war es sogar eine öffentliche Sitzung –, ohne nennenswerte Veränderungen die zweite Lesung erreicht.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das spricht für eine gute Vorbereitung! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das ist kein Sachargument!)

Ich frage Sie: Wo bleiben die Erkenntnisse, die man erhält, wenn darüber debattiert wird, wenn man sich gegenseitig zuhört? Wo bleibt die Feststellung, dass es Argumente gibt, die vielleicht nicht von der Hand zu weisen sind?

Wenn man der Argumentation von Herrn Hoffmann folgt, dann sieht es so aus, als ob unsere Änderungsanträge kleine Anträge wären, die nicht wirklich wichtig wären. Dann verstehe ich aber erst recht nicht, warum Sie unseren Änderungsanträgen nicht folgen. Denn sie präzisieren ganz klar, wo es langgehen soll und wo es eben nicht langgehen soll.

Das Einzige, bei dem Sie sich tatsächlich ein bisschen bewegt haben – aber eben leider wirklich nur ein bisschen –, ist, die regionalen Personalräte zu stärken. Sie sind – das hat meine Kollegin Haußmann eben schon gesagt – einen kleinen Schritt nach vorn gegangen, auf die Personalräte zugegangen und haben gesagt: „Okay, dann nehmen wir eine Regelung mit hinein, die nicht bis zur nächsten, sondern bis zur übernächsten Personalratswahl reicht.“ Damit haben Sie in Aussicht gestellt: Der Aufsichtsrat wird dem auf jeden Fall zustimmen, wenn es beantragt wird.

Jetzt stellt sich aber heraus, dass dies vom Leiter der Dienststelle beantragt werden muss. Was ist denn, wenn der Leiter der Dienststelle das nicht beantragt? Wo ist denn dann von Ihrer Seite das Zugeständnis an die Personalräte, auf die Sie heute schon zugehen können, um ihnen zu sagen: „Wir sichern euch zu, dass es diese regionale Vertretung auch weiterhin geben wird“? Ob es diese geben wird, hängt vom Wohl und Wehe des Leiters der Dienststelle ab.

(Abg. Andreas Hoffmann CDU: Sechs Jahre lang!)

Ja, sechs Jahre. Aber wenn Ihr Ziel ist – das haben Sie heute noch einmal so formuliert –, die regionalen Personalräte zu stärken, warum schreiben Sie das dann nicht in das Gesetz hinein? Das wäre doch ganz einfach gewesen. Da habe ich Ihren Mut vermisst.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Reinhold Gall SPD: Da brauchen die keinen Mut, sondern das gehört zur Verantwortung!)

Das Zweite ist das Thema Aufgabenerweiterung. Wir sind absolut dagegen, dass in das Gesetz aufgenommen wird, dass die Zentren für Psychiatrie auch stationäre, teilstationäre und ambulante Einrichtungen, die Menschen mit Behinderung behandeln bzw. aufnehmen, betreiben können sollen.

Wir wollen genau das Gegenteil. Wenn wir die UN-Menschenrechtskonvention für Menschen mit Behinderung umsetzen wollen – das ist das nächste Thema, das behandelt werden muss –, dann müssen wir doch genau das Gegenteil tun. Wir müssen doch erreichen, dass Menschen mit Behinderung nicht in stationären Einrichtungen versorgt werden und nur dort leben können, sondern dass sie in dezentralen, wohnortnahen ambulanten Einrichtungen versorgt werden, dass sie mitten im Leben stehen.

Sie argumentieren, die Angebote, die es jetzt schon gibt, würden nun in das Gesetz übernommen. Ich finde, genau das Gegenteil hätte sein müssen. Sie hätten mit diesem Gesetz eine Lenkungsfunktion wahrnehmen müssen. Das hätte funktio

niert, wenn Sie diese Aufgabenausweitung nicht in das Gesetz aufgenommen hätten.

Das dritte Thema ist die Notwendigkeit der Koordinierung. Es gibt bereits jetzt die Koordinierung auf freiwilliger Ebene. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum man diese Koordinierung jetzt zwangsweise erweitern will und vor allem, warum man sie mit einer personellen Struktur versehen will. Auch wir befürchten, dass dies letztendlich den Weg freimachen soll hin zu mehr Privatisierungstendenzen und möglicherweise auch zu einer entsprechenden Betriebsform.

(Zuruf des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Ich gebe Ihnen einmal ein Beispiel: In Bad Schussenried ist gerade eine neue Gesellschaft gegründet worden, als ein Altenpflegeheim mit der dortigen Psychiatrie einen Vertrag geschlossen hat. Da wurde aber keine gGmbH, sondern eine GmbH gegründet.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Eben! So ist es!)

Das ist doch genau das, was wir überhaupt nicht wollen. Wir wollen diesen Weg der Privatisierung nicht gehen.

(Zuruf des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Dieser Weg wird in diesem Beispiel ganz deutlich gegangen.

(Zuruf des Abg. Andreas Hoffmann CDU)

Wir haben zu all den genannten Punkten Änderungsanträge formuliert, die wir hier zur Abstimmung stellen lassen. Wenn Sie unseren Anträgen folgen, stimmen wir dem Gesetzentwurf sehr gern zu.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das grenzt an Erpressung!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll für die Fraktion der FDP/DVP.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt wird es schwierig für die Stenografen!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In mancher Rede, die hier gehalten worden ist, wird der Eindruck erweckt, als hätte sich an dem Gesetzentwurf nichts verändert.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Es hat sich auch nicht viel geändert, lieber Kollege Noll! Da hätte ich mir schon etwas mehr Durchsetzungsvermögen ge- wünscht!)

Es hat sich aus Ihrer Sicht vielleicht nicht genug verändert. Aber ich will schon noch einmal beispielhaft auf das eingehen, was bei diesem Gesetz an Kompromissen – das gebe ich gern zu – gelungen ist.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Lassen Sie mich als Allererstes noch einmal betonen, was der Kollege Hoffmann schon gesagt hat: Wir stehen zu den Zentren für Psychiatrie als Rückgrat der Versorgung psychisch

kranker Menschen in diesem Land, im Verbund mit allen Beteiligten.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Warum haben Sie sich dann die ganze Zeit so verhalten? Keine öffentliche Anhörung!)

Wir wollen, dass die Kooperation mit allen Akteuren künftig noch besser auf eine rechtlich einwandfreie Basis gestellt wird.

Wenn Sie das Thema Öffentlichkeit ansprechen:

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dann wäre doch der Ausschuss das richtige Gremium gewesen!)

Heute haben wir, glaube ich, zum dritten Mal die Gelegenheit, den vielen Beteiligten alle Argumente vermitteln zu können.

Nun zum Vorwurf, an dem Gesetzentwurf habe sich zwischenzeitlich nichts geändert. Ich möchte mit dem beginnen, was Frau Mielich behauptet hat. Sie sagte, dass es nach wie vor eine Konkurrenz der Zentren als „Moloche“ gegenüber anderen Trägern gebe. Das ist eine Beleidigung der Zentren für Psychiatrie, die sich völlig anders sehen, nämlich als Partner aller Akteure in dem Bereich der Versorgung psychisch kranker und seelisch behinderter Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Ich habe von „Moloch“ gar nicht gesprochen!)

Daher darf ich jetzt einfach einmal Folgendes zitieren. Vor der ersten Lesung stand tatsächlich im Gesetzentwurf:

Das Zentrum für Psychiatrie erfüllt Aufgaben im Bereich der Pflege.

Das hat uns auch erschrocken gemacht. Wir haben reagiert. Jetzt steht im Gesetzentwurf:

Das Zentrum für Psychiatrie erfüllt Aufgaben im Bereich der Pflege von Menschen mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, soweit ein Versorgungszusammenhang mit den Aufgaben nach Absatz 1

also dem Kerngebiet –

besteht.

Damit ist doch der Vorwurf – das haben übrigens alle Beteiligten inzwischen so gesehen –, man würde sozusagen eine zentralistische Dominanz der Zentren festschreiben, vom Tisch. Bitte wiederholen Sie doch nicht immer wieder die Aussage, dass das anders wäre.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Jawohl! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜ- NE)

Alle Beteiligten sehen das so. Dass Kooperationen notwendig und sogar Pflicht sind, wird gleichfalls gesehen. Ich darf hier weiter vorlesen: