Protokoll der Sitzung vom 04.12.2008

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist’s richtig! Vor Ort!)

Drittens: Niemand hat die Absicht, eine Auflösung von Hauptschulen oder gar d e r Hauptschule zu erzwingen. Die Deutung des Kollegen Noll in diesem Zusammenhang war und ist irreführend.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Oh! Da stochert der Noll im Nebel! So sieht’s aus!)

Herr Präsident Kehle vom Gemeindetag hat in einem heute veröffentlichten dpa-Gespräch gesagt: „Die Initiative des Kultusministeriums verstehen wir nicht so, dass möglichst viele Schulen geschlossen werden müssen.“ Recht hat er. Vielen Dank, Herr Kehle.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Viertens: Die Schulträger werden gebeten, sich intensiv mit den Chancen der Werkrealschule zu beschäftigen und zu entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen.

Fünftens: Die Schulträger sind dabei nicht unter Zeitdruck gesetzt. Sie können eine Umstellung ab dem Schuljahr 2010/2011, aber natürlich auch zu jedem späteren Zeitpunkt vornehmen.

Sechstens: Da das Konzept der Werkrealschule auf dem Bildungsplan der Hauptschule aufbaut, wird die völlige Durchlässigkeit zwischen den verbleibenden Hauptschulen und der neuen Werkrealschule sichergestellt.

Zu den Eckpunkten des Konzepts, auf denen wir im Auftrag des Ministerrats den Entwurf im Detail aufbauen wollen, möchte ich heute folgende Informationen geben:

Erstens: Die Werkrealschule wird eine sechsjährige Schule mit zwei Abschlüssen – dem Hauptschulabschluss nach der

fünften und dem mittleren Bildungsabschluss nach der sechsten Klassenstufe – sein.

Zweitens: Der Bildungsplan baut auf dem Bildungsplan der Hauptschule auf und übernimmt spezifische Förderansätze wie die Stärkung der Basiskompetenzen in Deutsch und Mathematik in den Klassen 5 und 6, die Kompetenzanalyse in Klasse 7 und das Förderpaket SchuB in den Klassen 8 und 9. Ebenfalls in den Klassen 8 und 9 wird die Werkrealschule einen Differenzierungspool von insgesamt zehn Stunden erhalten, der zur Erkundung der Arbeitswelt genauso wie für die individuellen Fördermaßnahmen eingesetzt werden kann.

Drittens: Die Werkrealschule wird insgesamt als Profil eine starke berufliche Orientierung erhalten, weil es um die Zukunftschancen der jungen Menschen geht. Das wird durch Wahlpflichtfächer in den Klassen 8 und 9 unterstrichen, die wir derzeit unter den Arbeitstiteln „Natur und Technik“, „Wirtschaft und Informationstechnik“ und „Gesundheit und Soziales“ führen. In Klasse 10 soll eine verbindliche Kooperation mit der ersten Jahrgangsstufe der zweijährigen Berufsfachschule stattfinden.

Viertens: Jeder Schüler mit einer Grundschulempfehlung für jede der drei Schularten – auch künftig werden die Empfehlungen so formuliert sein – wird die Werkrealschule als Schule wählen können. Die Entscheidung, welcher Schulabschluss erreicht werden soll, kann bis zur Klassenstufe 9 offengehalten werden. Der Zugang zur zehnten Klasse erfolgt durch ein Versetzungszeugnis.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr gut!)

Fünftens: Der mittlere Bildungsabschluss wird nach den KMK-Standards vergeben. Die Jugendlichen erhalten einen zwar nicht gleichartigen, aber einen gleichwertigen Abschluss, der den Schlüssel zu weiteren Bildungsqualifikationen darstellen kann.

Sechstens: Alle Werkrealschulen, die nach diesem Konzept aufgebaut werden, haben die Option, Ganztagsschulen zu werden.

Siebtens: Aus diesem gesamten pädagogischen Konzept wird deutlich, dass eine solche Schule mindestens zweizügig organisiert sein muss. Zweizügige Schulen sind sicher keine riesengroßen Schulen. Werkrealschule und Hauptschule werden auch künftig die häufigste Schulart der allgemeinen Schulen im Land sein.

Wir sind in Sachen „Aufstieg durch Bildung“ das erfolgreichste Land und werden dieses Konzept damit stärken und unseren Vorsprung, der im nationalen Bildungsbericht im Sommer dieses Jahres deutlich geworden ist, weiter ausbauen. Wir werden damit den leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern viel individuelle Förderung und eine gezielte Begleitung auf dem Weg in den Beruf ermöglichen. Das halte ich für eine der zentralen Verpflichtungen, die sich uns stellen.

Die jüngste PISA-E-Studie hat deutlich gezeigt, dass in den unteren Leistungsbereichen nach wie vor ganz erheblicher Förderbedarf besteht. PISA-E hat auch gezeigt, dass die Gesamtschulen in Deutschland überhaupt keine Lösung dieses Problems anbieten können.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Ich finde es geradezu erheiternd, dass die Kollegin Rastätter und der Kollege Zeller hier zu glühenden Verehrern des gegliederten Schulsystems in Sachsen werden, nachdem sie doch vor wenigen Wochen hier Anträge vorgelegt haben,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ja!)

Einheitsschulen hier im Land einzuführen. Das ist schon sehr widersprüchlich.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Die Sachsen hatten ein Einheitsschulsystem, als es die DDR noch gab, und sie haben aus guten Gründen ein gegliedertes Schulwesen geschaffen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Seitdem es keine Hauptschule mehr gibt, Herr Kollege! Der Satz muss zu Ende geführt werden!)

Deshalb ist auch die Fragestellung, unter die die Antragsteller diese Aktuelle Debatte gestellt haben, nicht zielführend. Ich habe schon oft genug betont, dass Strukturdebatten, wie Sie sie gern führen, uns einer Antwort auf die Herausforderungen, vor denen wir zweifellos stehen, keinen Schritt näher bringen.

Mit dem jetzt in Umrissen skizzierten Konzept der Werkrealschulen haben wir einen Erfolg versprechenden Ansatz gefunden. Die Rückmeldungen aus den Gesprächen der vergangenen Wochen bestätigen mich in dieser Einschätzung. Der Städtetag hat in einem Rundschreiben an seine Mitgliedsstädte beispielsweise betont:

… handelt die Regierung dadurch nachdrücklich zum Wohle der Hauptschülerinnen und Hauptschüler und beschreitet dabei in bislang nicht gekannter Weise innovative, neue Wege.

Auch der Industrie- und Handelskammertag schreibt uns, dass er den eingeschlagenen Weg für richtig hält.

Wir haben in den kommenden Monaten noch ein Fülle von Details zu klären, bevor ich Sie im Sommer des nächsten Jahres hier im Landtag um Ihre Zustimmung zu einem entsprechenden Gesetzentwurf bitten werde. Aber schon jetzt ist klar: Mit diesem Ansatz schaffen wir die Voraussetzungen, um möglichst alle jungen Menschen in den Stand zu versetzen, nach ihrer Schulzeit in ein selbst verantwortetes Leben einzutreten. Das ist unsere oberste Verpflichtung, und der werden wir gerecht.

Ich danke Ihnen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Stefan Mappus CDU: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, inzwischen hat auf der Zuhörertribüne der Präsident des Regionalrats von Sizilien, Herr Francesco Cascio, mit einer Delegation Platz genommen. Die Gäste aus Sizilien halten sich bis

morgen auf Einladung von Herrn Professor Würth in BadenWürttemberg auf.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Sehr geehrter Herr Präsident Cascio, werte Gäste aus Sizilien, sehr geehrter Herr Professor Würth, ich darf Sie im Landtag von Baden-Württemberg sehr herzlich willkommen heißen. Wir freuen uns, dass Sie auch den Landtag in Ihr Besuchsprogramm aufgenommen haben. Ich wünsche Ihnen, Herr Präsident Cascio, und Ihrer Delegation einen informativen und angenehmen Aufenthalt zunächst in unserer Landeshauptstadt und anschließend in Hohenlohe.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rastätter.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Immerhin hat diese Debatte heute dazu geführt, dass wir die ersten Eckpunkte des neuen Konzepts erfahren haben, das Sie umsetzen wollen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Jetzt sind Sie be- geistert!)

Ich finde, dass dies auch überfällig ist.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Fragen Sie doch nach!)

Denn die Empörung an den Schulen und vor allem bei den Schulleitern ist riesig.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Zu Recht! – Zuruf des Abg. Andreas Hoffmann CDU)

Ständig werden sie von den Regierungsfraktionen mit unausgegorenen Informationen versorgt.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Von wem denn? – Ge- genruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Von Ih- nen!)

Kein Mensch weiß vor Ort, was nun Sache ist.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Für uns als Oppositionsfraktionen ist es auch wichtig, hier endlich zu erfahren, was Sie im Detail planen.