Protokoll der Sitzung vom 11.02.2009

empfinden Bürgerinnen und Bürger die innere Sicherheit in allererster Linie in ihrer Gemeinde, dort, wo sie leben, wo ihr Lebensumfeld ist, wo sie sich in der Öffentlichkeit bewegen. Was stellen sie dort fest?

(Abg. Hans Heinz CDU: Da müssen Sie einmal in die Stadt gehen!)

Was stellen sie z. B. in Stuttgart fest? Durch die Revierstrukturreform sind etliche Reviere verschwunden, wurden Reviere zusammengelegt. Die Präsenz der Polizei auf der Straße hat in weiten Teilen des Landes, gerade auch in großen Städten signifikant abgenommen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das hat aber nichts mit der Revierstrukturreform zu tun! Das wissen Sie!)

Die Polizei strampelt und strampelt und tut ihr Bestes. Unser Dank heute an die Polizei in Baden-Württemberg! Sie tut unter schwierigen Bedingungen ihr Bestes.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Aber Sie haben es in den letzten Jahren sträflich versäumt, die Polizei für die Wahrnehmung dieser Aufgaben, für den Dienst an den Bürgerinnen und Bürgern richtig auszustatten. Das muss Ihnen heute ins Stammbuch geschrieben werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Schere zwischen dem Soll- und dem Istzustand bei den Stellen geht fast wöchentlich immer weiter auseinander. Die Zahl der Krankmeldungen nimmt zu, die Zahl der Erkrankungen aufgrund der starken Belastung nimmt zu. Das ist das, was man uns in den Revieren jede Woche erzählt. Das bekommen wir nicht nur vom Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei zu hören, sondern manchmal auch hinter vorgehaltener Hand vom Leiter eines Reviers oder von einem Polizeidirektor in den Polizeidirektionen, und zwar ausnahmslos in ganz Baden-Württemberg, rauf und runter.

(Zuruf des Abg. Hans Heinz CDU)

Das ist die ungeschmälerte Situation. Der müssen Sie sich stellen.

Zugegeben, Sie tun etwas. Sie tun etwas auf Druck der Opposition und der Polizei vor Ort. Der Einstellungskorridor ist notwendig. Dessen müssen Sie sich heute hier nicht rühmen. Sie wurden förmlich zum Jagen getragen. Sie haben das nicht freiwillig fertiggebracht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Reinhold Gall SPD)

Mit dem Einstellungskorridor, mit den 800 jungen Polizeibediensteten, die ab dem Jahr 2011 in den Dienst kommen, tun Sie doch nur eines, werte Kollegen von der CDU: Sie ersetzen damit die Altersabgänge. Wir werden in den Jahren 2010, 2011 und in den Folgejahren in massiver Weise Altersabgänge haben. Das wissen Sie.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist die Hauptsa- che, das ist die Grundlage der Entscheidung! – Abg. Thomas Blenke CDU: Darum geht es!)

Der Einstellungskorridor macht nur diesen Ausfall wett. Er führt aber zu keinerlei Entlastung vor Ort. Die hohe Belastung der Polizei wird bleiben.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ein grüner Politiker kämpft für mehr Polizei! Dass ich das noch erleben darf!)

Das ist die gleiche Realität wie bei den Folgen des Personalabbaus im Zuge der Verwaltungsreform, obwohl die Polizei von der Verwaltungsreform gar nicht betroffen war. Endlich sind Sie klug geworden und stoppen jetzt den Vollzug dieser sogenannten Effizienzrendite. Sie haben aber eine Bringschuld, Herr Minister und werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Sie haben gegenüber all den Revieren eine

Bringschuld, die das Plansoll übererfüllt haben, die also weit mehr als diese Quote von 10,6 % im Nichtvollzugsdienst abgebaut haben. Sie versprechen seit zwei Jahren, dass es einen Ausgleich geben soll. Herr Heinz, sorgen Sie in Ihrer Funktion als innenpolitischer Sprecher der Regierungsfraktion CDU endlich einmal dafür,

(Zuruf des Abg. Hans Heinz CDU)

dass dieser Ausgleich kommt und nicht weiterhin über Monate hinweg nur angekündigt wird und eine leere Versprechung bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Das sind Aufgaben der inneren Sicherheit, bei denen die Regierungsfraktion CDU in ihrer Domäne in diesem Land sträflich versagt.

„Atmender Personalkörper“ hat der Herr Innenminister in den letzten Jahren immer wieder einmal gesagt. Das wäre das neue Zauberwort, mit dem man Probleme überbrückt, bis der Nachwuchs en masse im Jahr 2011 kommt. Herr Minister, wir erleben diesen „atmenden Personalkörper“ immer öfter kurzatmig oder schwer am Keuchen,

(Heiterkeit bei den Grünen)

weil die Beamtinnen und Beamten ihren Aufgaben so, wie Sie sie ihnen zumuten und abordnen, nicht mehr nachkommen können. Tun Sie endlich etwas! Das wäre der beste Beitrag zur inneren Sicherheit in diesem Land.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Es wäre jedenfalls ein besserer Beitrag als der Einsatz des Spielgeldes der CDU-Fraktion. Leistungsgerechte Bezahlung, gute Ausbildung und mehr Polizei auf der Straße sind ein besserer Beitrag zur inneren Sicherheit als die Anschaffung eines Nachtsichtgeräts oder sonstiger Einrichtungen.

(Abg. Hans Heinz CDU: Wir brauchen beides!)

Das ist unsere feste Überzeugung. So empfinden die Bürgerinnen und Bürger die innere Sicherheit. Da sollten Sie in diesem Land endlich etwas tun.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Reinhold Gall SPD)

Herr Minister, Sie hatten bei den Beratungen im Finanzausschuss zugesagt, dass zur zweiten Lesung eine reelle Kostenabschätzung zum NATO-Gipfel vorgelegt wird. Wir erwarten, dass das heute gemacht wird, damit auch an dieser Stelle Haushaltsklarheit herrscht. 50 Millionen € waren in den Raum gestellt. Sie wollten mit dem Bund über die weiteren Kosten dieses Einsatzes verhandeln. Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg und auch der Landtag haben ein Recht darauf, heute zu erfahren, wie es damit knapp zwei Monate vor dem Gipfel aussieht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Vielleicht müsste man die Frage stellen, warum 50 Millionen € erforderlich sind!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Wölfle.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der „Blödmann“ aus Stuttgart, um von heute Vormittag den Ministerpräsidenten zu interpretieren. Aber ich darf Ihnen versprechen, ich werde Sie nicht enttäuschen.

(Heiterkeit bei den Grünen)

Ich will zuerst mit allem Ernst zu einem Thema sprechen, das zurzeit zumindest in den Medien sehr positiv behandelt wird, hier jedoch nicht. Das ist das Thema Integration, eine der größten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Das gehört ja zum Bereich Innenministerium. Ich zitiere den Integrationsbeauftragten Goll, der gestern gesagt hat:

Gleiche Chancen sind im Moment nicht gegeben.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Wo ist der eigent- lich?)

Er sagte mutig und ehrlich, es gebe keine gleichen Chancen zwischen Arm und Reich – das weiß man schon lange –, auch nicht zwischen Migranten und deutschen Kindern. Man brauche einen langen Atem – meinte er –, aber auch für einen langen Atem müsse man einmal mit dem Schnaufen anfangen. Er redete von Sprachscreenings, Diagnose und einer notwendigen Therapie. Aber unsere Kinder sind nicht krank. Sie können manchmal – manchmal zu oft – nicht genug Deutsch.

Wie lernt man die deutsche Sprache? Am leichtesten, indem man redet. Es ist eine Binsenweisheit, dass man Sprache durch Reden lernt. Das gilt erst recht für die Kinder. Kinder lernen in Kindertagesstätten, wenn sie einen Platz finden und die Eltern ihn bezahlen können. Kinder lernen von qualifizierten Erzieherinnen, die mit ihnen reden und spielen, und Kinder lernen von Vorbildern, von Vorbildern für Integration. Wo sind die Anstrengungen dieser Regierung, mehr Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst einzustellen? Es heißt, solche Vorbilder gäbe es längst. Letzte Woche beherrschte ein Vorbild die Schlagzeilen: „Fußballprofi Cacau wird Deutscher!“ Für die Nichtwürttemberger oder die Badener: ein bekannter Fußballspieler des VfB Stuttgart. Cacau sagt – und er füllt die Schlagzeilen zu Recht mit folgender Aussage –: „Ich bin stolz, Deutscher geworden zu sein.“ Sehr gut. Und: „Ich bin genauso stolz auf die brasilianische Staatsbürgerschaft“, sagte er. Doppelpass für Cacau. Warum nicht für alle anderen Hunderttausend, die seit Jahrzehnten in unserem Land leben?

Herr Goll darf sich wieder einmal mit zwei Stiftungen, die sich seit Jahrzehnten um Integration verdient gemacht haben, an einen runden Tisch setzen. Thema: Integration geht besser bei gelingender Elternarbeit. Löblich, zutreffend. Aber wir brauchen Politiker, die sich von den runden Tischen wegtrauen und sich mutig für den steilen Pass zur doppelten Staatsbürgerschaft einsetzen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Reinhold Gall SPD)

Das wäre ein starkes und wirkungsvolles Integrationssignal. Stattdessen zwingen wir Jugendliche, ein Stück ihrer Identität aufzugeben. Das ist integrationsfeindlich.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir zwingen niemanden!)

Ab und zu muss es schon einmal gesagt werden, wenn es sonst schon niemand mehr sagt. Gehen Sie einmal in unsere Schulen und fragen einmal, als wie dringend dieses Thema dort angesehen wird.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Vielleicht erreicht es über die Stiftungen auch den Integrationsbeauftragten.

Zum Thema „Runde Tische“. Auch im Verkehrsbereich gibt es runde Tische. Einer davon ist der mit viel Mediengetöse begleitete „Runde Tisch Radverkehr“. Es gab eine große Broschüre mit Handlungsempfehlungen: Das Entwicklungsland Baden-Württemberg solle zum „Fahrradland Nummer 1 in Deutschland“ werden, tönte es. Der ADFC bekam schon glänzende Augen. Für Staatssekretär Köberle wurde schon die Ehrenmitgliedschaft vorbereitet.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Er hat es verdient!)