Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

Zum letzten Punkt: Quotierung bei Kommunalwahlen. Auch darüber hat der Kollege Wolf in der ersten Lesung schon Ausreichendes gesagt. Bei unserem Kommunalwahlrecht mit Panaschieren und Kumulieren hat der Wähler so viele Möglichkeiten wie in keinem anderen Bundesland. Beispiele wie in Stuttgart zeigen, dass Frauen auch dann, wenn sie auf dem

letzten Platz kandidieren und in der Bevölkerung bekannt und anerkannt sind, eine Chance haben, gewählt zu werden.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Warum gibt es dann so wenige Kandidatinnen?)

Ich habe in meinem Wahlkreis einen Fall, bei dem sich die CDU-Fraktion mit einer Kollegin überworfen hat.

(Zuruf der Abg. Ute Vogt SPD)

Sie hat eine eigene Liste aufgestellt, war die einzige Kandidatin auf der Liste. Sie bekam so viele Stimmen, dass es zu einem Sitz für die Liste gereicht hat.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist mir klar! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das würde ein Mann gar nicht fertigbringen. Meine Damen und Herren, das zeigt, dass die Wähler bei unserem Wahlrecht mehr Möglichkeiten haben als in anderen Ländern

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

und auch die Möglichkeit haben, auf einer Liste Damen oder Herren zu wählen, die sie für geeignet halten.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Dass Sie das Ganze als nicht so klar ansehen, sieht man daran: Bei der Ortschaftsratswahl wollen Sie es ja nicht einführen. Das ist auch inkonsequent.

Zusammenfassend: Wir lehnen die drei Gesetzentwürfe aus den vom Kollegen Wolf in der ersten Lesung genannten Gründen und aus den von mir jetzt genannten Gründen ab.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Bayer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Positionen zu den Gesetzentwürfen sind aus der ersten Lesung und aus den Ausschussberatungen bekannt. Die Einführung von paritätischen Listen halten wir für eine Angelegenheit der Parteien. Die SPD jedenfalls hat dies satzungsgemäß geregelt, und wir haben gute Erfahrungen damit gemacht. An diesem Punkt werden wir uns der Stimme enthalten.

Zu den Ausführungen, was die Stärkung der Beteilungsrechte von Jugendlichen betrifft, möchte ich im Folgenden einige grundsätzliche Fragen anreißen.

Erster Aspekt: In der laufenden Debatte scheint manchmal vergessen zu werden, dass in der Bundesrepublik Deutschland das Recht auf allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl besteht. Der Grundsatz der allgemeinen Wahl wird durch den Ausschluss von Personen unter 18 Jahren beschränkt. Insofern reicht es eben nicht aus, einfach zu sagen: „Warum sollte man am Wahlrecht etwas ändern? Das Wahlrecht ab 18 hat sich doch bewährt.“ Es muss vielmehr begründet werden, ob und gegebenenfalls warum die Einschränkung

des Wahlrechts zumutbar ist, ganz gleich, ob die Grenze nun bei 18, bei 16 oder bei 14 Jahren gezogen wird.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Zudem muss die Begründung ständig überprüft werden.

Auf den ersten Blick scheint es einleuchtende Argumente für eine Beschränkung zu geben. „Viele Jugendliche interessieren sich nicht für Politik“, heißt es. Sie seien noch nicht wirklich in der Lage, etwas selbstständig zu durchdenken oder zu bewerten, oder sie seien zu leicht beeinflussbar und manipulierbar.

Aber, meine Damen und Herren, das Gegenteil wird in vielen Studien belegt. Die meisten Jugendlichen sind in ihrer sozialen Urteilsfähigkeit schon weit vor dem 18. Lebensjahr in der Lage, eigene politische Entscheidungen zu treffen.

Insgesamt kann man die Ergebnisse der Studien in etwa so zusammenfassen – ich nenne drei Punkte –:

Erstens: Das politische Interesse in allen drei untersuchten Bildungsgruppen – Hauptschule, Realschule, Gymnasium – steigt tatsächlich mit zunehmendem Alter an.

Zweitens: Das Niveau des politischen Interesses in der jüngs ten Altersgruppe – das sind die 12- bis 25-Jährigen – liegt bereits über dem der 25- bis 29-jährigen Hauptschulabsolven ten.

Drittens: Ein sehr wichtiger Punkt ist, dass das Zutrauen in die eigene Fähigkeit, Politik zu verstehen, nicht mit zunehmendem Alter, sondern mit zunehmendem Bildungsniveau ansteigt.

Meine Damen und Herren, das sind keine Argumente gegen eine Wahlalterabsenkung, sondern das ist eine klare Ansage für politische Bildung, für Demokratieerziehung gerade bei bildungsfernen Zielgruppen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Zweiter Aspekt: Jugend braucht in der Tat eine eigene Gestaltungsmacht, keine Alibiveranstaltungen, keine Beteiligungsplacebos. Beispielsweise ist eine Podiumsdiskussion mit Jugendlichen nicht per se schon Partizipation.

(Abg. Ute Vogt SPD: Gar nicht!)

Gerade diese Altersgruppe, die besonders an zukunftsträchtigen Fragen ein hohes Interesse hat, weil es sich um ihre eigene Zukunft handelt, ist aufgrund ihres Alters bei politischen Entscheidungen zum großen Teil ausgeschlossen. Diesem Ausschluss kann die Absenkung des Wahlalters entgegenwirken.

Dritter Aspekt: Muss nicht das Wahlrecht als ein Grundrecht verstanden werden, das jeder Mensch von Geburt an hat? Die Diskussion über das Wahlalter stellt dieses Grundrecht eigentlich nicht infrage, sondern sie behandelt eher die Frage, ab wann man in der Lage ist, dieses Recht sinnvoll zu nutzen.

Ich möchte die Überlegungen zur Wahlreife nun nicht weiter vertiefen. Dennoch will ich sie an dieser Stelle wenigstens er

wähnen. Wenn Reife ein Kriterium für den Anfang des Wahlrechts ist, könnte sie auch ein Kriterium für das Ende des Wahlrechts sein.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So weit kommt es! – Heiterkeit des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP)

Ja, ja. – Man kann also durchaus den Schluss ziehen,

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

dass die Altersgrenze mit 18 Jahren etwas Willkürliches hat.

Was folgt daraus, meine Damen und Herren? Wir brauchen für Jugendliche Beteiligungsformen mit verbindlichen Standards, wie dies vom Dachverband der Jugendgemeinderäte schon seit Langem gefordert wird. Wir brauchen die Herabsetzung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre, wie es vom Deutschen Bundesjugendring schon seit Mitte der Neunzigerjahre gefordert wird. Wir brauchen mehr denn je die Jugendverbände als Werkstätten der Demokratie und sollten dann aber auch auf sie hören.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Klaus Herrmann CDU: Das sind teilweise „Berufsjugendliche“, lieber Herr Bayer!)

Wir können die Debatte über die „Berufsjugendlichen“ und die Jugendverbände gern führen, aber an anderer Stelle. Sie werden da, glaube ich, Ihr blaues Wunder erleben.

(Zuruf des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

Wir brauchen deutlich mehr und wir brauchen eine andere politische Bildung. Zu alldem ist aber ein Parlament notwendig, das sich gegenüber solchen Gedanken – ich habe es eigentlich sehr defensiv vorgetragen – zumindest aufgeschlossen zeigt, was ich besonders auf der rechten Seite des Hauses nicht im notwendigen Umfang erkennen kann.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und versichere Ihnen, dass die Diskussion weitergehen wird.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Sckerl das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Drei Gesetzentwürfe der Grünen, drei Ziele.

Das erste Ziel ist die gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen in den kommunalen Gremien. Das ist überfällig, Herr Kollege Herrmann.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Sehr richtig!)

Ihre Partei im Land ist schon lange – auch im Jahr 2004 – diejenige mit den beschämendsten Ergebnissen in diesem Bereich. Sie hätten allen Grund, sich zu überlegen,