Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

Haben Sie sich einmal das Echo auf das rot-rote Gesetz in Berlin angeschaut? Dort wehren sich die Kinderärzte vehement gegen die zentrale Stelle an der Charité, der man melden muss, wer an einer Untersuchung teilgenommen hat und wer nicht. Die Berliner Kinderärzte bestehen aus meiner Sicht völlig zu Recht darauf, dass ein Arzt eine Vertrauensperson sein muss und eben nicht „Behördenonkel“ sein darf.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aber verpflichtende Unter- suchungen schaffen Vertrauen! – Gegenruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber nicht mit Sanktion! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Ver- pflichtung ohne Sanktion ist keine Verpflichtung!)

Aber nicht die Meldungen.

Wir haben in Baden-Württemberg bereits heute – im Übrigen unbestrittenermaßen; das hat sogar die Kollegin Lösch im Sozialausschuss bestätigt – ein breit angelegtes Kinderschutzmaßnahmenpaket. Ich will jetzt aber nicht noch einmal damit anfangen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Sehr gut!)

Das haben wir alles schon gehört: STÄRKE, „Guter Start ins Kinderleben“ usw. Das kennen wir alles. Unabhängig davon werden wir uns selbstverständlich auch in Zukunft intensiv um den Ausbau der frühkindlichen Hilfen bemühen. Dabei wird sicherlich auch das Thema Familienhebammen eine wichtige Rolle spielen.

Selbstverständlich – Sie haben das bereits in der Vergangenheit angesprochen – werden wir die Erfahrungen mit dem Einladewesen in den anderen Bundesländern beobachten. Trotzdem sind wir aber davon überzeugt, dass der von uns vorgesehene Weg, die vorhandenen Strukturen der Krankenkassen zu nutzen, vor allem deshalb der bessere Weg ist, weil dies weit weniger bürokratisch ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Ich denke, die Ministerin wird dazu nachher vielleicht noch das eine oder andere sagen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Vielleicht!)

Für die CDU-Fraktion darf ich am Ende festhalten: Wir stehen zu der Verantwortung für die Menschen in unserem Land, für große genauso wie für kleine Menschen. Wir stehen aber auch dafür, möglichst wenig neue Bürokratie zu schaffen und eben nur das gesetzlich zu regeln, was notwendig ist.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Wonnay.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Dieses Gesetz nennt sich immerhin Kinderschutzgesetz, Gesetz zum präventiven Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Wir tragen einen Baustein dieses Gesetzentwurfs der Landesregierung mit,

nämlich die verbindliche Ausgestaltung der Früherkennungsuntersuchungen als e i n e n Baustein eines Kinderschutzkonzepts.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Mehr behaupten wir auch nicht!)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP/DVP, mit einem umfassenden Kinderschutzgesetz, so wie wir es uns vorstellen, hat dieser Gesetzentwurf leider gar nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Deshalb haben im Anhörungsverfahren auch die Verbände, die ganz besonders mit diesem Problem, das uns doch alle umtreibt, zu tun haben, sehr zu Recht ein Gesamtkonzept gefordert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns doch einig, dass uns kein einziges Kind verloren gehen darf und dass wir uns um jedes Kind kümmern müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE und Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP)

Aber dazu bedarf es eben eines Gesetzes – davon sind wir zutiefst überzeugt –, das nicht nur diesen einen Baustein regelt. Im Anhörungsverfahren haben der Landesfamilienrat, der Kinderschutzbund, die Liga der freien Wohlfahrtsverbände, der Paritätische Wohlfahrtsverband eben nicht nur diesen Einzelbaustein, sondern wirklich ein in sich verknüpftes, stimmiges Gesamtkonzept eingefordert. Da geht es um ein Gesamtkonzept, das aus der Gewährleistung notwendiger niedrigschwelliger Angebote besteht. Es geht um die Früherkennung von Risiken für das Kindeswohl, um die konsequente Sicherstellung der erforderlichen Hilfen und um den Aufbau lokaler Netzwerke zur Förderung des Kindeswohls.

Jetzt sagen Sie, liebe Kollegin Krueger: „Das haben wir doch alles schon.“ Wir haben eine ganze Reihe von unverbundenen Maßnahmen in Baden-Württemberg. Sie haben ja gerade einige Gesetze anderer Bundesländer zitiert. Dort sind für einen besseren Kinderschutz genau diese Einzelmaßnahmen in einem Gesamtnetzwerk miteinander verknüpft. Genau das brauchen wir auch hier in Baden-Württemberg, und das fordern wir.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das Nächste, was wir Ihnen vorgeschlagen haben, ist Folgendes: Sie haben ja in der Anhörung selbst gesagt, dass es durchaus auch für das Land Baden-Württemberg die Möglichkeit gebe, sich z. B. bei der Stabilisierung dieser örtlichen Netzwerke gemäß § 82 SGB VIII zu beteiligen. Das tun Sie nicht. Wir haben Ihnen dazu einen Vorschlag gemacht. Da, muss man schon sagen, trennt sich dann ganz schnell die Spreu vom Weizen, wenn wir uns das anschauen.

Hinzu kommt, dass Sie bei den Haushaltsberatungen unseren Antrag abgelehnt haben, 1,5 Millionen € mehr zur Ausgestaltung dieser lokalen Netzwerke zur Verfügung zu stellen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir einen sehr unterschiedlichen Stand haben, was diesen Bereich betrifft. Wir wollen, dass es überall verlässliche Netzwerke für die Kinder, die ei

nen entsprechenden Bedarf haben, und für ihre Familien gibt. Das haben Sie abgelehnt.

Ein Zweites will ich Ihnen nicht ersparen: Wir haben mit dem Kinderschutzbund einen besonderen Anwalt, der sich um den Kinderschutz verdient gemacht hat.

Auch den Antrag, mit dem wir diese Arbeit anerkennen, wertschätzen und unterstützen wollten, haben Sie abgelehnt. Es waren noch nicht einmal 100 000 €, die wir für den Deutschen Kinderschutzbund, Landesverband Baden-Württemberg, zusätzlich beantragt hatten.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Peanuts!)

Ich schaue mir an, was Sie mit diesem Gesetzentwurf proklamieren und was Sie tatsächlich regeln. Einen Baustein halten wir für richtig; ihm werden wir zustimmen. Wir werden das Gesetz in Gänze aber trotzdem ablehnen, weil wir ein umfassendes Gesetz wollen und nicht nur einen einzigen, unverbundenen Baustein.

Sie haben mit der Ablehnung der Unterstützung für den Kinderschutzbund wieder einmal deutlich gemacht, dass Sie es bei den Akteuren, die sich in diesem Bereich wirklich verdient machen, bei einem „Vergelt’s Gott!“ belassen. Nach unserer Auffassung haben Sie damit gezeigt, dass Sie nicht verstanden haben, wie ernst wir diesen Bereich wirklich nehmen sollen und müssen. Das war vielmehr – ich erspare Ihnen das nicht – wirklich wieder einmal ein Armutszeugnis, was Ihren Anspruch betrifft, „Kinderland“ zu sein.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf zum Thema Kinderschutz vorgelegt, der nicht nur von uns, sondern auch von fast allen betroffenen Verbänden als völlig unzureichend kritisiert wurde. Sowohl in der Ersten Beratung als auch in der Debatte im Sozialausschuss haben wir aufgezeigt, weshalb wir diesen vorgelegten „Schmalspurgesetzentwurf“ für komplett untauglich halten, um den Kinderschutz in Baden-Württemberg wirksam voranzubringen.

Unser Hauptkritikpunkt am Kinderschutzgesetz ist, dass es sich nur auf einen einzigen Punkt bezieht, nämlich auf die Pflicht zur Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen. Ihre Begründung dafür ist, dass es in Baden-Württemberg ein weitreichendes Kinderschutzkonzept gibt, in das dieser Gesetzentwurf nur als ein weiterer Baustein eingefügt werden soll.

Lassen Sie uns jetzt einmal die anderen Bausteine dieses Kinderschutzkonzepts anschauen.

Als erster Baustein wird das Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“ genannt. An zwei Modellstandorten wurden zwischen 2006 und 2008 Konzepte zur besseren Vernetzung und Kooperation der frühen Hilfen ausprobiert. Im Abschlussbericht über die Pilotphase ist zu lesen, dass insbesondere Vernetzung und Kooperation zwischen Jugend- und Gesundheits

hilfe, aber auch innerhalb des jeweiligen Systems im Bereich der frühen Hilfen noch verbesserungswürdig seien.

(Abg. Andrea Krueger CDU unterhält sich mit Abg. Wilfried Klenk CDU. – Abg. Claus Schmiedel SPD: Da sollte Frau Krueger einmal zuhören!)

Der zweite Baustein, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die kreisbezogenen Hilfesysteme. Dazu erfahren wir, dass das Land auf der Grundlage der Ergebnisse der Kinderenquete aus dem Jahr 1994 bereits im Jahr 1995 die Konzeption „Kreisbezogene Hilfesysteme für misshandelte Kinder“ erarbeitet und den Jugendhilfeträgern sowie den Kliniken zugeleitet habe. Respekt, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da haben Sie machtvoll ja schon viel für den Kinderschutz getan.

Sich jetzt darauf zu beziehen und zum einen zu sagen, vor 15 Jahren sei eine Konzeption erarbeitet worden, die man den Jugendämtern zugeleitet habe, und zum anderen ein Modellprojekt umzusetzen, welches ergibt, dass die Vernetzung förderungswürdig sei, und schließlich zu sagen, wir müssten in diesem Bereich nichts tun, das sei alles gut geregelt, halte ich schon für eine absolute Frechheit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Und dann nutzen Sie nicht einmal die Gelegenheit, die die Verabschiedung des Kinderschutzgesetzes bietet, indem Sie darin lediglich den Punkt Früherkennungsuntersuchung regeln, also nur diesen einen Baustein herausgreifen. Warum vergeben Sie die Chance, das Thema „Koordinierung und Vernetzung der frühen Hilfen“ als verbindliches Element mit aufzunehmen und das in einem Gesetz zu regeln? Ich weiß nicht, was dagegen spricht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Der richtige Weg ist also nicht der, das Kinderschutzgesetz nur als einen Baustein in diesen Maßnahmenkatalog einzufügen, sondern andersherum wird ein Schuh daraus: Die Vorschläge in dem Maßnahmenkatalog müssen Bestandteil des Kinderschutzgesetzes sein, damit der Kinderschutz in BadenWürttemberg vorangebracht wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen. Wir waren uns in der Vergangenheit einig, dass es notwendig ist, die Früherkennungsuntersuchungen inhaltlich weiterzuentwickeln, um eine höhere Verbindlichkeit zu erreichen. Wir halten den vorgeschlagenen Weg, dies über eine Verpflichtung zu machen, aber für falsch. Das ist nämlich eine Mogelpackung. Die Eltern werden zwar verpflichtet, ihre Kinder zur Früherkennung zu bringen, wenn sie das aber nicht machen, erfolgt keine Reaktion darauf.

(Abg. Andrea Krueger CDU: Willst du mit der Poli- zei dorthin gehen?)

Das passiert frühestens bei der Einschulungsuntersuchung, Kollegin Krueger,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Dann ist es zu spät!)