Protokoll der Sitzung vom 18.03.2009

Meine Damen und Herren, ich bin den kommunalen Landesverbänden dankbar dafür, dass dieser gute Kompromiss ge

funden wurde. Mein Dank gilt insbesondere dem Städtetag Baden-Württemberg, der durch seine konstruktiven Vorschläge diesen Kompromiss letztlich überhaupt ermöglicht hat.

Die ab 2018 vorgesehene verbindliche „Konzernbilanz“ würde ihrer Steuerungs- und Transparenzfunktion nicht gerecht, wenn ihre Erstellung von bestimmten Einwohnerzahlen abhängig gemacht würde. Auch dies war ein Punkt, über den im Vorfeld diskutiert wurde. Der Gesamtabschluss darf eben nicht nur eine Angelegenheit der Großen Kreisstädte oder der Stadtkreise sein, weil mittlerweile – jetzt kommt meine zentrale Botschaft, Herr Kollege Heiler –

(Abg. Walter Heiler SPD: Ich habe doch gar nichts gesagt!)

zahlreiche Organisationseinheiten der Gemeinde ausgegliedert sind und mehr als die Hälfte der kommunalen Verschuldung in Baden-Württemberg außerhalb des Kernhaushalts stattfindet. Mehr als die Hälfte!

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Unternehmen mit doppischer Buchführung!)

Ja, klar: Unternehmen. – Deswegen ist im Gesetzentwurf eine Regelung vorgesehen, die systemgerechte Ausnahmen zulässt, wenn die ausgegliederten Organisationseinheiten von untergeordneter Bedeutung sind. Das ist die Flexibilität, die wir da haben.

Ich will zum Schluss noch einmal allen Beteiligten danken: den Personen, die daran mitgearbeitet haben, und den Institutionen. Es ist schon beachtlich, dass dieses umfangreiche Reformprojekt durchgeführt und jetzt zum Abschluss kommen wird. Ich danke den kommunalen Landesverbänden, ihren Vertretern, den Städten und Gemeinden, die sich schon bisher als Pilotkommunen zur Verfügung gestellt haben, und auch vielen kommunalen Praktikern, die in vielen Arbeitsgruppen mitgearbeitet und zum Erfolg beigetragen haben.

Mein Dank gilt auch der Gemeindeprüfungsanstalt, dem Datenverarbeitungsverbund und allen anderen Institutionen, die sich mit Hinweisen und Anregungen in das Reformwerk eingebracht haben.

Meine Damen und Herren, die Umstellung – das will ich abschließend sagen – des Haushalts- und Rechnungswesens von der Kameralistik auf die Doppik wird die Kommunen – dessen bin ich mir bewusst – vor große Aufgaben stellen. Das ist klar. Aber ich bin der Überzeugung, dass der Nutzen überwiegen und die Umstellung sich am Ende lohnen wird. Unsere Gemeinden werden mit dem neuen Haushalts- und Rechnungswesen noch besser als schon bislang die Herausforderungen meistern, die die Zukunft stellt. Ich wünsche mir und allen Kommunen im Land, dass die Beratung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen von diesem Gedanken getragen wird.

In diesem Haus, meine Damen und Herren, ist mehrfach und zu Recht bei den Beratungen der letzten Haushalte – zumal der letzten beiden Haushalte – davon gesprochen worden, dass wir nicht dadurch Schulden auf die nächste Generation verlagern sollten, dass wir, unsere Generation, jetzt weiterhin über unsere Verhältnisse leben. Dieses neue Haushaltsrecht trägt

zur Transparenz bei und macht uns allen klar, was wir in unseren Haushalten veranstalten.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das könnten wir auch für den Landeshaushalt brauchen!)

Das ist natürlich das vorrangige Ziel. Wir werden diesem Ziel mit diesem neuen Haushaltsrecht einen gewaltigen Schritt näherkommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Herrmann für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute geht eine 16 Jahre dauernde Beratung über das neue Haushaltsrecht in die letzte und entscheidende parlamentarische Runde. Bisher galt auf der kommunalen Ebene lediglich der Geldverbrauch. Neu wird jetzt sein, dass neben den zahlungswirksamen Vorgängen, also dem Geldverbrauch, auch nicht zahlungswirksamer Verbrauch von Gütern berücksichtigt wird. Durch Abschreibungen und Rückstellungen wird nun auch der Vermögensverzehr im Haushalt sichtbar. Bisher verdeckte Defizitstrukturen werden so klarer offengelegt.

Die Abschlüsse bei der künftigen doppelten Buchführung entsprechen den kaufmännischen Jahresabschlüssen, also der Gewinn- und Verlustrechnung der Bilanz, und werden dadurch aussagekräftiger und transparenter. Wenn man noch die Finanzrechnung hinzunimmt, die neu eingeführt wird, entsteht ein vollständiges Bild der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der jeweiligen Kommune.

Ich will aber auch nicht verschweigen, dass es Fälle geben wird, in denen ein Haushaltsfehlbetrag entsteht oder ein vorhandener Haushaltsfehlbetrag größer wird. Hier müssen dann weitere Sparmöglichkeiten ausgenutzt werden, oder es müssen Ertragsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Das heißt konkret, Steuer- und Gebührenerhöhungen werden in manchen Gemeinden folgen müssen. Aber jede Generation soll die von ihr verbrauchten Ressourcen und Werte mittels Entgelt und Abgaben auch wieder ersetzen. Aktuelle Belastungen dürfen nicht auf künftige Generationen verschoben werden. Das ist das, was hier im Gesetzentwurf mit dem Prinzip der intergenerativen Gerechtigkeit beschrieben wird.

In den Sechzigerjahren sind viele öffentliche Bauten entstanden, bei denen heute ein hoher Sanierungsbedarf besteht. Es gibt Kommunen, die für die Sanierung durchaus Rücklagen gebildet haben, aber es gibt auch viele Kommunen, die für Sanierungen keine Rücklagen gebildet haben. Heute steht man hier vor hohen Aufwendungen.

Diejenigen, die damals Verantwortung getragen haben, haben die Folgekosten auf uns abgewälzt, statt Vorsorge zu treffen. Mit der neuen doppelten Haushaltsführung, der Doppik, und dem Ressourcenverbrauchsprinzip ist das nicht mehr möglich.

Nun noch ein Satz zum Haushaltsausgleich und dazu, dass ein verpflichtendes Strukturkonzept im Gesetzentwurf nicht vor

gesehen ist. Ich sage hier ausdrücklich, dass bei der Überprüfung der Regelungen nach dem Jahr 2017 insbesondere mit einbezogen werden muss, ob ein Haushaltsstrukturkonzept gesetzlich vorgeschrieben werden soll oder ob es ausreicht, dass die Rechtsaufsichtsbehörde nach den bisherigen Möglichkeiten der Gemeindeordnung, konkret nach dem § 77, Maßnahmen ergreifen und verlangen kann. Wir vertrauen hier darauf, dass die bisherigen gesetzlichen Regelungen ausreichen. Wenn nicht, kann man das im Wege der Überprüfung noch einmal ändern.

Zum Gesamtabschluss. Der Gemeindetag wünscht, dass man Gemeinden, die weniger als 20 000 Einwohner haben, vom Gesamtabschluss befreit. Wir sind der Auffassung – mehrheitlich –, dass es ausreicht, dann auf einen Gesamtabschluss zu verzichten, wenn Gemeinden Auslagerungen von untergeordneter Bedeutung vornehmen. Denn wichtig ist bei dieser Reform auch, dass die Zersplitterung des kommunalen Rechnungswesens durch Ausgliederungen überwunden wird. Wir sind gern bereit, diesen Punkt im Wege der Ausschussberatungen noch einmal vertieft anzuschauen. Aber eine starre Einwohnergrenze wäre sicherlich falsch; denn dann würden nur 9 % der Kommunen einen Gesamtabschluss machen. Das wäre der Transparenz sicherlich nicht dienlich.

Bis zum Jahr 2016 muss die Doppik überall eingeführt sein. Ich möchte die Kommunen auffordern, bereits jetzt mit der Umstellung zu beginnen und das nicht hinauszuschieben. Die Vermögensbewertungen können jetzt vorgenommen werden. Je länger man mit der Einführung wartet, umso teurer wird dann die Umstellung für die Kommunen. Dann ist aber nicht der Landtag schuld, sondern dann sind diejenigen schuld, die bis zum letzten Zeitpunkt gewartet haben.

Die Kosten für die Einführung der Doppik sind auch nicht so hoch, wie es manchmal gesagt wird. Uns wurde von der Stadt Bruchsal, einer Stadt mit 43 000 Einwohnern, mitgeteilt, dass einschließlich der Kosten für Schulungen Gesamtkosten von etwa 200 000 € angefallen sind. Das sind einmalig 5 € pro Einwohner. Das ist auch vertretbar.

Eine letzte Bemerkung noch zum Thema „Einführung der Doppik im Land“. Es ist bundesrechtlich bisher nicht möglich, dass die Länderhaushalte ausschließlich in doppischer Form geführt werden. Auf Bundesebene ist derzeit ein Referentenentwurf in Arbeit, der den Ländern ermöglichen soll, die Doppik einzuführen.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Wenn das Bundesgesetz in die parlamentarische Beratung kommt, werden wir auch im Land einen Zeitplan für die Einführung der Doppik im Landeshaushalt aufstellen – ein Punkt, den die CDU-Fraktion für richtig und sinnvoll hält.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Zurück zum Gesetzentwurf: Wir haben im Anhörungsverfahren selbst Anhörungen durchgeführt und mit Praktikern in großen und kleinen Gemeinden gesprochen. Wir haben viele Vorbehalte und kritische Stimmen gehört, aber auch Bekundungen der Zustimmung und Unterstützung

(Abg. Reinhold Gall SPD: Vereinzelt!)

und die Aufforderung, als letztes Land die Doppik endlich einzuführen.

Nachdem im Jahr 1974 die letzte große Änderung des kommunalen Haushaltsrechts vorgenommen wurde, nämlich die Umstellung vom ordentlichen und außerordentlichen Haushalt auf den Vermögens- und Verwaltungshaushalt, gab es anschließend in der Praxis noch zahlreiche Veränderungen im Detail. Auch dieses Mal wird es so sein; das bleibt nicht aus, wenn man ein solch großes Reformprojekt macht. Wir halten aber den Gesetzentwurf im Grundsatz für richtig.

Weitere Details können wir noch im Ausschuss besprechen. Aber im Grundsatz können wir diesem von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf so zustimmen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Heiler für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziel dieser Reform soll ein leis tungsfähiges, ein zukunftssicheres kommunales Haushalts- und Rechnungswesen sein. Durch die Umstellung des Rechnungswesens von Kameralistik auf Doppik soll neben den reinen Zahlungsflüssen auch der Ressourcenverbrauch von kommunalem Vermögen sichtbar werden.

Das hehre Wort von der „Generationengerechtigkeit“ macht die Runde. Wir haben es jetzt vom Herrn Innenminister gehört, auch vom Kollegen Herrmann: Es geht um intergenerative Gerechtigkeit. Jede Generation soll das vollständig bezahlen, was sie auch verbraucht hat. Das ist absolut richtig. Dazu steht unsere Fraktion ohne Wenn und Aber.

Obwohl der Reformprozess hier in Baden-Württemberg bis zum Beginn der Neunzigerjahre zurückreicht, tun sich noch immer viele unbeantwortete Fragen auf. Stichwort „Intergenerative Gerechtigkeit“: Hier stellt sich die Frage, wer sich in der Vergangenheit diesem Anspruch am meisten verschrieben hat. Die öffentliche Verschuldung von Bund, Ländern und Kommunen betrug zum 31. Dezember 2007 1,6 Billionen €. Der Anteil des Bundes daran betrug 62 %, der Anteil der Länder 31 % und der Anteil der Kommunen gerade einmal 7 %.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Hört, hört!)

Wenn sich jemand in der Vergangenheit also intergenerativ gerecht verhalten hat,

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Vernünftige Leu- te!)

wenn sich jemand so verhalten hat, dass jede Generation das bezahlen soll, was sie auch verzehrt, dann waren dies mit weitem Vorsprung die Kommunen, gerade auch hier in BadenWürttemberg.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Günther-Martin Pauli und Norbert Beck CDU)

Deshalb stellt sich eine weitere zentrale Frage: Wenn die Doppik doch so gut sein soll, warum wollen dann ausgerechnet

Bund und Länder ihre Haushalte zukünftig nicht nach doppischen, sondern nach kameralistischen Grundsätzen führen?

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Gute Frage!)

Ausgerechnet die, die für 93 % der intergenerativen Ungerechtigkeit verantwortlich sind, könnten doch hier – nein, sie sollten – mit gutem Beispiel vorangehen. Im Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums vom Oktober 2008 wurde anerkannt, dass der tatsächliche Ressourcenverbrauch besser in den Haushalten abgebildet werden soll. Dennoch werde man auf eine modernisierte Variante der Kameralistik bauen. Diese sei – ich zitiere –

die adäquate Antwort auf die Frage, wie der identifizierte Reformbedarf mit vertretbarem finanziellen, organisatorischen und technischen Aufwand bewältigt werden kann.