Protokoll der Sitzung vom 19.03.2009

Was heißt das konkret? Ich nenne zwei, drei Beispiele.

Wasserrahmenrichtlinie: Nach Aussagen von Frau Gönner wird es nicht möglich sein, die Wasserrahmenrichtlinie im Zielrahmen 2015 umzusetzen, damit der Wasserschutz den Stand erreicht, der in Europa geschaffen werden soll. Dann muss das Land aber tatsächlich auch die jetzige Förderkulisse mit den Maßnahmen nach der Wasserrahmenrichtlinie verzahnen.

Biodiversität ist genauso ein Thema. In Bezug auf Natura 2000 bestehen Defizite ohne Ende. Es gibt keinerlei Verzahnung mit den Maßnahmen, die hier jetzt für den ländlichen Raum vorgesehen sind.

Das Thema Flächenverbrauch hatten wir gestern. Wo findet sich – mit Ausnahme von MELAP – tatsächlich eine Verzahnung mit der Förderung aus dem Konjunkturpaket? Fehlanzeige, nichts da. Es ist viel zu wenig da.

Wir fordern andererseits eine stärkere Unterstützung von Modellprojekten. Ich nenne als Stichwort LEADER. Wir wollen den Flächenspareffekt, den ich gerade genannt habe, stärker verankern. Die 5 Millionen €, die für den ländlichen Wegebau vorgesehen sind, wollen wir in die Förderung des ÖPNV umschichten.

Letzter Aspekt – dann ist meine Redezeit auch vorbei –: Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich die Förderung auf die mittelständischen Unternehmen konzentriert. Aber wir sagen auch eindeutig Nein zur Förderung der interkommunalen Gewerbegebiete auf der grünen Wiese; so muss man es nennen. „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ ist nach wie vor das Thema, das auch den ländlichen Raum betrifft.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Das wissen wir doch!)

Wir wissen es, aber wir setzen es nicht um. Deswegen reden wir immer wieder über das Thema „Nahversorgung und ländlicher Raum“. Ich hoffe, dass der Zustand besser wird

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Noch besser!)

und nicht auf dem jetzigen Niveau stagniert.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Es gibt nichts, was nicht noch besser werden kann!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es trifft nicht zu, dass, wie Herr Murschel gerade gesagt hat, die Landesregierung zwar das Prinzip „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ in Sonntagsreden propagiere, aber nicht danach handle. Wenn man sich die Programme der Landesregierung, insbesondere das Landessanierungsprogramm, aber auch die Programme des Ministeriums Ländlicher Raum anschaut,

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: ELR!)

dann stellt man fest, dass genau solche Projekte gefördert werden, die etwa geeignet sind, eine innerstädtische Industrie brache für die Entwicklung einer kleineren Gemeinde im ländlichen Raum umzuwandeln. Es gibt vielfältige Beispiele dafür, dass das gelingt

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Dann haben wir ja kein Pro- blem mehr!)

und durchaus auch die Nahversorgung im ländlichen Raum von einer solchen Entwicklung profitiert.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: In ganz Baden-Würt temberg!)

Das gibt es im gesamten Land; das ist völlig richtig. – Insofern sind das nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern gibt es vielfältige Beweise dafür, dass dies funktioniert.

Richtig ist allerdings, dass diese Programme nicht ausreichen, weil sie allein nicht in der Lage sind, eine angemessene Versorgung mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs für den ländlichen Raum in Baden-Württemberg zur Verfügung zu stellen. Notwendig sind natürlich auch andere Maßnahmen; das ist völlig klar.

Da widerspricht sich auch etwas die Argumentationsweise der Opposition. Die Opposition fordert nämlich immer, im ländlichen Raum Flächen zu sparen, keine Gewerbegebiete auszuweisen, Restriktionen bei der Landesplanung für die Ausweisung von Einkaufsmärkten.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Bei dieser Rede schla- fen einem ja die Füße ein! – Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Was steht im Koalitionsvertrag?)

Damit kann man durchaus Flächen sparen. Damit kann man durchaus auch den innerstädtischen Handel

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Kaputt machen!)

in Unterzentren, in Mittelzentren, in Oberzentren beleben, indem man die Leute zwingt, dass sie sich ins Auto setzen und zum Einkaufen in die Oberzentren oder in die Mittelzentren

fahren, weil man nämlich den Handel im ländlichen Raum unterbindet. Das ist keineswegs ökologisch.

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Das ist auch nicht generationengerecht.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Das ist eine merkwürdige Argumentation!)

Das ist auch nicht behindertenfreundlich.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist an der Reali- tät vorbei!)

Es ist notwendig, für die kleineren Kommunen im ländlichen Raum die Möglichkeit zu schaffen, angemessene Einkaufsmärkte auszuweisen, wenn sie die Bevölkerung nicht anders versorgen können.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Birgit Kipfer SPD: Sie widersprechen sich jetzt!)

Darum bemühen wir uns. Darauf haben wir jetzt auch bei der Novellierung des Landesplanungsgesetzes Rücksicht genommen. Wenn Sie nämlich stur in den Kommunen im ländlichen Raum, die nicht Oberzentrum, nicht Mittelzentrum, nicht Unterzentrum sind, maximal 800 m2 Verkaufsfläche zulassen, dann bekommen Sie maximal einen Discounter. Der Vollversorger baut einen solchen Einkaufsmarkt nämlich gar nicht erst, weil dieser nicht wirtschaftlich ist.

Das sind genau die Maßnahmen, die Sie einerseits immer begrüßen. Andererseits jammern Sie hier, dass die Versorgung für die Bevölkerung im ländlichen Raum nicht ausreichend sei.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist die Doppel- züngigkeit!)

Genau das ist die Problemstellung. Darüber sollte man sich durchaus im Klaren sein, wenn man dies beklagt.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Buschle?

Bitte schön.

Herr Kollege Dr. Rülke, würden Sie mir darin zustimmen, dass die hauptsächlich von Ihrer Partei betriebene Freigabe der Ladenöffnungszeiten dem Einzelhandel gerade im ländlichen Raum schwer geschadet hat?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

(Beifall des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP – Zu- rufe, u. a. Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Er hat recht! – Unruhe)

Wir brauchen passgenaue Lösungen und – das steht auch in der Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums zum vorliegenden Antrag – die Möglichkeit, vor Ort zu planen. Wir brauchen eben nicht den großen weisen Mann in Stuttgart,

(Oh-Rufe – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Der meint den Peter Hauk!)

der dem ländlichen Raum bis in den letzten Winkel des Landes irgendwelche Lösungen vorbetet. Vielmehr müssen wir den Kommunen im ländlichen Raum die Möglichkeit lassen, im Rahmen ihrer eigenen Planungshoheit die Lösungen umzusetzen, die für die jeweilige Kommune die richtigen sind. Wenn wir dabei helfen können, beispielsweise durch das ELR oder durch die Landessanierungsprogramme, dann tun wir das. Aber wir müssen ihnen auch die entsprechenden Planungsmöglichkeiten lassen. Das heißt beispielsweise, dass sich ein Vollversorger mit einer Fläche von mehr als 800 m2 auch in einer kleineren Kommune ansiedeln kann.

(Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Das rechnet sich doch wirtschaftlich gar nicht!)

Diese Vielfalt an Möglichkeiten ist der Weg für eine angemessene Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum mit den entsprechenden Gütern

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Das hat doch bisher nichts genützt! – Gegenruf der Abg. Veronika Netzhammer CDU: Das kann man so nicht sagen!)