Protokoll der Sitzung vom 19.03.2009

Feigling!

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Kultusminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?

Ja, klar.

Herr Minister, Sie beschreiben die Übergänge vom Gymnasium auf das berufliche Gymnasi

um. Was ist aber mit den Übergängen von Realschülern auf das berufliche Gymnasium?

(Zurufe)

Ich habe zwei aktuelle Briefe aus meinem Wahlkreis über fehlende Plätze: Ein Realschulabsolvent weiß mit einem Notendurchschnitt von 2,8, 2,7 oder 2,6 nicht, ob er aufgenommen wird. Er muss sich doch zwangsläufig weiter um andere Möglichkeiten kümmern, sprich eine Lehrstelle suchen und finden. Sie beschreiben ein Dilemma der Schule. Das Dilemma ist aber bei den Jugendlichen. Da er nicht einmal weiß, ob er aufgenommen wird – obwohl er rechtlich aufgenommen werden sollte –,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er weiß es j e t z t noch nicht!)

hat er natürlich zwei Möglichkeiten, einen Anschluss zu finden. Sie werfen ihm das ja geradezu vor!

(Unruhe)

Ich werfe ihm das nicht vor.

(Anhaltende Unruhe)

Ich sage Ihnen: Wir haben breit angelegte Möglichkeiten für Jugendliche, die einen mittleren Bildungsabschluss haben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Machen Sie doch ein- mal Ihre Hausaufgaben! – Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Es gibt die Möglichkeit, in eine berufliche Ausbildung zu gehen. Es gibt die Möglichkeit, über Berufkollegs die Fachhochschulreife und damit eine Studienberechtigung zu erwerben.

(Zurufe – Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsi- denten)

Herr Minister, einen Moment bitte! – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf um Ruhe bitten. Verlegen Sie notwendige Gespräche bitte nach außerhalb des Plenarsaals.

Bitte, Herr Minister.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Es ist ganz normal, dass Jugendliche sich in dieser Entscheidungsphase unterschiedliche Möglichkeiten vornehmen, sie sich vorbehalten und prüfen. Alle Erfahrungen sprechen dafür – ich werfe das gar niemandem vor –, dass in der ganzen Bandbreite der Bildungs- und Ausbildungsangebote das richtige Angebot gesucht wird.

Ich glaube, dass wir bei uns mit den breit aufgestellten Berufsbildungsangeboten die richtige Antwort darauf geben. Deswegen werden wir weiterhin am Ausbau dieser gesamten Berufsbildungsszenerie arbeiten, weil auch hier die Vielfalt die Chancen zum Tragen bringt.

Wir sind in diesem Jahr mit 15 neuen Standorten der sozialwissenschaftlichen Gymnasien einem speziellen inhaltlichen Bereich gerecht geworden, den wir für zukünftige Berufsori

entierungen dringend brauchen. So werden wir Jahr für Jahr die richtigen Entscheidungen treffen, die wir brauchen, um den Jugendlichen die Zukunftschancen zu sichern.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Lehmann das Wort.

Herr Minister, ich habe gedacht, ich bekäme jetzt die geforderten Informationen; ich habe sie aber nicht bekommen. Dies ist auch eine Antwort. Bei Ihnen liegen die Zahlen seit dem 11. März 2009 auf dem Tisch.

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE – Unruhe – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Pst!)

Ich möchte noch einen Satz oder zwei Sätze zu dem Antrag sagen, den die Regierungsfraktionen eingebracht haben. Begründet wurde er allerdings nicht. Mir scheint doch, dass dieser Antrag ein Ausdruck von Sprachlosigkeit oder Unzufriedenheit ist. Das geht aus dem Antrag nicht ganz hervor. Offensichtlich musste man sich hier als Fraktion, nachdem diese Diskussion seit einem Jahr in der Öffentlichkeit so gelaufen ist, irgendwie äußern. Aber diese Äußerung ist hilflos – das muss ich Ihnen sagen –, weil Sie nicht sagen, in welche Richtung es gehen soll. Was schlägt die Landesregierung vor, was soll vorgeschlagen werden, wie soll dies gemacht werden?

(Anhaltende Unruhe – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Pst!)

Der Schulausschuss des Kreistags des Landkreises Konstanz hat am Montag mit Frau Netzhammer und mir über dieses Thema beraten. Der Landkreis Konstanz bekommt eine Poolklasse. Wir haben im Landkreis Konstanz alle Zahlen bereinigt. Es gibt 82 zusätzliche Bewerber, die eigentlich einen Platz haben wollen. Eine einzige zusätzliche Poolklasse wurde zugesagt; der Mangel kann dadurch nicht abgedeckt werden. Eine zweite Klasse wurde im Ausschuss einstimmig von allen Fraktionen gefordert. Im Regierungsbezirk Südbaden bekommen wir sieben Klassen. Wir hätten in Konstanz gern mindestens zwei. Herr Minister, wir brauchen eigentlich drei Klassen, um diesen Mangel abzudecken.

Das sind reale, belastbare Zahlen. Da ist nichts geschönt und nichts schöngerechnet. Wir brauchen eigentlich drei Klassen im Landkreis Konstanz, und wir brauchen eine Verlässlichkeit. Ich denke, was die Jugend heute braucht, ist eine Verlässlichkeit der Politik. Es kann nicht sein, dass wir unsere Schulpolitik bei der Grundschulempfehlung so machen würden, wie es beim Übergang auf ein berufliches Gymnasium läuft, indem wir sagten: „Ihr könnt euch ja einmal bewerben, aber ob ihr einen Platz auf dem Gymnasium bekommt, das müssen wir sehen. Ihr könnt ja auch auf die Realschule gehen. Wir deckeln das.“ Das ist die Situation, die wir heute an den beruflichen Gymnasien haben.

Ich möchte zum Abschluss den Herrn Ministerpräsidenten zitieren. Er hat gestern etwas sehr Denkwürdiges gesagt. Er hat

nämlich gesagt: „Schulen sind Orte der Zukunft.“ Das kann ich nur vollumfänglich unterstreichen.

Herr Minister, Sie haben auch gesagt – das finde ich auch völlig richtig –, dass hier Zukunftschancen verteilt würden. Sie haben von Bildungsgerechtigkeit gesprochen. Wir müssen das aber einlösen. Die Politik muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich die jungen Leute auf das verlassen können, was wir hier beschließen. Diese Verlässlichkeit verlangt einen Ausbau und eine klare Zusage: „Wenn ihr die Leistungsnoten habt, müsst ihr auch die Chance haben, die Hochschulreife zu erwerben“. Diese Verlässlichkeit fordern wir mit unserem Antrag ein. Die CDU-Fraktion und die FDP/DVP-Fraktion drücken sich meines Erachtens um die Antwort auf diese Frage.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Mentrup das Wort.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Muss das sein?)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu unserem Gegenfinanzierungsvorschlag, Frau Krueger. Ich finde es schon bemerkenswert, dass das Einzige, was die Landesregierung an Neuigkeiten in der Bildungspolitik in den Haushalt eingestellt hat – nämlich die berühmte Bildungsoffensive –, komplett über eine Rücklage finanziert wird

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Aha!)

und es trotzdem nicht gelingt, den Anteil des Kultusministeriums am Gesamthaushalt zu erhöhen. Der Anteil sinkt vielmehr, und Sie stellen sich dann hier hin und sagen auf unser Begehr hin, das sei eine unvernünftige Gegenfinanzierung. Sie sollten zunächst einmal vor Ihrer eigenen Haustür kehren, bevor Sie uns mit solchen Angriffen konfrontieren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Wir sind uns in der Analyse einig: 50 % der jungen Menschen, die die Hochschulreife erwerben, erwerben die Hochschulreife mittlerweile nicht mehr über das allgemeinbildende Gymnasium. 17 % der Kinder mit einer Grundschulempfehlung für das Gymnasium gehen auf die Realschule. Ihnen verspricht man – auch durch Sie, Herr Minister –, es sei ein gleichwertiger Bildungsweg zum Abitur, ob man auf das allgemeinbildende Gymnasium gehe oder ob man auf die Realschule gehe und anschließend das berufliche Gymnasium besuche.

Wir werden Ihnen, Frau Krueger, auch noch nachweisen, dass Ihre Aussage, durch das G 8 gebe es keine erhöhten Übergangszahlen, so nicht stimmt. Ich rechne nach Einzelauszählung mit dem Zwei- bis Dreifachen, was am G 8 in den Klassen 5 bis 8 auf die Realschule herunterwechselt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das stimmt nicht! Das ist völliger Unfug! Das ist mitnichten der Fall! Es ist nachgewiesen, dass das nicht so ist!)

Auch die verlassen sich darauf, dass sie nach der Absolvierung der mittleren Reife auf das berufliche Gymnasium wechseln können.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Völliger Unfug!)

Wenn wir also sagen, Herr Minister: „Wir haben hier nicht einen sogenannten zweiten Bildungsweg, sondern es gehört zum Standardangebot, dass ich auch über das berufliche Gymnasium die Hochschulreife erwerben kann“, dann dürfen Sie sich bei den entsprechenden Konsequenzen hier aber nicht durch die Sache heucheln. Vielmehr müssen Sie den Fakten einmal ins Auge sehen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr richtig!)

Wo ist denn der bedarfsgerechte Ausbau? Ich finde es ja schon einmal positiv, dass auch CDU und FDP/DVP mit ihrem Antrag sagen, man habe hier einen bedarfsgerechten Ausbau einzufordern.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)